Dunstschleier könnten Pluto kühlen

Rainer Kayser

Die Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto ist etwa 30 Grad kälter als von theoretischen Modellen vorhergesagt. Das zeigten Messungen der Raumsonde New Horizons, die am 14. Juli 2015 an dem Himmelskörper vorbeiflog. Ein Forscherteam präsentiert jetzt eine Erklärung für die bislang rätselhafte Unterkühlung des Zwergplaneten: Dunstschleier aus Kohlenwasserstoffpartikeln strahlen einen großen Teil der von der Sonne empfangenen Energie als Infrarotstrahlung wieder ins Weltall ab und kühlen so die Atmosphäre, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten.

Auf dem Bild sieht man einen hellen Ring vor einem schwarzen Hintergrund.

Dunst in Plutos Atmosphäre

Die von der Raumsonde New Horizons gelieferten Aufnahmen zeigen tatsächlich eine ganze Serie horizontal geschichteter Dunstschleier in der Atmosphäre von Pluto, die bis in eine Höhe von mindestens 350 Kilometern hinaufreichen. Auf Basis der ebenfalls von New Horizons gemessenen chemischen Zusammensetzung zeigen Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen, dass die ultraviolette Strahlung der Sonne sowohl Stickstoff als auch Methan in Höhen von bis zu tausend Kilometern ionisiert. Diese Ionen reagieren miteinander und bilden Kohlenwasserstoffpartikel, die zunächst einige Dutzend Nanometer groß sind. Die Partikel sinken in der Atmosphäre langsam nach unten, wachsen dabei an und bilden die auf den Aufnahmen von New Horizons sichtbaren Dunstschleier.

„Solche Dunstpartikel nehmen einerseits sehr viel mehr Wärme auf, kühlen aber andererseits auch sehr viel stärker durch die Abgabe thermischer Strahlung ab als Gasmoleküle“, stellen Zhang und seine Kollegen fest. Dadurch dominiere der Dunst das Temperaturgleichgewicht in der Atmosphäre Plutos von der Oberfläche bis in eine Höhe von 700 Kilometern. „Pluto wäre damit der erste uns bekannte planetarische Körper, bei dem das Energiegleichgewicht der Atmosphäre nicht durch Gase, sondern durch feste Partikel bestimmt wird“, so Zhang. Ob der Dunst schließlich zu einer Erwärmung oder zu einer Abkühlung führt, hängt allerdings von der exakten Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffpartikel ab – und diese ist bislang unbekannt.

Zhang und seine Kollegen präsentieren ein Modell, mit dem sich die beobachtete Abkühlung von der theoretisch vorhergesagten Temperatur von minus 173 Grad Celsius auf die beobachtete Temperatur von minus 203 Grad Celsius reproduzieren lässt. Die Frage, ob dieses Modell mit der tatsächlichen Zusammensetzung des Dunstes in der Atmosphäre von Pluto übereinstimmt, müssen die Forscher jedoch zunächst unbeantwortet lassen. Allerdings ergibt sich aus ihrem Modell die Vorhersage, dass die Atmosphäre des Zwergplaneten im Infrarotbereich erheblich heller strahlt als bislang angenommen. Und eine solche Strahlung sollte mit dem Nachfolger des Weltraumteleskops Hubble, dem James Webb Space Telescope, leicht nachweisbar sein. Beobachtungen mit diesem neuen Observatorium könnten also bereits 2019 das Modell von Zhang und seinen Kollegen entweder bestätigen oder verwerfen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2017/dunstschleier-koennten-pluto-kuehlen/