Ein Universum ohne Urknall

TU Wien/Claudia Schneider

Wenn man eine Suppe erhitzt, beginnt sie zu kochen. Wenn man Raum und Zeit erhitzt, kann ein expandierendes Universum entstehen – ganz ohne Urknall. Diesen Phasenübergang zwischen einem leeren Raum und einem expandierenden Universum, das Masse enthält, konnte Arjun Bagchi von der Universität Edinburgh gemeinsam mit seinen Kollegen nun in zwei Raumdimensionen berechnen. Dahinter steht ein bemerkenswerter Zusammenhang zwischen Quantenfeldtheorie und Einsteins Gravitationstheorie. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Phasenübergänge von Stoffen, die zwischen festem, flüssigem und gasförmigem Zustand wechseln, begegnen uns häufig im Alltag. Tatsächlich können auch Raum und Zeit solche Übergänge durchlaufen, wie die Physiker Steven Hawking und Don Page schon 1983 zeigten. Sie berechneten, dass aus leerem Raum bei einer bestimmten Temperatur plötzlich ein Schwarzes Loch entstehen kann. Doch lässt sich bei einem ähnlichen Prozess auch ein ganzes Universum erzeugen, das sich kontinuierlich ausdehnt?

Bei seinen Berechnungen fand das Forscherteam eine kritische Temperatur, bei der aus einem völlig leeren, flachen Raum ein expandierendes Universum mit Masse wird. „Die leere Raumzeit beginnt gewissermaßen zu kochen, es bilden sich Blasen, eine von ihnen expandiert und nimmt schließlich die gesamte Raumzeit ein“, erklärt Koautor Daniel Grumiller von der TU Wien. Das Universum muss dabei rotieren, wobei seine Drehgeschwindigkeit beliebig klein sein kann. Bisher wurden in den Berechnungen nur zwei Raumdimensionen berücksichtigt. „Es gibt aber nichts, was dagegen spricht, dass es in drei Raumdimensionen genauso ist“, meint Grumiller.

Die Quantenfeldtheorie kommt dabei immer mit einer Dimension weniger aus als die zugehörige Gravitationstheorie – das bezeichnet man als „holografisches Prinzip“. Ähnlich wie ein zweidimensionales Hologramm ein dreidimensionales Objekt darstellen kann, kann eine Quantenfeldtheorie mit zwei Raumdimensionen eine physikalische Situation in drei Raumdimensionen beschreiben. Dafür muss die Gravitationstheorie allerdings in einer Raumzeit mit einer exotischen Geometrie definiert werden.

Das Phasenübergangsmodell der Forscher setzt eine Vermutung fort, die 1997 aufgestellt wurde und einen Zusammenhang zwischen Quantenfeldtheorie und Einsteins Gravitationstheorie beschreibt – zwei erfolgreichen Modellen der Physik, die bislang als unvereinbar gelten. In bestimmten Grenzfällen, so besagt diese Vermutung, lassen sich Aussagen der Quantenfeldtheorie in Aussagen der Gravitationstheorie überführen und umgekehrt. Dass es in der Quantenfeldtheorie einen Phasenübergang gibt, wussten die Wissenschaftler bereits. Einen Phasenübergang auf der Gravitationsseite hielten sie jedoch für unwahrscheinlich.

Unser eigenes Universum ist allerdings wohl nicht auf diese Weise entstanden: Das Phasenübergangsmodell ist nicht als Konkurrenz zur Urknalltheorie gedacht. „In der Kosmologie weiß man heute sehr viel über das frühe Universum – das zweifeln wir nicht an. Aber für uns ist die Frage entscheidend, welche Phasenübergänge in Raum und Zeit möglich sind und wie die mathematische Struktur der Raumzeit beschrieben werden kann“, sagt Grumiller.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2013/ein-universum-ohne-urknall/