Ein besonderer Doppelstern

Rainer Kayser

Stern in einer ausgedehnten leuchtenden Struktur

NASA/JPL-Caltech/J.Tobin (University of Michigan)

Doppelsterne entstehen üblicherweise gemeinsam aus ein und derselben Gaswolke und in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Doch nun ist ein Forscherteam auf ein junges Sternenpaar gestoßen, das offenbar auf andere Art entstanden ist: Die beiden Sterne haben sich zunächst weit entfernt voneinander gebildet und sich erst später einander angenähert. Bei ihrem Annäherungsprozess verdrehen die beiden Sterne das Magnetfeld in ihrer Umgebung und beeinflussen so die Entstehung anderer Sterne, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal“ berichten.

Auf diese Erkenntnisse sind Erin Cox von der Northwestern University in den USA und ihr Team bei Beobachtungen der etwa 700 Lichtjahre entfernten Gaswolke Lynds 483 gestoßen. Dort befinden sich frisch entstandene, junge Sterne, es bilden sich aber auch weiterhin neue Sterne. Die Forscher beobachteten diese Gaswolke mit dem Infrarotteleskop SOFIA, das sich an Bord einer umgebauten Boeing 747 befindet, und bemerkten dabei, dass das Magnetfeld in der Sternentstehungsregion ungewöhnlich verdrillt ist.

Eben eine solche Verdrehung des Magnetfelds sagten einige theoretische Arbeiten voraus. „Wir glauben, dass hier, in Lynds 483, genau das passiert. Doch die Theorie kann das eine sagen – und die Beobachtungen etwas ganz anderes“, so Cox. Die Forscher beschlossen deshalb, sich auf die Suche nach der Ursache des verdrehten Magnetfelds zu machen.

Ihre Beobachtungen mit der fliegenden Sternwarte zeigten schließlich einen jungen Stern, eingehüllt in einen dichten Kokon aus Gas, von dem die besondere Form des Magnetfelds auszugehen schien. Weitere Beobachtungen mit der Radioteleskopanlage ALMA in Chile entlarvten daraufhin noch einen zweiten Stern innerhalb dieser Gashülle. Diese Sterne sind weit entfernt voneinander entstanden, haben sich dann angenähert und schließlich einen Doppelstern gebildet, erklären die Forscher.

Anhand dieser Entdeckung ließen sich die bisherigen Theorien zwar bestätigen – ganz geklärt ist das Phänomen jedoch noch nicht. So ist noch unklar, warum sich die beiden Sterne aufeinander zubewegen. Die Forscher sind sich aber sicher, dass es die Bewegung der Sterne ist, die zu der Verdrillung des Magnetfelds führt. Vermutlich sei dieser Prozess auch wichtig, damit die Sterne ein stabiles System bilden. Denn dies ist nur möglich, wenn sich ihre Bewegung umeinander verlangsamt – was wohl daran liegt, dass das Magnetfeld Energie aus der Drehbewegung der Sterne nach außen an die Gaswolke abführt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/sternentstehung-ein-besonderer-doppelstern/