Attosekundenphysik

Redaktion

Das Foto zeigt einen Tisch, auf dem ein Laserstrahl durch einen Parcours aus kleinen Blenden, Spiegeln und Linsen läuft.

Михаил Руденко/iStock

Mit Lichtpulsen, die nicht einmal eine billiardstel Sekunde andauern, lässt sich die Bewegung von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern in Echtzeit verfolgen. Quantenmechanische Prozesse werden so direkt beobachtbar.

Um Vorgänge in der Natur beobachten zu können, muss die Zeitauflösung des Beobachtungsinstruments kürzer sein als die Dauer des Vorgangs. Diesen Grundsatz veranschaulicht ein historisches Beispiel aus den 1870er-Jahren: Der Fotograf Eadweard Muybridge sollte mithilfe seiner Kamera beantworten, ob es beim Galopp eines Pferdes einen Zeitpunkt gibt, zu dem sich alle vier Hufe in der Luft befinden. Denn durch bloßes Hinschauen ließ sich diese Frage nicht beantworten – die zeitliche Auflösung des menschlichen Auges reicht für diese Aufgabe schlicht nicht aus.

Muybridge entwickelte ein ausgeklügeltes System aus mehreren Kameras und war so in der Lage, die zeitliche Auflösung ausreichend zu verkürzen. Das Ergebnis: Für einen kurzen Augenblick berührt tatsächlich kein einziger Huf den Boden. Seither haben Hochgeschwindigkeitsaufnahmen viele weitere Einblicke in bisher verborgene Vorgänge ermöglicht. Doch wenn es um die ultraschnellen Prozesse in der mikroskopischen Welt der Atome und Elementarteilchen geht, standen Physikerinnen und Physiker lange vor einem ähnlichen Problem wie Muybridge.

Mehrer Fotos zeigen den Galopp eines Pferdes in hoher zeitlicher Auflösung. Es zeigte sich, dass ein galoppierendes Pferd in der Tat zu einem gewissen Zeitpunkt den Boden nicht berührt.

Galopp eines Pferdes

Um etwa die Bewegung von Elektronen in Atomen zu verfolgen, müssen die einzelnen Schnappschüsse unvorstellbar schnell aufeinanderfolgen – nämlich im Bereich von Attosekunden. Eine Attosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zum Alter des Universums. Und das ist schließlich fast vierzehn Milliarden Jahre alt. Lange Zeit hielt man es für unmöglich, derart kurze Lichtpulse zu erzeugen. Doch Anfang der 2000er-Jahre gelang schließlich der Vorstoß in den Attosekundenbereich.

Mithilfe der ultrakurzen Laserblitze ließ sich beispielsweise sichtbarem Licht beim Schwingen zusehen oder das Verhalten von Elektronen studieren – unter anderem, wie die subatomaren Teilchen „tunneln“. Bei diesem quantenmechanischen Prozess können Elektronen eine Energiebarriere überwinden, die sie nach den Gesetzen der klassischen Physik nicht durchdringen könnten. Die Möglichkeiten, die diese Grundlagenforschung eröffnet, sind vielfältig. Ein Beispiel sind optimierte Solarzellen, aber auch schnellere und effizientere elektronische Komponenten wären denkbar. Attosekundenpulse kommen inzwischen auch in der medizinischen Diagnostik zum Einsatz, etwa um spezifische Moleküle im Blut zu identifizieren.

Das Forschungsgebiet ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen. Heute lassen sich bereits Lichtpulse mit einer Dauer von gerade einmal fünfzig Attosekunden erzeugen. Im Jahr 2023 erhielten Pierre Agostini, Ferenc Krausz and Anne L’Huillier für ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Attosekundenphysik den Nobelpreis.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/ultrakurzzeitphysik/

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