Dynamik eines Quantensprungs verfolgt

David Vogel

Seit mehr als hundert Jahren ist bekannt, dass bestimmte Materialien elektrisch leitend werden, wenn sie Licht absorbieren. In kürzester Zeit lösen die Photonen einzelne Elektronen aus den Atomen, die dann als bewegliche Ladungsträger zur Verfügung stehen. Forscher um Martin Schultze von der LMU München konnten einen solchen lichtinduzierten elektronischen Anregungsprozess in Silizium nun mit ausreichend hoher Zeitauflösung verfolgen: Seine Dauer beträgt einige Hundert Attosekunden. Von ihren Ergebnissen berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“.

Diagramm mit einem farbcodiertem Höhenprofil

Diagramm aus der Attosekundenspektroskopie

Das Forscherteam richtete zunächst einen ultrakurzen Puls von sichtbarem Laserlicht auf eine Siliziumprobe, wodurch die Elektronen in einen angeregten Energiezustand im sogenannten Leitungsband wechselten. Elektronen, die einen Zustand im Leitungsband besetzen, sind beweglich und können so zum Stromfluss beitragen. Ein darauf folgender zweiter ultrakurzer Puls hochenergetischer Ultraviolettstrahlung wurde nun beim Durchgang durch das Silizium mehr oder weniger abgeschwächt – je nach Fortschritt des elektronischen Übergangs. Indem die Forscher in jedem Durchlauf den Abstand des zweiten zum ersten Puls um Sekundenbruchteile variierten und dabei das Absorptionsverhalten maßen, erhielten sie jedes Mal ein Standbild des gleichen Vorgangs, jedoch zu einer unterschiedlichen Zeitmarke. Bei dieser sogenannten Ultrakurzzeitspektroskopie ist die Bildrate somit nicht durch die Verarbeitungszeit des Einzelbildes begrenzt, wie es bei Liveaufnahmen der Fall ist. In richtiger Folge zusammengesetzt, repräsentieren diese Bilder den tatsächlichen Ablauf.

Das Team fand deutliche Hinweise darauf, dass der Anregungsprozess als Folge zweier entkoppelter Vorgänge aufgefasst werden kann. Die Analyse der Daten zeigte, dass zunächst binnen rund 450 Attosekunden nur die Elektronen auf das einfallende Licht reagieren, während das Atomgitter in Ruhe blieb. Eine Attosekunde entspricht einer trillionstel Sekunde und verhält sich zu einer Sekunde wie die Sekunde zum Alter des Universums. Etwa sechzig Femtosekunden später machte sich eine kollektive Schwingung der Atome bemerkbar, die somit rund hundertmal länger dauerte als der Übergang der Elektronen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2014/quantensprung-verfolgt/