Halbwertszeit von Eisen-60 überrascht Forscher

Die Halbwertszeit von Eisen-60 wurde neu bestimmt. Mit 2,6 Millionen Jahren liegt sie deutlich über dem bisher bekannten Wert von 1,5 Millionen Jahren. Zeitliche Abläufe astronomischer Vorgänge müssen neu bewertet werden.

Probenbehälter im Detektor

Probenbehälter im Detektor

München/Villigen (Schweiz) - Der Zerfall radioaktiver Elemente im Universum liefert Astronomen wertvolle Erkenntnisse über den zeitlichen Hergang kosmischer Abläufe. Gelingt es den Wissenschaftlern, die Mengenverhältnisse der beteiligten Ausgangs- und Zerfallsprodukte zu bestimmen, können sie auf den Zeitpunkt schließen, an dem der radioaktive Prozess seinen Anfang nahm - vorausgesetzt, die Halbwertszeit des betreffenden Stoffes ist bekannt.

Einer Gruppe von Wissenschaftlern der TU München und dem Exzellenzcluster Universe gelang es nun zusammen mit Kollegen des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI), die Halbwertszeit von Eisen-60 genauer als je zuvor zu bestimmen. Sie sind dabei auf eine handfeste Überraschung gestoßen: Die Halbwertszeit von Eisen-60 liegt mit 2,6 Millionen Jahren deutlich über dem bisher bekannten Wert von 1,5 Millionen.

Das seltene, radioaktive Eisen-Isotop Eisen-60, dessen Kern vier Neutronen mehr beherbergt als das häufigste Isotop Eisen-56, interessiert die Wissenschaftler aus mehreren Gründen. So liefert die Strahlung seines unmittelbaren Zerfallsproduktes Kobalt-60 Hinweise über die Entstehung schwerer Elemente in massereichen Sternen der Milchstraße.

Die Zerfallsreihe des Eisenisotops führt über Kobalt-60 schließlich zum stabilen Element Nickel-60, dessen Häufigkeit in Meteoritengestein Aufschlüsse über die früheste Geschichte des Sonnensystems vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren zulässt. In jener Phase, so vermuten Astrophysiker, konnte Eisen-60 gemeinsam mit anderen radioaktiven Elementen als Wärmequelle im Inneren der neu entstehenden Planeten und Kleinplaneten agieren und so deren Beschaffenheit entscheidend beeinflussen.

Das Vorhandensein von Eisen-60 im entstehenden Sonnensystem können sich die Astronomen allerdings nur durch ein externes Ereignis erklären, etwa eine nahe Supernova, deren ausgeworfenes Material sich mit dem Gas des entstehenden Sonnensystems vermischte. Eine Supernova vor wenigen Millionen Jahren war vermutlich der Lieferant für die Eisen-60-Spuren.

Für eine zuverlässige Interpretation der Messdaten in all diesen Zusammenhängen ist eine genaue Kenntnis der Halbwertszeit von Eisen-60 von entscheidender Bedeutung. Der bisherige Wert von ca. 1,5 Millionen Jahren litt unter einer Unsicherheit von fast 20 Prozent - zu viel für die Forscher, da die Interpretation und Datierung der Prozesse empfindlich von der Eisen-60-Halbwertszeit abhängt.

Die Forscher untersuchten nun im Rahmen einer neuen Messung einige Gramm Eisen-60-haltigen Materials - zehnmal mehr bei der letzten Messung 1984. Das Eisen extrahierten sie chemisch aus einem Stück Kupfer, das von 1980 bis 1992 als "Strahlstopper" für energiereiche Protonen am PSI diente. Nach dieser speziellen chemischen Aufbereitung beobachteten die Forscher mit einem besonders empfindlichen Gamma-Spektrometer knapp drei Jahre lang die Anreicherung des Materials mit Kobalt-60, dem unmittelbaren Zerfallsprodukt des radioaktiven Eisens. Zudem wurde am PSI die Gesamtzahl an Eisen-60-Atomen genau bestimmt. Aus den Ergebnissen ihres aufwändigen Experimentes konnten die Wissenschaftler die Eisen-60 Halbwertszeit mit einer Unsicherheit von weniger als 2 Prozent berechnen - und darüber hinaus mit einer Überraschung aufwarten: Wie sich herausstellte liegt die Halbwertszeit mit 2,6 Millionen Jahren 75 Prozent über dem bisher angenommenen Wert. Dieses Ergebnis könnte dazu führen, dass bisherige Untersuchungen zu kosmischen Vorgängen neu bewertet werden müssen: zum Beispiel die Entstehung der chemischen Elemente und die Erkenntnisse über Supernovae, die sich in der Vergangenheit in der Nähe des Sonnensystems ereigneten.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2009/halbwertszeit-von-eisen-60-ueberrascht-forscher/