Fusionsenergie

Leuchtende Struktur in einer Maschine

IPP

Im Inneren der Sonne herrschen so extreme Drücke und Temperaturen, dass Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen. Bei diesen Fusionsprozessen wird Energie freigesetzt – und zwar deutlich effektiver als etwa bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Seit Jahrzehnten forschen Physikerinnen und Physiker deshalb daran, die Kernfusion als Energiequelle zu erschließen.

Ein einziges Gramm Wasserstoff könnte prinzipiell genauso viel Energie liefern wie rund zehn Tonnen Kohle. Ein entsprechendes Kraftwerk gibt es bislang aber nur an einem einzigen Ort im Sonnensystem: im Inneren der Sonne. Druck und Temperatur sind dort so hoch, dass Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen können. Die durch diese Fusionsprozesse freigesetzte Energie lässt die Sonne seit Jahrmilliarden erstrahlen und ermöglicht das Leben auf unserer Erde.

Die nötigen Bedingungen für Kernfusionen im Labor zu schaffen, ist nicht einfach – seit mehr als einem halben Jahrhundert arbeiten Forscherinnen und Forscher bereits an diesem ehrgeizigen Ziel. Denn damit die positiv geladenen Atomkerne ihre elektromagnetischen Abstoßungskräfte überwinden und miteinander verschmelzen, müssen Temperaturen von über hundert Millionen Grad herrschen. In diesem Temperaturbereich geht Materie in einen Plasmazustand über: Die negativ geladenen Elektronen lösen sich aus der Atomhülle und bilden mit den nun ungebundenen Atomkernen ein heißes, elektrisch geladenes Teilchengemisch.

Versuchsanlagen in Europa und den USA

Um ein solches Plasma stabil einzusperren, genügt kein gewöhnlicher Behälter. Eine Lösung für dieses Problem bieten sogenannte Magnetfeldkäfige, die sich auf verschiedene Weisen realisieren lassen. Eine Variante – sogenannte Stellaratoren – testen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise in der Versuchsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald, eine andere – Tokamaks – etwa mit den Experimenten ASDEX Upgrade in Garching oder JET in England. In beiden Fällen sollen starke Magnetfelder das heiße Fusionsplasma einschließen.

Ringförmige Maschine mit Hohlraum und farbigem Band darin

Wendelstein 7-X

Ein neuer Rekord für die erzeugte Energiemenge wurde im Februar 2024 vermeldet. Über einen Zeitraum von etwas mehr als fünf Sekunden erzeugte die Testanlage JET, kurz für Joint European Torus, durch Fusionsprozesse eine Energiemenge von 69 Megajoule. Das entspricht einer mittleren Fusionsleistung von rund 13 Megawatt. Um das Plasma auf die nötigen Temperaturen zu bringen, war allerdings eine Heizleistung von rund 30 Megawatt erforderlich. Auf eine positive Energiebilanz hoffen die Forscherinnen und Forscher bei deutlich größeren Anlagen wie dem im Bau befindlichen Fusionsreaktor ITER in Südfrankreich. Dort sollen dann über längere Zeit etwa zehnfach höhere Fusionsleistungen erreicht werden.

Bei der Trägheitsfusion wird der Wasserstoff dagegen in eine nur wenige Millimeter große Kapsel gefüllt und mit intensivem Röntgenlicht bestrahlt. Dadurch dehnt sich die äußere Hülle blitzartig aus, während der entstehende Rückstoß die Wasserstoffkerne im Inneren zusammenpresst. Druck und Temperatur steigen dadurch so weit an, dass Kernfusionen zünden und sich im „Treibstoff“ ausbreiten – und zwar schneller als die Kerne aus dem Zentrum entkommen können. Der Wasserstoff wird also durch seine eigene Massenträgheit an Ort und Stelle gehalten.

Hohlraum mit einem Lichtstrahl

Experiment zur Trägheitsfusion

Seit 2009 laufen Experimente zur Trägheitsfusion an der National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien. Insgesamt 192 Laserstrahlen werden hier auf einen kleinen Hohlraum aus Gold fokussiert, der sich daraufhin aufheizt und Röntgenstrahlen emittiert – die dann wiederum Fusionsreaktionen in einer winzigen mit Wasserstoff gefüllten Kapsel in Gang setzen.

Im Januar 2022 gelang es den Forschenden bereits, ein brennendes Plasma aus Wasserstoffkernen zu erzeugen: Bei der Kernfusion wurde so viel Energie freigesetzt, dass die entstandenen Heliumkerne selbst das Plasma weiter aufheizten. Auf diese Weise lässt sich prinzipiell mehr Energie freisetzen, als für den Betrieb der Laser eingesetzt wird. Doch die Energiebilanz der Laserfusion blieb unterm Strich negativ. Am 5. Dezember 2022 erreichten die Wissenschaftler schließlich einen wichtigen Meilenstein: Mit 2,05 Megajoule vom Pellet aufgenommene Energie ließen sich 3,15 Megajoule an Energie durch die Fusionsreaktionen erzeugen – eine erstmals positive Energiebilanz.

Ein weiter Weg zum Fusionskraftwerk

Trotz dieses Erfolgs ist man von einem Fusionskraftwerk noch weit entfernt. Denn der Aufwand, eine einzelne Kapsel herzustellen und schließlich zu zünden, ist derzeit noch sehr hoch. In einem Kraftwerk müsste sich die gesamte Reaktionskette aber ständig wiederholen. Für eine Leistung von drei Megawatt – das entspricht etwa der Leistung eines Windkraftwerks – wären beispielsweise zehn Kügelchen pro Sekunde nötig. Das ist eine enorme technische Herausforderung.

Ob sich die Kernfusion für eine langfristige Energieversorgung eignet, ist also noch Gegenstand der Forschung. Doch Wissenschaftler kommen dem Traum, die Sonne auf die Erde zu holen, offenbar immer näher.


Anmerkung der Redaktion: Im Februar 2024 haben wir diese Themenseite überarbeitet und aktualisiert. Die ursprüngliche Version erschien im Dezember 2022 auf Welt der Physik.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/fusionsenergie/


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