Kriechende Salzkristalle

Jan Oliver Löfken

Die Abbildung zeigt einen Glasstab, um den sich eine kegelförmige, filigran strukturierte Salzkruste gebildet hat.

M.J. Qazi, H. Salim, C.A.W. Doorman, N. Shahidzadeh

In feuchter Umgebung können wachsende Salzkrusten Batterien oder elektronische Schaltkreise zerstören. Doch sie können vor allem für Wandfresken gefährlich werden, wenn sich die Salzkrusten unterhalb des bemalten Wandputzes ausbreiten. Auf der Suche nach einem Schutz analysierten Forscher, wie und unter welchen Bedingungen die Salze kristallisieren und sogar – entgegen der Schwerkraft – nach oben wandern können. Wie sich die unerwünschten Salzschichten vermeiden lassen, berichten die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Science Advances“.

Die Aufnahme zeigt einen Glasstab, an dessen Ende sich eine filigrane Kruste aus Salzkristallen gebildet hat.

Salzkruste aus Natriumsulfat

Noushine Shahidzadeh von der Universität Amsterdam und ihre Kollegen betrachteten Lösungen verschiedener, weit verbreiteter Salze: Kochsalz, Kaliumchlorid und Natriumsulfat. In diese Salzlaugen stellten sie jeweils einen fünf Millimeter durchmessenden Glasstab, an dem sich dann – abhängig von der Luftfeuchtigkeit – eine körnige Salzkruste bildete. Bei Raumtemperatur und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent bildete sich zunächst aus keiner der untersuchten Salzlaugen eine Kruste. Doch bei deutlich trockener Luft mit nur noch sechs Prozent Feuchtigkeit setzte bei allen Salzen die Kristallbildung ein.

Mit zunehmender Verdunstung kroch die Salzkruste dann am Glasstab empor und breitete sich innerhalb einiger Stunden immer weiter nach oben aus. Wichtig bei diesem Kristallwachstum zeigte sich ein kritischer Kontaktwinkel zwischen dem Glasstab und dem Meniskus der Salzlaugec also der Oberflächenwölbung der Flüssigkeit. Denn erst wenn dieser Winkel kleiner als etwa 23 Grad war, wanderte die Salzlauge durch Kapillarkräfte angetrieben am Glassstab nach oben und kristallisierte zu einer filigran strukturierten Salzkruste. „Je kleiner die Oberflächenspannung der Salzlösung, desto kleiner der kritische Winkel, ab dem das Salzwachstum einsetzt“, so Shahidzadeh.

Mit dieser Erkenntnis fand sie auch einen Weg, um die Kristallisation effektiv zu verhindern. Schon geringe Mengen des Emulgators Polysorbat 80 – in der EU als Lebensmittelzusatz zugelassen – reduzierten die Oberflächenspannung der Laugen. Die Folge: Selbst bei geringer Luftfeuchte bildeten sich keine Salzkristalle mehr. Damit ließe sich selbst bei trockener Luft und hohen Verdunstungsraten das Wachstum von Salzkrusten vermeiden – jahrhundertealte Wandfresken könnten somit womöglich besser geschützt werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2019/kriechende-salzkristalle/