Laborexperimente sollen Erdbebenvorhersagen verbessern

Jan Oliver Löfken

Noch immer scheitern Geophysiker daran, Zeitpunkt, Ort und Stärke von Erdbeben zuverlässig vorherzusagen. Je nach Region lassen sich höchstens Wahrscheinlichkeiten für ein Beben und ein relatives Erdbebenrisiko angeben. Doch nun analysierten Physiker die grundlegenden Prozesse, bei denen zwischen aneinander reibenden Flächen lokal begrenzte Materialbrüche auftraten. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten, könnten ihre Laborexperimente zu einem besseren Verständnis von Erdbeben führen. Sie hoffen, dass dadurch die bei kommenden Erschütterungen wirkenden Kräfte genauer abschätzbar sind.

Orangene Ebene, die im oberen, linken Teil des Bildes von einer blauen Fläche begrenzt wird.

Mini-Erdbeben im Labor

„Ein Erdbeben ist ein lokal begrenzter Bruch an der Grenzfläche zwischen zwei tektonischen Platten“, sagt Jay Fineberg von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Dieses Phänomen zeigt grundlegende Parallelen zum Übergang von der Haft- zur Gleitreibung zwischen zwei Körpern, die mit einem ausreichenden Kraftaufwand zueinander verschoben werden. Vereinfacht kann dieser Übergang ins Gleiten zwar mit dem vom jeweiligen Material abhängigen Haftreibungskoeffizienten beschrieben werden. Doch treten bereits vor dem Gleiten mikroskopisch kleine Brüche an der Grenzfläche zwischen den Körpern auf. Übertragen auf große, geologische Formationen entsprechen diese Brüche den Erdbeben.

Für die Analyse dieser mikroskopisch kleinen Brüche legten Fineberg und Kollegen zwei Plexiglasstücke übereinander und pressten sie mit einer Kraft von bis zu 7000 Newton aneinander. Danach übten sie einen seitlichen Druck auf eins der beiden Stücke aus, um sie zueinander zu verschieben. Mit 15 Sensoren auf den Plexiglasstücken ermittelten die Forscher die im Material wirkenden Scherkräfte vor dem Übergang zum Gleiten. Parallel bestimmten sie über die Reflexion von Lichtwellen die Größe der Fläche, an der sich die makroskopisch glatten, doch auf Mikrometerebene rauen Oberflächen berührten.

Zahlreiche Versuche zeigten, dass schon bei geringen Druckkräften erste lokal begrenzte Bewegungen oder Brüche an der Kontaktfläche auftraten, bevor die beiden Plexiglasstücke zueinander verschoben werden konnten. Erst wenn einer dieser Brüche sich über die gesamte Grenzfläche ausbreiten konnte, setzte eine Gleitbewegung ein. Abhängig vom Material und seiner Rauigkeit konnten die Forscher die für die ersten räumlich begrenzten Brüche nötigen Kräfte genau bestimmen. Diese Brüche entsprechen laut Fineberg den Erdbeben zwischen ineinander verkeilten Erdplatten. So könnte nun auf der Basis dieser Laborexperimente auch die Stärke von Erdbeben und die Größe der Bruchzonen genauer abgeschätzt werden, wenn die Materialeigenschaften der Gesteine in einer Erdbebenregion bekannt sind. Mit weiteren Studien zur Analyse der Bruchdynamik ist es nicht auszuschließen, dass sich in Zukunft auch Ort und Zeitpunkt eines Erdbebens genauer als heute eingrenzen ließen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2015/bruchzonen-bei-erdbeben/