Das European Extremely Large Telescope

Dirk Lorenzen

ELT-Konstruktion

In den 2020er Jahren soll das European Extreme Large Telescope E-ELT mit seinem 39,3-Meter-Spiegel für Europa ins All blicken. Die technische Herausforderung und der Griff nach den Sternen verspricht gestochen scharfe Bilder sogar von Extrasolaren Planeten.

Bild eines Computermodells aus viel Metallverstrebungen und in der Mitte ruhendem runden Spiegel. Der zum Vergleich eingezeichnete Mensch wirkt sehr winzig.

Modell des ELT

„Das neue Teleskop hat 42 Meter Durchmesser – wir machen damit den größten technologischen Sprung in der Astronomiegeschichte, seit Galileo erstmals ein Teleskop an den Himmel gerichtet hat,“ erklärt Jason Spyromilio nicht ohne Stolz. Der Projektleiter bei der Europäischen Südsternwarte ESO plant mit seinem Team ein Teleskop, das mehr als viermal größer als die besten heutigen Teleskope (mittlerweile wurde der geplante Spiegeldurchmesser auf 39,3 Meter reduziert). Die vier Teleskope des Very Large Telescope (VLT) in Chile haben je 8,2 Meter Durchmesser, die beiden Keck-Teleskope in Hawaii je zehn Meter. Mitte Dezember 2006 hat die ESO 57 Millionen Euro für technische Studien bewilligt, um die technische Machbarkeit des neuen Instruments sicherzustellen.

Aufnahme fast gleichmäßig verteilter, zahlreicher Galaxien.

Galaxienhaufen, aufgenommen mit dem Hubble-Teleskop

ESO, ein Verbund von Astronomen aus elf europäischen Staaten, darunter auch Deutschland, will das Teleskop innerhalb von zehn Jahren bauen. Die Kosten für Entwicklung, Bau und Betrieb schätzen Experten auf gut 800 Millionen Euro. Die Konkurrenz in den USA plant derzeit ein Dreißig-Meter-Teleskop. Sollten alle technischen Hürden zu meistern sein, bietet sich den Astronomen ein einmalig scharfer Blick in den Kosmos. „Wir werden Dinge sehen, die bisher im Unscharfen verschwimmen. Etwa junge Sterne und die Planeten, die sie umkreisen,“ erklärt Mark McCaughrean von der Universität Exeter. Die Astronomen hoffen, endlich das Rätsel zu lösen, wie Sterne und Planeten entstehen – und damit unsere eigene kosmische Vergangenheit zu verstehen.

Riesenteleskop und James Webb

Aufnahme einer Spiralgalaxie. Vom hellen Zentrum ausgehend sind deutlich die Spiralarme zu erkennen.

Detailreiche Aufnahme von M83.

Das Teleskop ist besonders im Infrarotbereich empfindlich, es registriert also die Wärmestrahlung der himmlischen Objekte und dringt selbst durch dicke Staubwolken hindurch. Ebenso leuchten die frühesten Galaxien im Kosmos, die nur einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind, im Infrarotbereich. Daher wird auch das James Webb Space Telescope von NASA und ESA, der Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops, in diesem Bereich arbeiten. „Das nur sechs Meter große Webb-Teleskop und unser 42-Meter-Teleskop werden sich ideal ergänzen,“ betont Mark McCaughrean. Da der Hubble-Nachfolger etwa im Jahr 2018 starten soll, stehen Europas Astronomen unter Zeitdruck. Nur wenn das neue Riesenteleskop früh genug ins All blickt, können beide Teleskope einige Jahre gemeinsam das Universum erforschen. Das Teleskop im Weltraum ist empfindlicher, dafür zeigt das viel größere Teleskop am Boden eine immense Fülle an Details. Wie sehr sich beide Teleskope in der Konstruktion unterscheiden, macht ein Vergleich der Spiegelgrößen deutlich: Während der Hauptspiegel des James Webb Space Telescope nur gut sechs Meter Durchmesser hat, entspricht diese Größe dem Sekundärspiegel des 39-Meter-Teleskops. Auch dieser Spiegel wird aus vielen Einzelteilen bestehen.

Zeigt das Teleskop, wie Sterne entstehen?

Vor schwarzem Hintergrund ein großer weißer Kreis mit blauem Rand. Links unten daneben ein kleinerer roter Kreis.

Gasplanet im Umlauf um einen Braunen Zwergstern

Das Webb-Teleskop und Europas neues 39-Meter-Teleskop könnten zum wissenschaftlichen „Traumpaar“ werden – und dabei manch ganz fundamentales Problem der Astronomie angehen, so hofft Mark McCaughrean: „Es gibt Sterne im All, die sind hundertmal schwerer als unsere Sonne, andere haben nur einige Hundertstel Sonnenmasse. Wir verstehen nicht, warum Sterne so unterschiedlich sind.“ Zwar dominieren die wenigen Riesensterne unseren Kosmos: Sie explodieren als Supernova und verteilen schnell schwere Elemente im All, aus denen wir bestehen. Dagegen sind die kleinen, leuchtschwachen Sterne extrem zahlreich. Ihre Population geht nach unten fließend über in den Massenbereich der Planeten. „Mit dem neuen scharfsichtigen Teleskop verstehen wir vielleicht endlich die fundamentalen Prozesse, die die Riesensterne mit den Supernovae ebenso steuern wie die kleinen Sterne und Planeten, auf denen wir leben.“

Europas Himmel in den südamerikanischen Anden

Allerdings dürften vor allem die völlig unerwarteten Entdeckungen für Überraschungen sorgen. Das 39-Meter-Teleskop ist um so viel größer als alle bisherigen Teleskope, dass das Instrument mit Sicherheit ganz neue, bis heute völlig unvorstellbare Objekte und Phänomene im Kosmos zeigt.

So groß die Erwartungen an das neue Teleskop auch sind, die Astronomen müssen ihren Tatendrang noch etwas zügeln, mahnt Projektleiter Jason Spyromilio: „Wir hoffen, dass wir die ersten Beobachtungen etwa im Jahr 2017 machen.“ Diese Erwartungen musste die ESO im Jahr 2011 korrigieren, nun erwartet sie die Fertigstellung des Teleskops für die frühen 2020er Jahre. Das E-ELT wird in Sichtweite des Very Large Telescope (VLT), also auch in den chilenischen Anden, gebaut werden. Dort soll es vom Cerro Armazones aus in den Himmel spähen.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/optische-teleskope/extremely-large-telescope/