Unordnung steigert Kapazität

Jan Oliver Löfken

Ein Bus auf einem Parkplatz, ein Piktogramm mit einer Ladesäule auf dem Boden deutet an, dass es sich um einen Elektrobus handelt

Oleksandr Filon/iStock

Aufgeladen binnen Sekunden und haltbar über hunderttausende Ladezyklen – Superkondensatoren sind herausragende Stromspeicher. Allerdings können sie nur deutlich weniger Strom als Lithium-Ionen-Batterien speichern. Daher werden sie bisher nur selten eingesetzt, in Elektroautos sogar fast nie. Doch Forschende haben nun einen Weg entdeckt, um die Speicherkapazität der schnellen Stromspeicher deutlich zu steigern. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, spielt dabei der ungeordnete Aufbau der Elektroden aus Kohlenstoff eine entscheidende Rolle.

Ähnlich wie Batterien besitzen Superkondensatoren zwei Elektroden, in denen sich beim Aufladen Ionen sammeln – auf einer Seite positive und auf der anderen Seite negative. Beim Entladen wandern diese Ionen wieder in die jeweils entgegengesetzte Richtung und liefern dabei für Sekunden bis wenige Minuten nutzbaren Strom. Im Unterschied zu Batterien laufen in Superkondensatoren aber keine elektrochemischen Reaktionen ab. Deshalb sind sie besonders haltbar und schnell aufladbar, bieten dadurch allerdings auch nur eine deutlich geringere Speicherkapazität als Batterien. „Superkondensatoren können Batterien ergänzen, nicht ersetzen“, sagt Alex Forse von der University of Cambridge. So eignen sie sich beispielsweise dazu, genug Strom für die kurzen Beschleunigungsphasen von Elektroautos zu liefern.

Eine Wissenschaftlerin hält zwei Blätter Papier in der Hand: links ein glattes Blatt mit darauf abgebildeter Atomstruktur, rechts ein leicht zerknüllte Blatt mit darauf abgebildeter Atomstruktur

Ordnung vs Unordnung

Um weitere Anwendungen zu ermöglichen, suchte Forse gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Toulouse nach Wegen, um die Speicherkapazität der Superkondensatoren zu steigern. Für ihre Versuche nutzten die Forschenden Superkondensatoren mit verschiedenen Elektroden auf der Basis von Titan und Kohlenstoff. Für alle diese Elektroden maßen sie die Speicherkapazität des Superkondensators. Bisher gingen viele Entwicklerinnen und Entwickler davon aus, dass besonders ordentlich strukturierte Kohlenstoffmaterialien wie etwa das zweidimensionale Graphen ideal für diese Stromspeicher seien. Doch die Messreihen von Forse und seinem Team zeigten genau das Gegenteil: Je unordentlicher die Kohlenstoffatome in einer Elektrode angeordnet waren, desto höher war die Speicherkapazität der untersuchten Superkondensatoren. Ein Superkondensator mit der ungeordnetsten Elektrode speicherte sogar die doppelte Strommenge wie ein Modul mit einer besonders ordentlichen Kohlenstoffstruktur.

Ionen außerhalb der Poren

Warum das so ist, verriet den Forschenden eine Untersuchung per Kernspinresonanz-Spektroskopie, auch NMR-Spektroskopie für „nuclear magnetic resonance“ genannt. Diese Methode offenbarte, wo im Kohlenstoffmaterial die elektrisch geladenen Ionen andockten: Bei geordneten Strukturen wanderten die Ionen vor allem in die winzigen, etwa ein bis zehn Nanometer kleinen Poren. Bei ungeordneten Strukturen hingegen fanden sich zunehmend auch Ionen außerhalb der Poren. Dies scheint wesentlich für die Speicherkapazität verantwortlich zu sein. Doch die genauen Ursachen kennt das Team noch nicht – diese Wissenslücke wollen sie in weiteren Studien noch stopfen.

Um schon heute bessere Superkondensatoren zu entwickeln, ist eine abschließende Erklärung dieses Phänomens aber auch gar nicht nötig. Wenn sich die Speicherkapazität deutlich steigern lässt, locken weitere Anwendungen dieser Stromspeicher – vielleicht sogar in der Elektromobilität. Beispielsweise könnten Stromschleifen in der Straße E-Linienbusse im Stadtverkehr an jeder Station schnell und kontaktlos aufladen. Der Strom reicht dann für die Fahrt zur nächsten Station, wo sich der Ladevorgang wiederholt. Solche Busse könnten auf schwere und teure Lithium-Ionen-Batterien sogar ganz verzichten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2024/superkondensator-unordnung-steigert-kapazitaet/