Eisschmelze lässt Erde langsamer rotieren

Jan Oliver Löfken

Die Erde im All, von links nach rechts wird es zunehmend dunkel

NASA/Goddard Space Flight Center/Reto Stöckli

Die globale Erwärmung hat diverse Folgen auf unseren Planeten: steigende Meeresspiegel, sich verschiebende Klimazonen oder extreme Wetterphänomene. Doch das sind längst nicht alle – auch die Tageslänge wird vom Klimawandel beeinflusst. Zu diesem Schluss kommt eine in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie. Demnach führe die Eisschmelze an den Polen dazu, dass sich die Erde künftig langsamer drehen wird als bisher angenommen – und das habe auch Folgen für die Zeitmessung.

Innerhalb von 24 Stunden, also 86 400 Sekunden, dreht sich die Erde einmal um sich selbst. Dass ein Tag so lang ist, basiert auf den Anziehungskräften von Sonne und Mond. Dazu kommen sowohl Reibungseffekte zwischen dem flüssigen Erdkern und dem festen Erdmantel als auch der Einfluss der Gezeiten in den Weltmeeren. Duncan Agnew von der University of California San Diego in La Jolla analysierte nun Satellitenmessungen der vergangenen Jahre. Dabei entdeckte er, dass sich die Drehung der Erde seit der Jahrtausendwende etwas stärker verlangsamte als bislang angenommen. Und das sei, so Agnew, auf die schneller abschmelzenden Eiskappen der Antarktis und Grönlands zurückzuführen. Denn durch das zusätzliche Wasser in den Weltmeeren bremsen die Gezeiten die Erddrehung zusätzlich.

Uhrzeit wird durch Schaltsekunden korrigiert

So winzig dieser Effekt ist, wirkt er sich auf die Tageslänge und deren Messung aus. Heute legen exakt tickende Atomuhren die koordinierte Weltzeit UTC mit einer Tageslänge von 86 400 Sekunden fest. Doch die Erde dreht sich tatsächlich minimal langsamer. Deshalb dauert ein mittlerer Tag astronomisch gesehen Bruchteile einer Sekunde länger als die Uhr vorgibt. Seit den 1950er Jahren wurden daher der „Atomzeit“ insgesamt 36 Mal jeweils eine Schaltsekunde zugefügt. Zuletzt war das Ende 2016 der Fall. So blieben Uhrzeit und tatsächlicher Sonnenstand immer synchronisiert.

Seit 2016 verringerte sich allerdings dieser Unterschied zwischen Atomzeit und Sonnenzeit. Ursache dafür war, dass sich die Erde zuletzt etwas schneller dreht – vermutlich, weil sich die Dynamik des Erdkerns verändert hat und die feste Erdhülle bis hin zur äußeren Kruste beschleunigt. Aktuelle Prognosen gehen sogar davon aus, dass im Jahr 2026 keine zusätzliche Schaltsekunde auf die Atomzeit addiert, sondern erstmals eine Sekunde abgezogen werden müsste.

Diesem Trend stehen nun aber die Ergebnisse von Agnew entgegen: Dass die schmelzenden Polkappen die Erddrehung verlangsamen und somit die Tage wieder etwas verlängern, kompensiert ein wenig die zuletzt beschleunigte Erddrehung. Sollten weitere Satellitenmessungen diese Ergebnisse bestätigen, müsste die Schaltsekunde dann erst drei Jahre später, also im Jahr 2029, von der Atomzeit abgezogen werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/klimawandel-eisschmelze-laesst-erde-langsamer-rotieren/