Wie kalt ist das Weltall?

Rainer Kayser

Hintergrundstrahlung

Um die Frage nach der Temperatur des Weltalls zu beantworten, müssen wir zunächst einen Blick darauf werfen, was Temperatur überhaupt ist. In der Physik ist die Temperatur als Maß für die mittlere Energie pro Freiheitsgrad eines Teilchensystems definiert. Für einfache Gase gibt die Temperatur also die Bewegung der Gasmoleküle an: Je schneller sich die Moleküle bewegen, desto höher die Temperatur. Betrachten wir das Weltall nun als absolutes Vakuum, dann hat es gar keine Temperatur. Denn in einem absoluten Vakuum gibt es keine Teilchen, die sich bewegen – folglich ist die Temperatur dort nicht länger definiert.

Aber ganz so einfach wollen wir es uns nicht machen. Denn im Weltall herrscht zwar vom irdischen Standpunkt aus ein perfektes Vakuum. Völlig frei von Materie ist es aber nicht. Im erdnahen Weltraum, dort wo die meisten Satelliten kreisen, beträgt die Restdichte der Atmosphäre sogar noch mehrere hundert Billiarden Atome pro Kubikzentimeter. Auf der Oberfläche des Mondes liegt die Dichte immer noch bei etwa einer Milliarde Atomen pro Kubikzentimeter. Und im interstellaren Raum finden wir im Durchschnitt ein Wasserstoffatom pro Kubikzentimeter.

Dieses dünne Gas besitzt natürlich auch eine Temperatur. Die Temperatur der irdischen Hochatmosphäre steigt oberhalb von 100 Kilometern wieder an und erreicht im erdnahen Weltraum einen Wert von rund 1400 Kelvin. In Galaxienhaufen erreicht das intergalaktische Gas oft Temperaturen von mehreren Million Kelvin. Die niedrigsten Temperaturen finden die Astronomen im Inneren von dunklen Molekülwolken: Dort herrschen häufig nur Temperaturen von wenigen zehn Kelvin.

Aber im Weltall gibt es nicht nur Materie. Der Kosmos wird gleichmäßig von der so genannten Hintergrundstrahlung erfüllt, einem Überbleibsel des Urknalls, der heißen Entstehungsphase des Universums. Die spektrale Energieverteilung der Hintergrundstrahlung entspricht exakt der Strahlung eines Schwarzen Körpers mit der Temperatur von 2,7 Kelvin. Häufig werden diese 2,7 Kelvin als Temperatur des Weltraums fernab von allen Strahlungsquellen bezeichnet.

Farblich „gesprenkeltes“ Abbild des Universums. Die verschiedenen Farben entsprechen jeweils unterschiedlichen Temperaturen der kosmischen Hintergrundstrahlung.

Kosmische Hintergrundstrahlung

Das ist allerdings irreführend. Denn zum einen lässt sich dem Raum selbst – siehe oben – keine Temperatur zuordnen. Und zum anderen ist die Temperatur der Materie im heutigen Kosmos unabhängig von der Temperatur der Strahlung. Selbst wenn sich im Kosmos keine Sterne und keine Galaxien gebildet hätten, das Gas also völlig gleichmäßig im Weltall verteilt wäre, würde die Temperatur des Gases also nicht mit der Temperatur der Hintergrundstrahlung übereinstimmen. Tatsächlich wäre das Gas in diesem Fall mit etwa 0,03 Kelvin sogar erheblich kälter als die Hintergrundstrahlung.

Und schließlich sollten wir nicht vergessen, dass Strahlung und gewöhnliche Materie nur einen kleinen Teil der Gesamtmasse im Universum ausmachen: Rund 80 Prozent der Masse besteht aus der Dunklen Materie, einer geheimnisvollen Substanz aus bislang unbekannten Elementarteilchen. Auch der Dunklen Materie lässt sich eine Temperatur zuordnen, die unabhängig von den Temperaturen der normalen Materie und der Strahlung ist. Die meisten Kosmologen favorisieren heute das Modell der kalten Dunklen Materie. „Kalt“ bedeutet dabei, dass sich die Teilchen der Dunklen Materie nicht-relativistisch bewegen, also mit Geschwindigkeiten, die deutlich geringer sind als die Lichtgeschwindigkeit. Welche Geschwindigkeit die Teilchen aber genau haben ist bislang nicht bekannt – und damit kenn wir auch die genaue Temperatur der Dunklen Materie nicht: Sie kann einige hundert oder tausend Kelvin betragen. Aus der Untersuchung von Zwerggalaxien bestimmte ein britisches Forscherteam 2006 die Temperatur der Dunklen Materie zu 10.000 Kelvin, doch dieser Wert ist noch umstritten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/wie-kalt-ist-das-weltall/