Komet ISON – großer Komet oder Flopp?

Rainer Kayser

Ein heller Punkt mit einem ausgewaschenem Schweif

Hell wie der Vollmond sollte er Anfang Dezember am Abendhimmel leuchten. Solche Vorhersagen waren wohl von Anfang an zu optimistisch – und ließen die ungünstigen Beobachtungsbedingungen außer Acht.

Schwaches leicht verschwommenes Objekt, markiert mit einem Kreis, zwischen Sternen unterschiedlicher Helligkeit

Komet ISON: Das Entdeckungsfoto

Doch von Anfang an: Am 21. September 2012 entdeckten die Amateurastronomen Witali Newski und Artjom Nowitschonok auf CCD-Aufnahmen, die sie mit einem 40-Zentimeter-Teleskop nahe Kislovodsk in Russland aufgenommen hatten, einen neuen Kometen. Das Teleskop gehört zum International Scientific Optical Network (ISON), einer Gruppe von 20 astronomischen Observatorien in zehn Ländern, die nach neuen Objekten im Sonnensystem sucht.

Archivbilder anderer Sternwarten halfen dabei, die Bahn des nach der Entdecker-Organisation ISON getauften Schweifsterns zu bestimmen. So zeigte sich rasch, dass es sich um einen außergewöhnlichen Kometen handelte: Zum einen war er für seine damalige Entfernung von der Sonne – er bewegte sich noch zwischen den Umlaufbahnen von Jupiter und Saturn – bereits ungewöhnlich hell. Zum anderen würde er sich der Sonne extrem nähern, nämlich am 28. November auf etwa ein Hundertstel des Abstands Erde-Sonne.

Erste Vorhersagen lieferten dann eine maximale Helligkeit für den Kometen, die tatsächlich vergleichbar mit der des Vollmonds gewesen wäre. Doch der Komet erreicht seine maximale Helligkeit bei seinem Rendezvous mit der Sonne – und dann steht er auch von der Erde aus gesehen nahe der Sonne und ist damit nicht beobachtbar.

Generell ist bei solchen Prognosen Vorsicht geboten: Kometen sind recht unvorhersagbare Himmelskörper und fordern die Prognosen der Forscher immer wieder heraus. Das liegt in der Natur der Kometen begründet: Sie sind keine festen, felsigen Körper, sondern ein Gemisch aus Gesteinsbrocken und Staub, eingebettet in gefrorene, flüchtige Substanzen wie Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Methan. Der eigentliche Himmelskörper – von den Astronomen als Kern des Kometen bezeichnet – ist nur wenige Kilometer groß.

Bei Annäherung an die Sonne verdampfen Teile der flüchtigen Bestandteile und reißen dabei auch Staubpartikel mit sich. Es bildet sich eine Hülle aus Gas und Staub, die typischerweise hunderttausend Kilometer durchmessende Koma. Durch den Druck der Sonnenstrahlung und des Sonnenwinds bildet sich schließlich der eindrucksvollste Teil des Kometen, der Schweif, der zehn bis hundert Millionen Kilometer lang werden kann. Zum Vergleich: Die Erde zieht 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ihre Bahn.

Sternkarte mit Bahn des Kometen ISON (siehe Bildunterschrift)

ISONs Bahn am Himmel

Wie ein Komet sich genau entwickelt, hängt von der – unbekannten - Oberflächenbeschaffenheit seines Kerns ab. Früher galten Kometen als schmutzige Schneebälle. Dieses Bild eines überwiegend aus gefrorenem Material bestehenden Körpers, in den vergleichsweise wenig feste Bestandteile eingebettet sind, mussten die Astronomen jedoch 2005 korrigieren. Damals feuerte die amerikanische Sonde Deep Impact ein 370 Kilogramm schweres Projektil auf den Kern des Kometen Tempel 1 ab. Die Beobachtung des dabei heraus geschleuderten Material zeigte, dass zumindest der äußere Bereich des Kerns eher ein eisiger Schmutzball ist: Staub und Gesteinsbrocken dominierten deutlich über die flüchtigen, gefrorenen Substanzen.

Wie aktiv ein Komet ist, hängt also von der Dicke und Stabilität seiner Kruste ab – und dies wiederum davon, wie oft der Komet schon an der Sonne vorübergeflogen ist. ISON ist vermutlich ein „frischer“ Komet, der erstmals in das innere Sonnensystem eindringt. Solche frischen Kometen zeigen häufig anfangs eine ungewöhnlich große Helligkeit und bleiben dann später hinter den daraus abgeleiteten Vorhersagen zurück. Das scheint auch bei ISON der Fall zu sein. Aktuelle Beobachtungen zeigen den Kometen fünf- bis zehnmal schwächer als nach den ersten optimistischen Prognosen.

Trotzdem lohnt es sich, in der ersten Hälfte des Monats November mit einem Fernglas in der Morgendämmerung im Südosten – dort, wo später die Sonne aufsteigt - nach Komet ISON Ausschau zu halten. Der Himmelskörper erscheint im Fernrohr als verwaschener Fleck mit einem kleinen Schweif. Zwar wird der Komet im Verlauf des Monats immer heller, aber er nähert sich zugleich der Sonne an und verschwindet deshalb langsam in der hellen Dämmerung.

Nach seinem Vorbeiflug an der Sonne wandert ISON von der Erde aus gesehen am Himmel nach Norden. Dadurch könnte er – ausreichende Helligkeit vorausgesetzt – zunächst sowohl in der Morgen- als auch in der Abenddämmerung sichtbar sein. Der Komet ist dann von Tag zu Tag länger am Abendhimmel zu sehen, seine Helligkeit dürfte aber rasch wieder abnehmen. Hinzu kommt, dass bis Mitte Dezember der zunehmende Mond mit seiner Helligkeit bei der Beobachtung stört. Wenn der Mond endlich spät genug aufgeht, ist ISON wahrscheinlich kaum noch mit bloßen Augen auszumachen.

Aber wie gesagt: Prognosen sind bei Kometen mit Vorsicht zu genießen. Und das gilt in beide Richtungen. Ein neuer Komet kann sich zwar als Flopp erweisen – aber er kann auch nach seinem Vorübergang an der Sonne zu einer unerwartet spektakulären Erscheinung werden. Optimisten rechnen noch immer damit, dass sich der Schweif von ISON über ein Viertel des Himmels erstrecken könnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/ison/