Ist Einsteins berühmte Formel korrekt?

Siegfried Großmann

Albert Einstein im Jahr 1925

Wie kann man einsehen, wie verstehen, dass die Formel \(\boldsymbol{E = mc^2}\) richtig ist? Mit ein bisschen Nachdenken zeigt sich, dass die Äquivalenz von Energie und Masse eine unvermeidliche Konsequenz der relativistischen Physik ist.

Die Äquivalenz von Energie und Masse muss eine Folgerung aus der speziellen Relativitätstheorie sein. Das erkennt man schon daran, dass die Lichtgeschwindigkeit \(c\) als Faktor auftaucht. Denn in der klassischen Mechanik kommt die Lichtgeschwindigkeit gar nicht vor; man trifft sie erst in der Elektrodynamik. Damit die klassische Mechanik überhaupt anwendbar ist, müssen die auftretenden Geschwindigkeiten \(v\) klein gegenüber \(c\) sein oder genauer: Die typischen Bewegungsenergien  

 \(E_\text{kin} = \frac{1}{2}mv^2\) 

müssen sehr klein gegenüber den Massenenergien \(mc^2 \) sein. Für makroskopische Objekte bedeutet das aber keine sonderliche Einschränkung. So beträgt beispielsweise selbst die kinetische Energie einer mit etwa zehn Kilometer pro Sekunde in die Erdatmosphäre eintretenden Weltraumkapsel gerade einmal ein Achtzehnmillionstel Prozent ihrer Massenenergie.

Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten behalten Massen in der klassischen Physik ihre einmal gegebenen Werte: Es gilt der Satz von der Massenerhaltung, denn in der nichtrelativistischen Mechanik wird nichts davon in Energie umgesetzt. Im Rahmen der relativistischen Mechanik allerdings ist das anders. Verfolgen wir in Gedanken einen (als punktförmig gedachten) Körper bei seiner Bewegung: Wir können seinen jeweiligen Ort durch seine Koordinaten \(x, y, z\) in einem beliebigen Koordinatensystem \(K\) beschreiben – zum Beispiel in demjenigen, aus dem wir den Körper beobachten.

Geeignetes Koordinatensystem

Die Relativitätstheorie lehrt uns nun, dass wir stets auch die Zeit \(t\) mitverfolgen und einbeziehen müssen. Deshalb haben wir relativistische Bewegungen durch einen sogenannten Vierervektor (\(x,y,z,t\)) zu beschreiben. In einem mit dem Körper mitbewegten Koordinatensystem \(K_\text{ruhe}\), in dem er ruht – und zwar verabredungsgemäß im Koordinatennullpunkt –, können wir seine Masse \(m\) messen und angeben. Wir nennen \(m\) deshalb die „Ruhemasse“ des Körpers. 

Die räumlichen Koordinaten \(x_\text{ruhe}, y_\text{ruhe}, z_\text{ruhe}\) des Körpers im Ruhesystem sind allesamt Null; die mitgeführte, ruhende Uhr zeigt die sogenannte Eigenzeit \(\tau\) an. Diese hängt nach den Transformationsregeln der speziellen Relativitätstheorie (Lorentz-Transformation) gemäß 

\(\tau = t~\sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}\) 

mit der Zeit \(t\) in einem beliebigen Koordinatensystem \(K\), also etwa auch dem oben genannten System des Beobachters, zusammen. \(v\) ist die Geschwindigkeit des Körpers, gemessen vom Beobachter in seinem Koordinatensystem \(K\). Ruhemasse \(m\) und Eigenzeit \(\tau\) sind „relativistisch invariant“, also unveränderlich, beziehen sie sich doch per Definition auf das Ruhesystem und unterliegen daher keiner Koordinatentransformation. 

Aus diesen Tatsachen ziehen wir jetzt Nutzen. Einerseits findet man die Geschwindigkeit des Körpers durch Ableitung nach der Zeit, also den jeweils zurückgelegten Weg pro dafür benötigter Zeit. Andererseits verwenden wir zur Zeitangabe am besten die Eigenzeit \(\tau\), da diese wegen ihrer Transformationsinvarianz aus dem Vierervektor (\(x,y,z,t\)) durch Ableiten wieder einen Vierervektor macht, nämlich (\(\gamma v_{x},\gamma v_{y},\gamma v_{z},\gamma\)), den Vierervektor der Geschwindigkeit. \(\gamma\) ist die Abkürzung für

\(\gamma = \frac{1}{\sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}}\) 

\(v_{x}, v_{y}, v_{z}\) sind die (räumlichen) Geschwindigkeitskomponenten; ihr Gesamtbetrag ist das schon genannte \(v\). Multipliziert man dieses mit der Ruhemasse, die ja ebenfalls relativistisch invariant ist, ergibt das wieder einen Vierervektor. Er wird als relativistischer Impuls (\(m\gamma v_{x},m\gamma v_{y},m\gamma v_{z},m\gamma\)) gedeutet. Daraus lernen wir zunächst, dass als effektive Masse offenbar die Größe 

\(m_\text{eff} = \frac{m}{\sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}}\)

zu verwenden ist. Mit zunehmender Geschwindigkeit \(v\) wird sie immer größer und wäre bei \(v\) gleich \(c\) unendlich. Das kann sie natürlich nicht werden. Also können Körper sich nie mit Lichtgeschwindigkeit bewegen – sie müssen langsamer sein! Immerhin kommen Elektronen in einem Beschleuniger diesem Ideal oft schon ziemlich nahe – mit gewaltigem Aufwand an Beschleunigerenergie. 

Merkwürdige vierte Komponente

Was aber bedeutet die merkwürdige vierte Komponente \(m\gamma \) des Viererimpulses? Bei den Koordinaten war die vierte Komponente einfach die Zeit \(t\). Um nun \(m\gamma \) zu verstehen und zu interpretieren, untersuchen wir den speziellen Fall sehr kleiner Geschwindigkeiten. Dann müssten wir sehen können, was die altbekannte klassische Mechanik dazu sagt, die ja für kleine Geschwindigkeiten gilt. Wir finden 

\(m\gamma \approx m + \frac{1}{2}m\frac{v^2}{c^2}\). 

Der zweite Summand ist uns – bis auf Faktor \(1/c^2\) – tatsächlich schon bekannt: Es ist nämlich \(E_\text{kin}\) (siehe oben). Deshalb klammern wir ihn aus und erhalten 

\(m\gamma \approx \frac{mc^2+E_\text{kin}}{c^2}\)

Nun ist die Deutung ebenso klar wie unvermeidlich: Wenn der zweite Summand im Zähler eine Energie bedeutet, muss der erste, also \(mc^2\), auch eine Energie sein. Ohne die Beschränkung auf kleine Geschwindigkeiten bedeutet die mysteriöse vierte Komponente \(m\gamma \) also nichts anderes als die durch \(c^2\) geteilte Energie \(E\) des Körpers. Und die Gesamtenergie \(E\) besitzt neben der Bewegungsenergie \(E_\text{kin}\) bereits im Ruhezustand \(v = 0\) einen Energiebeitrag, nämlich gerade \(mc^2 \)! 

So also folgt aus der speziellen Relativitätstheorie unvermeidlich die Einsteinsche Äquivalenz-Beziehung zwischen Masse und Energie, inzwischen wieder und wieder experimentell mit sehr großer Genauigkeit bestätigt. Es ist die relativistische, enge Verknüpfung von Raum und Zeit, die als Konsequenz die relativistische Verknüpfung von Impuls und \(E/c^2\) gebietet – voilà! Die Energie \(E\) eines mit der Geschwindigkeit \(v\) bewegten Körpers ist übrigens \(m(v)c^2 \), mit 

\(m(v) = \frac{m}{\sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}}\), 

also noch größer als die „Ruheenergie“. Der ruhende Körper hat allein seine „Massenenergie“ oder Ruheenergie \(mc^2 \). 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/albert-einstein-und-die-relativitaetstheorie/energie-masse-aequivalenz/stimmt-die-formel/