Flugzeugobservatorium SOFIA

Philipp Hummel

SOFIA fliegt mit offener Teleskoptür hinter der Tragfläche über eine  Wüste.

Die Erdatmosphäre schluckt einen Teil des Lichts, das aus den Weiten des Weltalls zu uns dringt. In unserem Podcast erklärte Helmut Wiesemeyer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, wie sich mit einer umgebauten Boing 747 auch diese Wellenlängen beobachten lassen und so unter anderem neue Einsichten in die Sternentstehung möglich werden.

Helmut Wiesemeyer: „Wenn wir ins Ferninfrarote gehen – also genau den Wellenlängenbereich, der zwischen der optischen Astronomie und der klassischen Radioastronomie liegt – dann hilft alles nichts. Dann muss man sich auf noch größere Höhe begeben, das bedeutet: entweder Satelliten bauen oder von einem Flugzeug aus beobachten.“

Helmut Wiesemeyer ist ein Mann Mitte vierzig mit kurzen dunklen Haaren. Er trägt einen schwarzen Rollkragenpullover und darüber eine braune Lederjacke.

Helmut Wiesemeyer

Zum Glück steht Helmut Wiesemeyer, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn genau so ein Flugzeug zur Verfügung. Es heißt SOFIA – das Kürzel bedeutet „Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie“ – und aus seinem Bauch ragt ein 2,7-Meter-Teleskop, mit dem Messungen vom nahen Infrarot bis in den unteren Millimeterwellenlängenbereich möglich sind. Mithilfe dieses fliegenden Teleskops, das Wolken und den unteren Teil der Atmosphäre hinter sich lassen kann, wollen die beiden Projektpartner NASA und DLR unter anderem die Entstehung von Sternen besser verstehen. Bei der Sternentstehung in weit entfernten Gebieten des Universums, wird Strahlung mit ganz bestimmten Wellenlängen erzeugt.

„Und in unserer Erdatmosphäre – die Luft besteht ja zum größten Teil aus Stickstoff und aus Sauerstoff – haben wir das Problem, dass durch Stöße ein Dipolmoment in diesen Molekülen induziert werden kann. Die Moleküle werden dadurch empfindlich für elektromagnetische Strahlung im Ferninfrarotbereich und absorbieren diese Strahlung. Das heißt, je mehr Sauerstoff und Stickstoff wir unter uns lassen, umso besser wird es.“

Um möglichst wenig störende Atmosphäre zwischen dem Infrarotspektrometer und der beobachteten Strahlungsquelle zu haben, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die Messung von Satelliten aus.

„Das Problem bei Satellitenprojekten ist, dass die Technologie aufgrund der Entwicklungszeiten manchmal schon veraltet ist, wenn der Satellit gestartet wird. Das ist bei uns ein bisschen anders – wir können sehr viel schneller reagieren.“

Da SOFIA zwischen den mehrstündigen Messflügen, genau wie ein normales Flugzeug, immer wieder landet und auch länger am Boden bleibt, ist es möglich die Messapparaturen zu warten oder sogar auszutauschen. Empfängertechnik, Aufnahmeelektronik, Optik und andere Elemente können nachgerüstet werden. Ein weiterer Vorteil gegenüber der satellitenbasierten Durchmusterung des Infrarothimmels besteht darin, dass die Empfänger immer wieder mit flüssigem Helium zur Kühlung versorgt werden können. Wenn in einem Satelliten das für die Messung nötige Kühlmittel ausgeht, ist die Mission beendet. Das war zum Beispiel erst kürzlich beim Weltraumteleskop Herschel der Fall. Das SOFIA-Flugzeug gehörte ursprünglich zu einer Spezialserie der Baureihe Boeing 747. Es war bereits auf Langstreckenflüge ausgelegt, musste aber trotzdem extrem umgebaut werden.

„Dadurch, dass das Teleskop im hinteren Teil des Flugzeugs eingebaut wurde, musste natürlich – um den Schwerpunkt nicht zu weit nach hinten fallen zu lassen – das Flugzeug etwas verkürzt werden. Das ist also regelrecht auseinandergeschnitten worden und dann ist ein Segment eingesetzt worden, mit dem Teleskop.“

Um etwaige Turbulenzen während der Messflüge auszugleichen, musste nicht nur die Lagerung so gestaltet werden, dass das Teleskop ruhig durch unruhige Flugphasen balancieren kann. Es bedurfte eigener Mess- und Regelungskreise, um hochpräzise Messungen zu gewährleisten.

„Es gibt insgesamt drei Laserkreisel, die so zusammenwirken, dass – zum Beispiel durch Änderungen der Beschleunigung, die durch Turbulenzen zustande kommen – das Teleskop so gesteuert werden kann, dass diese Bewegungen ausgeglichen werden. Das Teleskop ist während eines Fluges also sehr viel stabiler gelagert als alles andere.“

Sieben Männer stehen hinter dem GREAT-Empfänger. Dieser ist ein etwa 1,50m hoher metallener Kasten mit einem zylinderförmige Aufbau.

GREAT-Empfänger vor dem Transport ins Flugzeug

Das Messinstrument, das für Helmut Wiesemeyer momentan den Kern seiner Arbeit darstellt, nennt sich GREAT – das steht für German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies. Es arbeitet nach dem sogenannten Heterodynprinzip, bei dem das Messsignal mit einem zweiten Signal überlagert wird.

„Salopp gesagt ist GREAT die Kombination von einem hochempfindlichen Thermometer und einem Radio. Es ist insofern ein Thermometer, als ein einzelnes Photon dafür sorgt, dass sich die Temperatur des Empfangselementes – das ist ein supraleitendes Element – kurzzeitig erhöht. Dadurch erhöht sich der Widerstand und der Spannungsabfall kann gemessen werden. Damit wir allerdings diese Strahlung messen können und dann die so entstehenden Signale auch übermitteln können, müssen wir das Signal heruntermischen auf eine niedrigere Frequenz. Da kommt jetzt das Stichwort Radio ins Spiel: Wir strahlen ein künstliches Signal ein, dessen Frequenz nur leicht unterschiedlich ist. Und was dann passiert, ist genau dasselbe wie bei zwei leicht verstimmten Saiten. Es tritt eine Schwebung auf und die Frequenz dieser Schwebung liegt unter der Frequenz des Hauptsignals. Dieses Signal kann dann leicht transportiert und gemessen werden.“

Nach etwa zehnjähriger Entwicklungszeit stellten die Forscher im Mai 2012 erste wissenschaftliche Ergebnisse der Mission in Fachzeitschriften vor. Besonders spannend war die Entdeckung zweier Radikale.

„Radikale weisen ein freies Elektron auf, das gerne eine Verbindung eingehen würde. Die Dichten im interstellaren Medium sind nun bestenfalls – also in den dichtesten Wolkenkernen, aus denen Sterne entstehen – gerade einmal hundertmal so groß, wie das beste irdische Vakuum, das wir herstellen können. Das heißt, die Radikale reagieren nicht so schnell miteinander. Auf diese Weise können sie beobachtbar bleiben.“

Dunkler Sternenhimmel mit blaugrünen und roten Staubwolken.

Sternentstehungsregion Rho Ophiuchi

Helmut Wiesemeyer war an der Entdeckung beider Radikale beteiligt. Die Untersuchung der relativen Häufigkeit des OD-Radikals im interstellaren Raum stellt für ihn eine äußerst spannende Frage dar. OD ist eine isotopische Variante des Hydroxylmoleküls OH, das aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoffatom besteht. Bei der Isotopenvariante OD ist das Wasserstoffatom durch sein schwereres Isotop Deuterium ersetzt. Aus dem Verhältnis der Häufigkeit von OD und OH lassen sich Rückschlüsse auf die chemischen Prozesse bei der Sternentstehung ziehen.

„Das Deuterium, das wir beobachten, ist im Urknall erzeugt worden. Es ist, wie wir sagen, primordialer Natur und wird nur durch stellare Verbrennungsprozesse zerstört. Die im Urknall erzeugte Deuteriumhäufigkeit kennen wir recht gut. Abweichungen davon lassen sich nur dadurch erklären, dass das Deuterium in jungen Sternen – im sogenannten Deuteriumbrennen – Fusionsreaktionen eingegangen ist. Auf diese Weise können wir nachvollziehen, wie im Lauf der Geschichte des Kosmos die Sternentstehungsaktivität ausgesehen hat.“

Im Jahr 2013 geht das fliegende Teleskop von der Phase der Entwicklung und früher Forschung in den Arbeitsmodus über. Den Anfang machen Flüge mit Start im kalifornischen Palmdale. Mitte des Jahres soll SOFIA ihren Infrarotblick auch von der Südhalbkugel ins Weltall schweifen lassen – mit Starts von Neuseeland aus. Insgesamt sind zweihundert Stunden Messzeit bis Ende des Jahres eingeplant, davon vierzig für den deutschen Teil der Mission. Dazu soll das Flugzeug schließlich viermal pro Woche abheben.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/sofia/