Doppelsterne bringen schiefe Planetenbahnen hervor

Rainer Kayser

Vor einem dunkeln Hintergrund sind zwei leuchtende Objekte zu sehen. Links ist eine leuchtende Kugel von einem dunklen Streifen durchzogen, rechts ist eine gelblich leuchtende Kugel von einem breiten, dunklen Rand umgeben

In unserem Sonnensystem ziehen alle Planeten ihre Bahnen ungefähr in ein und derselben Ebene. Bei Doppelsternen ist die Situation offenbar komplizierter: Beobachtungen des jungen Doppelsterns HK Tauri zeigen nun, dass die protoplanetaren Scheiben der beiden Sterne um über sechzig Grad gegeneinander geneigt sind. Ob die Ebene einer der Scheiben mit der Bahnebene des Doppelsternsystems übereinstimmt, konnten die Forscher nicht ermitteln. Die relative Schrägstellung könne eine Erklärung für die seltsamen Umlaufbahnen vieler Planeten bei anderen Sternen liefern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Möglicherweise sehen wir hier die Geburt eines Planetensystems, das niemals zur Ruhe kommt“, sagt Eric Jensen vom Swarthmore College im US-Bundesstaat Pennsylvania. Der 450 Lichtjahre entfernte Doppelstern HK Tauri ist gerade einmal fünf Millionen Jahre alt. Beide Sterne sind noch von Gas- und Staubscheiben umgeben, in denen möglicherweise Planeten entstehen. Die Scheibe des einen Sterns ist gerade so orientiert, dass man von der Erde aus auf ihre Kante blickt. Die Scheibe dämpft deshalb das Licht des in ihrem Zentrum stehenden Sterns stark ab und ist im optischen und infraroten Strahlungsbereich gut sichtbar.

Vor einem schwarzen Hintergrund links eine gelb leuchtendes ovales Objekt, rechts ein gelb strahlendes rundes Objekt

Gas- und Staubscheiben um HK Tauri

Die Scheibe des zweiten Sterns ist gegen die Sichtlinie gekippt, das Licht des Sterns erreicht uns also ungedämpft und überstrahlt die Scheibe. Jensen und seine Kollegin Rachel Akeson vom Exoplanet Science Institute der NASA im kalifornischen Pasadena haben HK Tauri deshalb mit ALMA untersucht, dem „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“, einer internationalen Teleskopanlage in der chilenischen Atacamawüste. Im zwischen der Infrarot- und der Radiostrahlung liegenden Bereich der Millimeterwellen leuchtet die Scheibe besonders hell und hebt sich so von dem Stern ab. Die Messungen mit ALMA erlaubten es auch, die Rotation der Scheibe und daraus ihren Neigungswinkel zu bestimmen.

Seit Langem rätseln Astronomen, warum die Umlaufbahnen vieler Planeten bei anderen Sternen stark elliptisch oder stark geneigt sind. Eine mögliche Erklärung für die seltsamen Orbits wäre der Einfluss eines zweiten Sterns – aber nur, wenn die Bahnebene des Sterns nicht mit der ursprünglichen Bahnebene der Planeten übereinstimmt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Bedingung in Doppelsternen bereits in ihrer Entstehungsphase erfüllt ist“, sagt Jensen. „Allerdings lassen sich wohl nicht alle seltsamen Planetenbahnen so erklären – dafür gibt es einfach zu wenig Doppelsterne.“

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2014/schiefe-planetenbahnen/