Die kosmische Hintergrundstrahlung

Klaas S. de Boer

Die kosmische Hintergrundstrahlung ist ein Überrest aus der Zeit des Urknalls. Mit dem Satelliten COBE haben Wissenschaftler sie erstmals vermessen und auf Basis der gewonnenen Daten die Modelle zur Struktur des Universums verbessert.

Die Theorien zur elektromagnetischen Strahlung und deren Verbreitung durch den Raum machten um 1900 große Fortschritte. Auch über die Struktur des Universums diskutierten Wissenschaftler zu dieser Zeit. Einsteins Relativitätstheorien hatten in beiden Bereichen einen großen Einfluss. Es war allmählich klar geworden, dass das Universum überaus groß sein muss. Da die Schwerkraft allgegenwärtig und überall wirksam ist, spekulierte man über die Stabilität des Universums. Die Schwerkraft würde alles zusammenziehen, so dass man sich fragte, wie das Universum offenbar so stabil und so groß sein kann.

Die relativ einfachen Grundgleichungen, die eine derart große Struktur beschreiben, erforderten daher einen Faktor, der der Schwerkraft entgegenwirkt. Einstein führte zu diesem Zweck den Faktor \(\Lambda\) ein (sprich Lambda), bereute dies später aber. Heute wissen wir, dass diese sogenannte kosmologische Konstante tatsächlich notwendig ist. Theoretisch zeigten der niederländische Astronom Willem de Sitter und der russische Wissenschaftler Alexander Alexandrowitsch Friedmann 1922, dass das Universum entweder expandieren oder zusammenfallen muss, wenn Druck und Materiedichte darin sehr klein sind. Diese Aussage passte nicht in das damalige Bild vom Universum und fand wenig Beachtung.

Der Ursprung des Urknall-Modells

Mitte der 1920er Jahre deuteten Arbeiten des amerikanischen Astronomen Edwin Hubble darauf hin, dass das Universum expandiert. Er hatte die sogenannte „Fluchtgeschwindigkeit“ von Galaxien vermessen: Je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto schneller scheint sie sich von uns zu fortzubewegen. In den Jahren danach etablierte sich allmählich das „Urknallmodell“ für das Universum – 1947 hatte der britische Astronom und Mathematiker Fred Hoyle den Begriff Urknall definiert. Heute ist das Universum groß und kühl. Da es sich den Beobachtungen zufolge ausdehnt, muss es vor langer Zeit aber einmal sehr kompakt und deswegen sehr heiß gewesen sein.

Beim Urknall – dem Beginn von Raum und Zeit – war die Energiedichte so groß, nehmen Wissenschaftler an, dass es anfänglich nicht einmal Atomkerne gab. Die Bausteine dafür bewegten sich noch frei umher. Nach einer kurzen Zeitspanne (nach unserem heutigen Wissen innerhalb von einigen Minuten) bildeten sich im expandierenden und kühlenden Universum die leichtesten Atomkerne und zwar hauptsächlich Wasserstoff und Helium, aber auch sehr kleine Mengen an Boron, Berillium und Lithium. In einem sehr heißen Gas sind alle Atome ionisiert: die normalerweise an einem Atom gebundenen Elektronen sind losgelöst und schwirren durch den Raum, wie auch die so entstandenen Ionen.

Beim weiteren Abkühlen können die Atomkerne dann allmählich freie Elektronen einfangen. Im zunächst noch dichten und heißen Gas des jungen Universums löst die vorhandene intensive Strahlung die Elektronen allerdings schnell wieder ab. Durch dieses ständige Wechselspiel – Einfang eines Elektrons, Lösen durch ein Photon – ist das Strahlungsfeld sowohl räumlich homogen als auch homogen im Sinne der Wellenlängen. Dieses Strahlungsfeld hat immer die gleiche spektrale Form, aber das Strahlungsmaximum liegt bei einer mit der Temperatur korrelierten Wellenlänge: je kühler das Material, bei desto längeren Wellenlängen liegt das Strahlungsmaximum. Über diese Eigenschaften der Strahlung in Verbindung mit den Eigenschaften des frühen Universums dachten damals nur Theoretiker nach.

Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung

Darstellung des Himmels in einer Ellipse. Entlang des großen Ellipsendurchmessers ist ein heller Streifen zu sehen.

Himmelsansicht im Infraroten

Forscher an den Bell Laboratories in New Jersey (USA) untersuchten Anfang der 1960er Jahre den Himmel im Radiobereich. Dabei stießen sie auf ein störendes Hintergrundrauschen, für das es keine bekannte Ursache zu geben schien. Diese unerklärte, schwache Strahlung kam aus allen Himmelsrichtungen und hatte eine Strahlungstemperatur von rund drei Grad Kelvin, was minus 270 Grad Celcius entspricht. Kosmologen wussten das Phänomen sofort zu deuten: Man hatte das heruntergekühlte Strahlungsfeld des Urknalls entdeckt. Im Jahr 1978 wurde den Forschern Arno Penzias und Robert Wilson von den Bell Laboratories für ihre Entdeckung des Mikrowellen-Strahlungshintergrunds der Nobelpreis für Physik verliehen.

Kurz nachdem der Cosmic Microwave Background (CMB) – wie die kosmische Hintergrundstrahlung im Englischen heißt – 1965 aufgespürt worden war, führten Wissenschaftler bereits verschiedene Messungen daran durch. Die Homogenität über dem Himmel, so stellte sich heraus, ist nicht wirklich homogen. Der kalte Staub, der zwischen den Sternen der Milchstraße existiert und der vorwiegend bei fern-infraroten Wellenlängen strahlt, trägt zum Beispiel auch ein wenig zum Wellenlängenbereich des CMB-Signals bei. Dieser Effekt lässt sich allerdings nur in Himmelsbereichen beobachten, in denen viel Staub vorhanden ist, etwa in Richtung der galaktischen Scheibe. Auch im interplanetaren Raum gibt es strahlenden Staub. Beide Beiträge zum Fern-Infraroten-Hintergrund lassen sich gut in der im DIRBE-Experiment durchgeführten Himmelsdurchmusterung erkennen.

Auf der Erde würden Rauscheffekte die Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung stark beeinflussen, zudem schwankt die Transmissionsfähigkeit der Erdatmosphäre im Mikrowellenbereich. Infolgedessen lässt sich die Strahlung am besten vom Weltraum aus vermessen. Mitte der 80er Jahre entstand bei der NASA der erste speziell dafür ausgelegte Satellit: der Cosmic Background Explorer, kurz COBE. Der Start erfolgte 1989. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts lag in den Händen von John Mather, George Smoot und David Wilkinson. Die drei Wissenschaftler haben das Projekt betreut und das Zustandekommen der Resultate (die erste Fassung wurde schon 1991 publiziert) gemanaged. Wilkinson verstarb 2002, John Mather und George Smoot erhielten für deren Arbeiten an und mit dem COBE-Satelliten 2006 den Physiknobelpreis.

Drei Ellipsen übereinander. Die Obere ist einfarbig, die Mittlere hat grobe, die untere feinere verschiedenfarbige Bereiche.

COBE 1–3

Das Resultat der COBE-Mission ist eine Karte des Himmels, in der winzig kleine Inhomogenitäten in der CMB zu sehen sind. Dieses Resultat wurde nach mühseliger Datenverarbeitung erreicht. Weshalb war dies so schwierig?

  • Die Messungen, die den Himmel streifenartig erfassten, mussten absolut geeicht und die Intensitäten an jedem Punkt am Himmel aus den mehrfachen Messungen ermittelt werden. Im ersten Ansatz ergab das einen homogen leuchtenden Himmel.
  • Aus anderen Messungen war bekannt, dass es einen sogenannten „Dipoleffekt“ in der CMB gibt. Die Milchstraße bewegt sich auf die benachbarte Andromedagalaxie zu, während sich die Sonne auf ihrer Bahn um das galaktische Zentrum in fast die gleiche Richtung bewegt. Blicken wir nun in die Himmelsrichtung, in die wir uns bewegen, messen wir eine etwas hellere und heißere Hintergrundstrahlung als aus der Richtung, von der wir uns wegbewegen. Dieser Dipoleffekt in der CMB wird durch den Dopplereffekt verursacht und muss vom Gesamtbild abgezogen werden.
  • Der Beitrag der Staubsstrahlung (siehe Aufnahme des DIRBE-Experiments oben) muss aus den Messdaten entfernt werden. Auch die sogenannte Synchrotronstrahlung sowie thermische Radiostrahlung liefern kleinere Beiträge zur gemessenen Hintergrundstrahlung, die korrigiert werden müssen. Da alle diese Strahlungsbeiträge räumlich nicht gleichmäßig verteilt sind, erzeugen sie eine gewisse Unsicherheit im Endergebnis.
  • Entfernt man alle Störungen aus den Messdaten, ergibt sich eine Himmelskarte, in der winzig kleine Intensitätsfluktuationen zu sehen sind. Mithilfe dieser Fluktuationen können Wissenschaftler den Urzustand des Universums untersuchen.

Was verrät die CMB?

Eine Ellipse mit sehr feiner verschiedenfarbiger Struktur.

COBE 4

Als das Universum rund 380.000 Jahre nach dem Urknall zu ausreichender Größe angewachsen und das Urgas schon weit heruntergekühlt war, konnten die freien Elektronen von den Ionen eingefangen werden und neutrale Atome bilden. Unmittelbar danach wechselwirkte die Strahlung kaum noch mit der Materie und konnte sich frei im Universum ausbreiten – Physiker sagen, dass sich Strahlung und Materie voneinander „entkoppelten“. Dazu kommt es nur, wenn das Gas eine gewisse Temperatur- und Dichtegrenze unterschritten hat. Man schätzt das die Übergangstemperatur damals etwa 3000 Kelvin (2730 Grad Celsius) betrug.

Das Intensitätsspektrum der Hintergrundstrahlung stimmte zu jenem Zeitpunkt nahezu mit dem eines sogenannten schwarzen Strahlers mit einer Temperatur von 3000 Kelvin überein. Damit ist ein idealisierter Körper gemeint, der alle auf ihn treffende Strahlung absorbiert und selbst ein charakteristisches Spektrum aufweist, das nur von seiner Temperatur abhängt. Wegen der Expansion des Universums ist die Wellenlänge der Hintergrundstrahlung im Lauf der Zeit größer geworden, sodass wir sie heute im Mikrowellenbereich beobachten. Ihr Spektrum entspricht inzwischen einem schwarzen Strahler mit einer Temperatur von 2,728 Kelvin, oder –270,42 Grad Celsius.

Das Strahlungsfeld war zur Zeit der Entkopplung aber nicht vollkommen homogen. Man nimmt an, dass sich während der Expansion des Universums kleine Fluktuationen in der Materiedichte (und so auch in der lokalen Temperatur) bildeten. In den etwas kühleren Gebieten wurden die freien Elektronen eher eingefangen und die Strahlung entkoppelte sich etwas früher von der Materie als in den noch etwas heißeren Gebieten. Infolgedessen entstanden kleine räumliche Inhomogenitäten im Strahlungsfeld – Inhomogenitäten, die heute als Fluktuationen in der CMB sichtbar sind. Somit verrät das von COBE detektierte Muster dieser Fluktuationen den Forschern etwas über die Bedingungen im frühen Universum.

Allerdings darf man die Strukturen in der Hintergrundstrahlung, wie sie auf den von COBE aufgenommenen Himmelskarten zu erkennen sind, nicht mit reellen Dichtestrukturen gleichsetzen. Da es überall im Raum solche strukturellen Fluktuationen gegeben hat und wir in allen Richtungen über große Strecken die Strahlung sehen können, werden diese Fluktuationen gewissermaßen über die gesamte Sichtlinie aufaddiert. Man sieht also den Effekt einer Summe von Fluktuationen.

Was die Fluktuationen uns zeigen, kann nur mit Hilfe von Modellrechnungen ermittelt werden. So ergeben solche Modelle zum Beispiel, dass die Fluktuationen nur entstehen können, wenn es eine ausreichend große Dichte im Universum gibt. Darin sehen Wissenschaftler ein weiteres Argument für die Existenz der sogenannten Dunklen Materie. Die Analyse der Eigenschaften der kosmischen Hintergrundstrahlung hat somit wesentlich dazu beigetragen, Modelle zur Struktur des Universums zu entwickeln.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/kosmologie/die-kosmische-hintergrundstrahlung/