Magnetische Version des Tscherenkow-Effekts entdeckt

Forschungszentrum Jülich/Claudia Schneider

Die Computer der Zukunft sollen schneller rechnen und weniger Energie verbrauchen. Möglich wird dies, wenn anstelle der Ladung von Elektronen ihr magnetisches Moment – der Spin – zur Datenverarbeitung genutzt wird. Elektronen müssen dann nicht mehr fließen, sondern lediglich die Spininformation weitergeben. Theoretische Physiker in Jülich, Straßburg und Shanghai haben nun einen für die Umsetzung dieses Konzepts vielversprechenden, neuen physikalischen Effekt simuliert. Dabei handelt es sich um eine magnetische Version des Tscherenkow-Effekts. Mit seiner Hilfe könnten sich Spinwellen mit definierten Frequenzen einfacher als bisher gedacht erzeugen lassen. Von ihren Ergebnissen berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Physical Review B“.

Das Team zeigte mithilfe von Computersimulationen, dass Spinwellen entstehen, wenn ein magnetischer Feldpuls schnell genug an einem ferromagnetischen Material wie Permalloy entlang läuft. „Schnell genug bedeutet, der Puls muss sich schneller bewegen, als sich die Spinwellen im Material ausbreiten können“, erläutert Attila Kákay vom Peter-Grünberg-Institut am Forschungszentrum Jülich. „Zur Erzeugung des Pulses stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung“, berichtet der Physiker, „unter anderem elektrischer Strom oder Laserpulse.“

Die Forscher tauften das neue Phänomen „Spin-Tscherenkow-Effekt“, in Anlehnung an den bekannten Tscherenkow-Effekt, der auftritt, wenn sich geladene Teilchen mit einer Geschwindigkeit durch ein Medium bewegen, die größer als die Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium ist: Gleiten etwa schnelle Elektronen durch Wasser, so zeigt sich ein bläuliches Leuchten, das zum Beispiel in Abklingbecken von Kernkraftwerken beobachtet wird. Das Leuchten – die sogenannte Tscherenkow-Strahlung – entsteht, weil die geladenen Teilchen die Atome des Wassers längs ihrer Flugbahn zu elektrischen Schwingungen anregen und dadurch elektromagnetische Wellen erzeugen, sodass ein Überlichtkegel entsteht – ähnlich wie bei einem Überschallflugzeug, das sich schneller als der Schall bewegt.

Wellenberge und -täler auf einem Untergrund, die sich nach rechts von einem Kegel abgehend ausbreiten. Der Magnetfeldpuls und seine Bewegungsrichtung sind durch einen Würfel mit Pfeil nach rechts markiert. Eine farbige Linie markiert die hintere, dreieckige Wellenfront, eine weitere farbige Linie die vordere Wellenfront, die einem Bumerang ähnelt.

Spinwellen in einer Permalloy-Schicht

Beim Spin-Tscherenkow-Effekt entstehen ebenfalls kegelförmige Wellenfronten – allerdings sind sie magnetisch und besitzen eine andere Geometrie: eine Wellenfront läuft dem magnetischen Feldpuls voraus, eine weitere folgt ihm nach. Entlang seiner Bahn richtet der magnetische Feldpuls die Spins im Material aus, sodass Spinwellen entstehen. Wie die Forscher herausfanden, lässt sich die Frequenz dieser Spinwellen durch die Geschwindigkeit einstellen, mit der sich der magnetische Feldpuls bewegt. Dies ist essentiell für eine technische Nutzung.

Die Forscher glauben, dass es sich beim Spin-Tscherenkow-Effekt um ein universelles Phänomen handelt. Nach ihren Berechnungen lässt es sich in ganz unterschiedlich geformten Magneten erzeugen, sowohl in dünnen Streifen und in Dünnschichtsystemen als auch in Verbundmaterialien. Deshalb erwarten sie, dass experimentelle Belege für den von ihnen simulierten Effekt bald folgen werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2014/magnetische-version-des-tscherenkow-effekts-entdeckt/