Ein Loch in der Zeit

Jan Oliver Löfken

Prinzip der Tarnkappe mit Lichtwellen

Ithaca (USA) – Ein Ereignis lässt sich perfekt verheimlichen, wenn es für einen Beobachter überhaupt nicht geschehen ist. Diese beste aller denkbaren Tarnungen ist keine Science-Fiction, sondern konnte von Physikern in einem Laserexperiment realisiert werden. Sie öffneten für die extrem kurze Dauer von etwa 40 billionstel Sekunden ein Zeitloch. Wie sie dabei ähnliche Methoden wie bei schon funktionierenden Tarnkappen für Lichtwellen nutzten, berichten sie nun in der Zeitschrift „Nature“.

Die Grundlage für das Zeitloch liegt in der physikalischen Verwandtschaft von Raum und Zeit. Breitet sich Licht im Raum mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus, kann eine kurze Lücke in der Zeit entstehen. Moti Fridman und seine Kollegen von der Cornell University in Ithaka verwirklichten diese Idee mit einem komplexen Laserexperiment, eigens entwickelten Zeitlinsen und einer Glasfaser, in der sich die verschiedenen Wellenlängen eines Lichtpulses mal schneller und mal langsamer bewegen können.

Passiert nun ein Lichtstrahl die erste Zeitlinse, konnte die Wellenfront beschleunigt und das Ende des Lichtpulses verlangsamt werden. Aufgespalten in verschiedene Wellenlängen leiteten die Physiker diesen Lichtpuls durch eine kurze Glasfaser. Der langwellige Anteil bewegte sich in dieser langsamer, der kurzwellige Anteil dagegen schneller. So entstand eine Zeitlücke von rund 40 Picosekunden. Hinter die Glasfaser setzten die Forscher eine zweite Zeitlinse, die alle Teile des Lichtpulses wieder zusammenführte. Für einen Beobachter hinter der zweiten Zeitlinse sah der Lichtpuls genauso aus wie ganz zu Beginn.

Um zu überprüfen, ob mit diesem Aufbau tatsächlich ein Ereignis quasi aus der Zeit fallen kann, schickten die Forscher ein unabhängiges Lasersignal durch die Glasfaser. Da dieses „Ereignis“ genau in das kurzfristig geöffnete Zeitloch fiel, wurde es von dem nach Wellenlängen aufgespalteten Lichtstrahl nicht beeinflusst. Physikalisch belegen ließ sich dieser Effekt durch die Verringerung der Amplitude des „Ereignis-Laserpulses“ um eine ganze Größenordnung. Für den Detektor, der als Beobachter in diesem Experiment diente, gab es dieses Ereignis schlichtweg nicht.

In weiteren Experimenten hoffen Fridman und seine Kollegen, ihr Zeitloch auf einige Mikrosekunden verlängern zu können. Damit eröffnen sich auch konkrete Anwendungen dieser Zeit-Tarnkappe. So könnten geheime Daten, getragen von einem Laserpuls, exakt während der Zeitlücke gesendet werden. Für unberechtigte Beobachter außerhalb des Systems wäre diese Informationsübermittlung niemals passiert.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2012/ein-loch-in-der-zeit/