Deutsche Forscher erhalten Zugang zur stärksten Neutronenquelle der Welt

An der stärksten Neutronenquelle der Welt in Oak Ridge, Tennessee (USA) wurde von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich ein neues Neutronen-Spektrometer eingeweiht. Damit sollen die Dynamik von Proteinen und Polymeren aufgeklärt und so bessere Medikamente und Kunststoffe verfügbar gemacht werden.

Mit dem Jülicher Neutronen-Spin-Echo-Spektrometer lassen sich minimale Geschwindigkeitsänderungen von Neutronen messen, die auf die Probe treffen.

Mit dem Jülicher Neutronen-Spin-Echo-Spektrometer lassen sich minimale Geschwindigkeitsänderungen von Neutronen messen, die auf die Probe treffen.

Jülich/Oak Ridge (USA) - "Neutronenstreuung ermöglicht einzigartige Einblicke in die Materie und ist als wissenschaftliche Methode unverzichtbar, sowohl in der Grundlagen- als auch in der anwendungsnahen Forschung der Materialwissenschaften, der Medizin oder der Biologie", so Sebastian Schmidt, Mitglied des Vorstands im Forschungszentrum Jülich. Mit der neuen Messanlage an der stärksten gepulsten Neutronenquelle der Welt, der Spallationsquelle SNS (Spallation Neutron Source) in Oak Ridge, Tennessee (USA), wird damit das Tor zu außerordentlicher Neutronenforschung für deutsche und europäische Forscher weit aufgestoßen, so Schmidt weiter.

Mit dem neuen Neutronen-Spin-Echo(NSE)-Spektrometer ist das FZ Jülich die einzige nicht aus Nordamerika stammende Forschungseinrichtung, die am SNS eine eigenes Messinstrument aufgebaut hat und eigenständig betreut. Das zeigt die große weltweite Anerkennung für die fachliche Expertise, die in Jülich für Neutronenstreuung vorhanden ist. Diese Expertise und die Erfahrungen die man bei Aufbau, Betrieb und Wartung des NSE-Spektrometers macht und gemacht hat werden auch dem Aufbau der Europäischen Spallationsquelle ESS in Lund (Schweden) zugutekommen. Die Planung für dieses Projekt wird im Januar nächsten Jahres beginnen.

Neutronen sind, neben Protonen, die Bestandteile der Atomkerne, allerdings sind sie, im Gegensatz zu letzteren elektrisch neutral. Sie können durch Kernspaltung schwerer Elemente oder durch die sogenannte Spallation erzeugt werden. Dabei wird Kernmaterie mit hochenergetischen Protonen beschossen. Die Materie wird so in einen angeregten Zustand versetzt und gibt 20 bis 30 Neutronen pro Kern ab. Bei der Kernspaltung wird hingegen nur ein Neutron pro Kern frei. Freie Neutronen haben eine, für ein Kernteilchen sehr lange Lebensdauer von etwa 15 Minuten. Das ermöglicht ihre Verwendung für Streuexperimente. Dazu wird eine Probe mit Neutronen "beschossen". Neutronen eignen sich aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften sehr gut zur Untersuchung verschiedener Materialien: sie können zerstörungsfrei tief in Materie eindringen und eine Auflösung in den interessanten räumlichen und zeitlichen Bereichen liefern. Die Neutronen prallen an der Probe ab und ändern dabei ihre Richtung und Geschwindigkeit. Diese Größen lassen sich mit einem Neutronen-Spektrometer messen und daraus lässt sich die Struktur der Probe und dessen innere Bewegungen bestimmen. So untersuchen die Jülicher beispielsweise magnetische Materialen für die Informationstechnologie oder die so genannte "Weiche Materie", zu der industriell wichtige Kunststoffe oder medizinisch interessante Eiweißstoffe zählen.

"Es ist das erste Mal, dass ein solcher Instrumententyp an einer Neutronenquelle wie der SNS gebaut wurde. Das Jülicher Neutronen-Spin-Echo-Spektrometer besitzt die weltweit höchste Auflösung. Eigens dafür haben wir innovative Technologien entwickelt, wie supraleitende Spulen mit extrem homogenen Magnetfeldern", berichtet Prof. Dieter Richter vom Forschungszentrum Jülich. Richter weiter: "Mit dem NSE-Spektrometer am SNS können wir die langsamen Bewegungen im Inneren von Proteinen beobachten, die ihre Funktion ausmachen. Außerdem können wir die molekularen Umlagerungen in Polymeren erforschen, die ihre mechanischen Eigenschaften und ihre Verarbeitungsfähigkeit bestimmen."

Das Forschungszentrum bündelt seine Kompetenzen in der Neutronenforschung im Jülich Centre for Neutron Science JCNS und unterhält Außenstellen an Deutschlands stärkster Neutronenquelle FRM II in Garching bei München, am Höchstflussreaktor im französischen Grenoble und seit neustem eben auch an der stärksten Neutronenquelle der Welt SNS im amerikanischen Oak Ridge.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2009/deutsche-forscher-erhalten-zugang-zur-staerksten-neutronenquelle-der-welt/