Radioaktiver Zerfall wird durch Kühlung nicht beeinflusst

Vor zwei Jahren sorgte die Meldung für Aufsehen, dass die Halbwertszeit von Atommüll drastisch reduziert werden könnte, wenn man ihn kühlt. Neue experimentelle Ergebnisse von Forschern aus Dresden und Vancouver zeigen jedoch, dass sich der radioaktive Zerfall nicht durch Kühlung beeinflussen lässt.

Beschleunigermodul am Elektronenbeschleuniger ELBE im FZD.

Beschleunigermodul am Elektronenbeschleuniger ELBE im FZD.

Dresden-Rossendorf - Radioaktive Atomkerne sind instabil, sie zerfallen mit einer für den jeweiligen Kern bestimmten Rate. Der Gold-Atomkern mit der Massenzahl 196 beispielsweise hat eine Halbwertszeit von drei Tagen, Gold-198 eine von sechs Tagen. In dieser Zeit zerfällt jeweils die Hälfte der Atomkerne in andere, stabile Kerne, nach etwa zehn Halbwertszeiten ist die Radioaktivität auf ein Tausendstel des ursprünglichen Werts abgeklungen. Kernphysiker des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) und aus dem kanadischen Vancouver untersuchten diesen Zerfallsprozess bei Raumtemperatur und bei tiefen Temperaturen an den radioaktiven Metallen Gold-196, Gold-198 und Natrium-22, lautete doch die vor zwei Jahren aufgestellte These, dass in Metall eingebettete radioaktive Kerne schneller zerfallen sollten, wenn man sie stark genug kühlt.

Für die Veränderung des radioaktiven Zerfalls bei tiefen Temperaturen sollten diesen Arbeiten zufolge die Leitungselektronen des Metalls verantwortlich sein. Jeder Atomkern hat wegen seiner positiven Ladung eine Barriere um sich herum, die positiv geladene Teilchen überwinden müssen, um in den Kern einzudringen. In der Physikerzunft anerkannt ist, dass die Elektronenwolke, die den Kern umgibt, diese Barriere leicht herabsetzt. Andere Teilchen können dann einfacher in den Atomkern gelangen. Dieser Effekt heißt Elektronen-Screening-Effekt. Er scheint zuzunehmen, wenn die Atomkerne abgekühlt werden.

Weil dichte Elektronenwolken die Reaktionsfreudigkeit von Atomkernen erhöhen, zogen Physiker vor zwei Jahren den Schluss, dass der Effekt auch auf radioaktiven Zerfall übertragen werden könne. Erste Experimente schienen eine Veränderung der Halbwertszeit durch Kühlung zu belegen. Die umstrittene Schlussfolgerung wurde allerdings durch zwei Arbeiten, die 2007 und 2008 in Texas (USA) und Israel durchgeführt wurden, für zunächst einen Atomkern (Gold-198) widerlegt. Die neuen Experimente in Dresden und Vancouver zeigen, dass die Zerfallsrate der drei untersuchten radioaktiven Metalle bei tiefen Termperaturen ganz genau der Zerfallsrate bei Raumtemperaturen entspricht. Somit ist die vor zwei Jahren aufgestellte These haltlos.

Die umstrittene These sagte vorher, dass in Metall eingebettete radioaktive Alpha- und Beta-plus-Strahler, wenn sie stark genug gekühlt werden, schneller zerfallen sollten, wohingegen für Beta-minus-Strahler und Kerne, die durch Elektroneneinfang zerfallen, eine Verlängerung der Halbwertszeit vorhergesagt wurde. Bei den gerade veröffentlichten Experimenten wurden nun erstmals in Metall eingebettetes Natrium-22 (Beta-plus-Zerfall) und Gold-196 (Zerfall durch Elektroneneinfang) untersucht. Für das dritte untersuchte Metall, Gold-198 (Beta-minus-Zerfall), konnten die Forscher aus Dresden und Vancouver die Halbwertszeit präziser als je zuvor bestimmen, so dass der Wert in der "Table of Isotopes", quasi der Bibel der Kernphysiker, von 2,6952 auf den Wert 2,6937 Tage korrigiert werden muss.

Die Gold-Proben wurden im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf präpariert und bei Raumtemperatur untersucht. Die Natrium-Messungen und die Experimente bei -263 °C fanden in Vancouver statt. Alle Messungen widerlegten die umstrittene These. Radioaktives Metall zerfällt bei tiefen Temperaturen genauso schnell wie bei Raumtemperatur.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2008/radioaktiver-zerfall-wird-durch-kuehlung-nicht-beeinflusst/