Infrarot aus ELBE

Peter Michel

Grafik Mikrobunching

Um die Welt zwischen dem Allerkleinsten und dem mit dem Auge noch Sichtbaren zu untersuchen, sind Forscher auf immer bessere Lichtquellen angewiesen. Am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf werden zwei Freie-Elektronen-Laser für den nahen und fernen Infrarotbereich betrieben. Sie erlauben einzigartige Einblicke in die Materie.

Komplizierte Gerätschaften, die in Reihe angeordnet sind. Abmessungen rund zehn Meter mal zwei Meter mal zwei Meter.

Freie-Elektronen-Laser am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf

Elektromagnetische Strahlung leistet in nahezu allen Wellenlängenbereichen unersetzbare Dienste bei der Untersuchung von Materialien, künstlichen mikroskopischen Strukturen sowie Atomen und Molekülen. Der Wellenlängenbereich oberhalb des sichtbaren Lichts – das Infrarot und die so genannte Terahertz-Strahlung – ist dabei für Untersuchungen von Halbleitern, künstlich erzeugten Quantenstrukturen und Molekülen besonders interessant.

Zudem werden die Anforderungen an moderne Lichtquellen immer größer: Für viele Untersuchungen benötigen Forscher Strahlung mit einer in einem bestimmten Bereich frei einstellbaren Wellenlänge. Ferner sind hohe Strahlungsleistungen – sowohl in der Spitze als auch im Mittel – gewünscht sowie kurze Pulslängen und eine vollständige Polarisierung, also die Ausrichtung der Strahlung in einer Ebene.

Genau diese Eigenschaften erfüllt die Strahlung der beiden Freie-Elektronen-Laser für das Infrarot, die am Forschungszentrum Dresden-Rossendorf betrieben werden.

Strahlung – gefangen im Spiegelkäfig

In herkömmlichen Lasern wird Energie in ein Medium gepumpt, dessen Atome oder Moleküle auf diese Weise in einen angeregten Zustand versetzt werden. Das heißt: Die Elektronen im Medium werden auf höhere Energieniveaus gebracht. Die Aussendung der Laserstrahlung erfolgt dann durch koordiniertes „Abreagieren“ der angeregten Atome. (Siehe Artikel: Wie funktioniert ein Laser?)

Eine Elektronenbahn gerät in einer Anordnung von sich abwechselnden Magneten auf eine Slalombahn (senkrecht zur Verbindungslinie zwischen denen sich gegenüber stehenden Magnetpolen). An den Umkehrpunkten der Slalombahn verdeutlichen gelbe Keulen die Strahlungsaussendung.

Elektronen im Undulator

In einem Freie-Elektronen-Laser hingegen sind Elektronen nicht an Atomen gebunden, sondern durchwandern frei einen so genannten Undulator, nachdem sie zuvor auf hohe Energien beschleunigt wurden. Der Undulator sorgt für ein sich abwechselndes Magnetfeld, das die Elektronen auf eine Slalombahn zwingt. Bei der permanenten Richtungsänderung senden die Elektronen zunächst Strahlung in einem breiten Wellenlängenbereich aus, welche sich im weiteren Verlauf zur so genannten Undulatorstrahlung mit einem engeren Wellenlängenbereich überlagert. Die dabei entstehende dominierende Wellenlänge ergibt sich aus der Größe der Auslenkung der Elektronen und ist damit sowohl von der Elektronenenergie als auch von der Magnetfeldstärke des Undulators abhängig.

Der so entstehende Strahlungspuls hat annähernd die gleiche Länge wie der Elektronenpuls. Da sich der Strahlungspuls jedoch mit Lichtgeschwindigkeit bewegt und die Elektronen mit einer geringfügig kleineren Geschwindigkeit unterwegs sind, gewinnt der Strahlungspuls einen Vorsprung gegenüber den Elektronen. Dieser Effekt führt letztlich zu einer Trennung der beiden Pulse und begrenzt gewissermaßen die nutzbare Länge eines Undulators: Wenn Elektronen und Strahlungspuls nicht mehr gemeinsam fliegen, können die Elektronen nicht mehr zum Strahlungspuls beisteuern.

Mit Hilfe von zwei genau ausgerichteten Spiegeln lässt sich nun erreichen, dass der Strahlungspuls erneut mit Elektronen in Wechselwirkung treten kann. Der Abstand der Spiegel wird dabei exakt so gewählt, dass die Umlaufzeit des Strahlungspulses dem Abstand zweier Elektronenpulse entspricht. Ein erneut am Undulatoreingang eintreffendes Elektronenpaket erzeugt dann seinerseits einen weiteren Strahlungspuls, der wegen des beschriebenen Abstimmung ideal mit dem bereits durch die Spiegel gefangenen Strahlungspuls zusammenfällt. Auf diese Weise wächst die Strahlungsleistung mit jedem neu ankommenden Elektronenpuls zunächst gleich an.

Microbunching

Doch es geschieht noch mehr: Der Strahlungspuls tritt auch mit den Elektronen in Wechselwirkung und führt zu einer geringfügigen Umordnung der Elektronen. Denn je nach Lage der Elektronen im Strahlungspuls gewinnen oder verlieren die Teilchen Energie und damit Geschwindigkeit. Im Falle eines Freie-Elektronen-Lasers kommt es dabei zur Bildung winziger Gruppen in einem Abstand der Wellenlänge des Strahlungspulses. Ist dieser „Microbunching“ genannte Gruppierungsprozess erreicht, emittieren alle Elektronen einer Gruppe im koordinierten Gleichtakt und die Intensität der Strahlung steigt nunmehr quadratisch mit der Zahl der am Prozess teilnehmenden Elektronen. Mit diesem Effekt ist die Analogie zum konventionellen Gas- oder Festkörperlaser hergestellt und der Begriff „Laser“ gerechtfertigt.

Freie-Elektronen-Laser für Infrarot

Der so durch die beiden Spiegel gefangene Strahl kann in derzeitig im Betrieb befindlichen Anlagen Leistungen von einigen Kilowatt erreichen und die Wellenlänge ist durch die Änderung der Magnetpolabstände oder die Variation der Energie der Elektronen in einem von der Anlage abhängigen Bereich beliebig bestimmbar. Etwa ein bis zwei Prozent des gefangenen Strahles werden durch ein Loch, welches sich in einem der Spiegel befindet, nach außen geleitet und stehen Experimentatoren zur Verfügung. Auch die Länge des Strahlungspulses kann bestimmt werden, indem der Abstand der beiden Spiegel variiert wird.

ELBEs Infrarot

Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) werden am Elektronenbeschleuniger ELBE zwei Freie-Elektronen-Laser für den nahen und fernen Infrarotbereich (3-20 Mikrometer bzw. 20–300 Mikrometer) betrieben und als Nutzergeräte Forschern zur Verfügung gestellt. Die Abkürzung ELBE steht für „Elektronen-Linearbeschleuniger mit hoher Brillanz und geringer Emittanz“. Sowohl die Brillanz als auch die Emittanz beschreiben Qualitätsmerkmale eines Teilchenstrahls.

Eine besondere Eigenschaft dieser Laser ist die Fähigkeit, einen kontinuierlichen Laserstrahl zu erzeugen. Dies ist der Supraleitung zu verdanken, durch die bei sehr tiefen Temperaturen Strom nahezu verlustfrei geleitet werden kann. Konventionelle (normalleitende) Linearbeschleuniger können nur gepulst betrieben werden: Einigen Mikrosekunden Elektronenstrahldauer muss hier eine Pause von einigen Millisekunden folgen. Entsprechend gepulst ist der Infrarotstrahl. Die Dresdner Freie-Elektronen-Laser dagegen erzeugen aufgrund supraleitender Technologie ununterbrochene Pulszüge mit einer Wiederholfrequenz von 13 Millionen pro Sekunde, wodurch die mittlere Strahlungsleistung mit einigen 10 Watt am Experiment außerordentlich hoch ist.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/synchrotronstrahlung/infrarot-aus-elbe/