Der Atomlaser – Science oder Fiction?

Andreas Hemmerich

Atomlaser

Vor fünfzig Jahren wurde der Laser erfunden – heute sind Laser aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. In jüngster Zeit sorgt ein neuer Begriff für Aufsehen in den Medien: der Atomlaser. Wird der „Laser für Atome“ die Erfolgsgeschichte des Lasers wiederholen? Ist es überhaupt möglich, etwas Ähnliches wie einen Laserstrahl aus Atomen herzustellen? Und welche technischen Anwendungsmöglichkeiten würde ein solcher Atomlaser bieten?

Oben links ist die Sonne symbolisch dargestellt, rechts davon zeigt ein Diagramm die Intensität der Sonnenstrahlung in Abhängigkeit von der Frequenz. Bei der Frequenz Null ist auch die Intensität Null, sie steigt dann rasch an und zeigt ein Maximum im grünen Bereich, danach fällt sie langsam wieder ab. Unten links symbolisiert ein Kasten eine Laserquelle, aus der ein grüner Strahl mit symbolisierten Photonen austritt. Rechts davon zeigt wiederum ein Diagramm die Intensität der Laserstrahlung in Abhängigkeit von der Frequenz. Das Spektrum besteht in diesem Fall nur aus einer Linie im grünen Bereich.

Spektrum der Sonnenstrahlung und eines grünen Lasers

Tatsächlich sind Licht und Materie gar nicht so unterschiedlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. So gehört es zu den frühesten Befunden der Quantentheorie, das Licht sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter aufweist. Und gleiches gilt auch für Materie: 1924 stellte der französische Physiker Louis de Broglie in seiner Doktorarbeit die revolutionäre These auf, dass materielle Teilchen durch Wellen beschrieben werden können. Genauer gesagt entspricht ein Teilchen mit einer bestimmten Bewegungsenergie einer ebenen Welle im Raum.

Was bedeutet diese Vorstellung zum Beispiel für ein Gas in einem Behälter? James Clerk Maxwell und Ludwig Boltzmann haben im 19. Jahrhundert herausgefunden, dass die Geschwindigkeiten und damit die Bewegungsenergie der Gasteilchen einer Verteilung gehorchen, deren Breite durch die Temperatur bestimmt ist. Ihre mittlere Geschwindigkeit liegt bei Zimmertemperatur bei ungefähr einem Kilometer pro Sekunde. Im Wellenbild von de Broglie müssen wir das Gas durch eine Überlagerung von vielen monochro­matischen Wellen verschiedener Frequenzen beschreiben. Ein gewöhnliches Gas ist also das materielle Gegenstück zum Licht einer thermischen Strahlungsquelle.

Monochromatische Materiewellen

Links ist ein Kasten dargestellt, in dem sich mehrere gelbe Punkte befinden. An den Punkten sind Pfeile angetragen, deren Länge und Richtungen unterschiedlich sind. Rechts von dem Kasten ist ein Diagramm, in dem die Häufigkeit gegen die Geschwindigkeit aufgetragen ist. Die Kurve verläuft im Nullpunkt zunächst flach, steigt dann steil zu einem Maximum an und fällt etwas langsamer wieder ab.

Geschwindigkeit von Gasmolekülen

Da liegt es nahe, nach monochromatischen Materie­wellen als Pendant zum Laserstrahl zu fragen, also nach Gas-Ensembles, bei denen sich alle Teilchen mit exakt der gleichen Geschwin digkeit bewegen. In Analogie zum Farbfilter beim Licht könnten wir einfach Atome, die aus einer kleinen Öffnung in einem mit Gas gefüllten Behälter ausströmen, durch einen Geschwindigkeitsfilter schicken. In der Atomphysik, etwa in der Präzisions­spektroskopie, sind solche Verfahren weit verbreitet. Doch die extreme Ineffizienz – die meisten Atome werden durch die Filterung aussortiert – setzt dieser Vorgehensweise enge Grenzen.

Kühlt man eine thermische Lichtquelle, so verschwindet mit Abnahme der spektralen Breite auch die Anzahl der emittierten Photonen. Deshalb ist dies kein geeigneter Weg hin zur Monochromasie. Bei Gasen ist das anders, denn es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Photonen und Materieteilchen: Für Materieteilchen gilt im Gegensatz zu Photonen eine Erhaltung der Teilchenzahl. Materielle Teilchen können also nicht einfach absorbiert werden und somit verschwinden, wie es bei Photonen möglich ist. Die Kühlung von Gasen ist zwar beschwerlich, denn die anzupeilenden Temperaturen sind außerordentlich gering, aber überraschenderweise kommt uns die Natur ein Stück entgegen. Die Gasteilchen sind als Quantenobjekte nämlich ununterscheidbar. Das führt dazu, dass die angestrebte Monochromasie bereits bei viel höheren Temperaturen erreicht wird als es für unterscheidbare Teilchen der Fall wäre. Dieser Umstand ist Albert Einstein als erstem aufgefallen, als er eine ihm von dem indischen Physiker Satyendranath Bose zugesandte Arbeit über die Statistik ununterscheidbarer Teilchen las. Deshalb bezeichnen wir dieses Phänomen heute als Bose-Einstein-Kondensation.

Links ist ein mit "Gas" beschrifteter Kasten dargestellt, in dem sich mehrere gelbe Punkte befinden. An den Punkten sind Pfeile angetragen, deren Länge und Richtungen unterschiedlich sind. Von dem Kasten aus geht ein Pfeil mit der Beschriftung "Abkühlung bei großer Dichte"

Phasenübergänge eines Gases

1995 gelang es erstmals, dieses Verfahren in der Praxis anzuwenden: Die Bose-Einstein-Kondensation verdünnter Gase macht es möglich, nahezu perfekt monochromatische Gas-Ensembles mit bis zu zehn Millionen Atomen zu erzeugen.

Doch auch dafür müssen die Forscher im Labor noch eine Temperatur von wenigen hundert Nanokelvin (1 Nanokelvin = 1 Milliardstel Kelvin) über dem absoluten Nullpunkt realisieren – keine leichte Aufgabe. Die entscheidende Technik dafür ist die Kühlung mit Laserlicht, für die es 1997 einen Nobelpreis gab. Die Laserkühlung bringt das Gas von Zimmertemperatur auf einige Millionstel Kelvin, das sind acht Größen­ordnungen. Nur der allerletzte Kühlschritt, bei dem die Temperatur nochmals um eine Größenordnung verringert wird, beruht auf Verdampfung, einer Methode, die allen Liebhabern heißer Getränke bekannt sein dürfte. Die abdampfenden Atome nehmen hier mehr Bewegungsenergie mit als einem durchschnittlichen Atom des Ensembles im Mittel zukommt. Damit sinkt die mittlere Bewegungsenergie pro zurück gebliebenem Atom und somit auch die Temperatur.

Atomlaser aus Bose-Einstein-Kondensaten?

Abkühlung und Bose-Einstein-Kondensation von Gasen bilden also eine erfolgreiche Methode zur Herstellung monochromatischer Materiewellen. Und sowohl in den Medien als auch in der Physik werden Bose-Einstein-Kondensate, die aus magnetischen Fallen herauströpfeln, gern als Atomlaser bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine nahezu kohärente Materiewelle, wenn auch mit einer extrem geringen Intensität. Mit einem Laser im eigentlichen Sinn hat dies allerdings recht wenig zu tun. Denn die Bezeichnung „Laser“ steht für „Light Ampflication by Stimulated Emission of Radiation“ – also: Verstärkung des Lichts durch stimulierte Emission von Strahlung. Und von einer stimulierten Emission von Atomen kann bei einem Bose-Einstein-Kondensat keine Rede sein. Das schlägt sich auch in ihrer weit hinter dem Laser zurückbleibenden Effizienz nieder.

Die Beliebtheit des Begriffs Atomlaser verdanken wir wahrscheinlich zwei Umständen: Laser sind heute zwar allgegenwärtig, aber dennoch für viele ein Mythos, wie etwa die Laserschwerter der Yedi-Ritter im Krieg der Sterne zeigen. Und „Atom“ wird irrtümlicherweise von vielen mit dem Atomkraftwerk und der Atombombe assoziiert, zwei folgenschweren Erfindungen, die unser aller Leben verändert haben. Dabei sollten wir besser von Kernkraftwerken und Kernbomben sprechen.

Stimulierte Emission von Materiewellen

Interessanterweise ist ein dem Laser nachempfundener Prozess zur Produktion monochromatischer Materiewellen durch stimulierte Emission durchaus vorstellbar und mit der Aussicht auf eine der Bose-Einstein-Kondensation weit überlegene Effizienz verbunden. Denn das Prinzip der stimulierten Emission gilt nicht nur für Photonen, sondern für alle ununterscheidbaren Quantenteilchen, die zur Klasse der (nach Bose benannten) Bosonen gehören, also derjenigen Teilchen, die sich den gleichen Quantenzustand teilen können. Theoretische Vorschläge für einen echten Atomlaser findet man bereits in der Literatur und auch experimentelle Arbeitsgruppen haben sich des Themas angenommen.

In der oberen Hälfte der Grafik ist ein mit "angeregte Atome" beschrifteter, breiter blauer Pfeil zu sehen, der von oben nach unten weist. In dem Pfeil sind Atome als Kreise symbolisiert. Links und rechts von dem Pfeil befindet sich jeweils ein Hohlspiegel, die gekrümmten Flächen weisen nach innen auf den blauen Pfeil. Zwischen den Hohlspiegeln deutet eine nach innen schmaler werdende gelbe Fläche das gebündelte Licht an, vom rechten Spiegel tritt nach rechts ein breiter gelber Pfeil aus, der mit "Laserstrahl" beschriftet ist. Oberhalb des Lichts sind die Atome gelb, im Bereich des Lichts rot, darunter grün gefärbt. Ein mit "stimulierte Emission" beschrifteter Pfeil deutet auf den Bereich, in dem sich der breite blaue Pfeil und der gelbe Bereich überschneiden. In der unteren Hälfte der Grafik ist ebenfalls ein mit "angeregte Atome" beschrifteter, breiter blauer Pfeil zu sehen, der von oben nach unten weist. In dem Pfeil sind wiederum Atome als Kreise symbolisiert. Von links oben zeigt ein mit "Laserlicht" beschrifteter, breiter gelber Pfeil auf die Mitte des blauen Pfeils. Eine Ellipse umschließt den mittleren Bereich des blauen Pfeils, oberhalb dieser Ellipse sind die Atome gelb, in der Ellipse grün gefärbt. Von den grünen Atomen in der Ellipse gehen Wellenzüge mit Pfeilen aus. Einige Atome treten nach rechts aus der Ellipse aus, was durch einen kleinen Pfeil angedeutet ist. Die austretenden Atome sind mit "Atomlaser" beschriftet.

Stimulierte Emission beim Licht- und beim Atomlaser

Ein besonders heiß diskutierter Vorschlag beruht auf einem stimulierten Verstärkungsprozess, der durch Licht gesteuert wird. Dabei wird ein Strahl von Atomen in einem angeregten, aber langlebigen elektronischen Niveau präpariert und durch eine Atomfalle geschickt, welche nur Atome im elektronischen Grundzustand festhält. Eingestrahltes Licht pumpt die angeregten Atome bei ihrer Durchquerung der Atomfalle in ein kurzlebiges Zwischenniveau, von wo aus sie unter spontaner Abgabe von Photonen in den elektronischen Grundzustand zerfallen und eingefangen werden. Aufgrund ihres bosonische Charakters ordnen sich die neu hinzukommenden Atome perfekt in die Bewegung der schon in der Atomfalle vorhandenen Atome ein, sodass sich bei hinreichend großer Rate von Neuzugängen eine kohärente Materiewelle aufbauen kann, bei der sich alle Atome im Gleichschritt bewegen. Durch eine Öffnung in der Atomfalle kann dann eine kohärente Materiewelle als Nutzstrahl entweichen.

Noch aber ist die experimentelle Verwirklichung einer laserartigen Quelle für intensive monochromatische Materiewellen nicht in Sicht. Die Hauptschwierigkeit bei dem zuvor erwähnten Schema besteht darin, dass bereits gefangene Atome durch Stöße mit angeregten Atomen oder durch Aufnahme eines der ausgesandten Photonen aus der Atomfalle heraus geworfen werden können. Das reduziert die Ladeeffizienz so stark, dass sich keine kohärente Materiewelle aufbauen kann. In der Sprache der Lasertechnik würde man sagen: Der Laser kommt nicht über die Schwelle.

Und so können wir die anfangs aufgeworfenen Fragen beantworten: Noch gibt es ihn nicht, den Laser für Atome. Und über mögliche Anwendungen können wir derzeit nur spekulieren. Was wir heute in den Physiklabors erzeugen können, sind sehr dünne kohärente Materiewellen in Form von Bose-Einstein-Kondensaten, die sich aufgrund ihrer Masse für interferometrische Gravitations- und Beschleunigungs­detektoren verwenden lassen. Dazu gibt es bereits erste Experimente, die aber noch nicht ganz an die Empfindlichkeit und Praktikabilität alternativer Methoden herankommen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/atome-und-molekuele/atome-und-quantenphysik/atomlaser/