Ultrakalte Atomuhr im Orbit

Physiker haben eine hochpräzise Atomuhr für den Weltraum entwickelt, mit der sich unter anderem die Genauigkeit von Navigationsdaten verbessern lässt.

Dirk Eidemüller

Das Bild zeigt die Erde aus dem Weltall.

NASA

An Bord von Navigationssatelliten ticken bereits Atomuhren: Je exakter die gemessenen Zeitsignale sind, desto genauer lässt sich ein Standort auf der Erde via GPS bestimmen. Atomuhren auf der Erde können die Zeit zwar genauer messen – es handelt sich allerdings um komplexe und empfindliche Systeme. Physiker haben nun auch für den Einsatz im Weltraum eine solche hochpräzise Atomuhr entwickelt. Sie fliegt an Bord der chinesischen Raumstation Tiangong-2 in einer Höhe von rund 400 Kilometern um die Erde und erfüllt alle Erwartungen, so das Team in der Zeitschrift „Nature Communications“. Mit solchen neuen Zeitmessern ließe sich nicht nur die Präzision von Navigationsdaten verbessern, sondern auch fundamentale Physik überprüfen.

„Eine Atomuhr für den Weltraum muss sowohl von der Hardware als auch von der Software sehr gut durchdacht sein, um störende Einflüsse möglichst gut zu eliminieren“, erläutert Liang Liu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai. Der neue Zeitmesser basiert auf extrem kalten Rubidiumatomen. Bei Temperaturen nur knapp über dem absoluten Nullpunkt zeigen die Atome kaum noch Eigenbewegungen. Dadurch und aufgrund der verschwindenden Gravitationskraft im All verringern sich zwar die störenden Einflüsse, die auf der Erde die Präzision von Atomuhren begrenzen. Doch dafür treten andere Störeffekte auf: Die ultrakalten Atome in diesen Uhren reagieren unter anderem sehr empfindlich auf Magnetfelder. Bei der Bewegung rund um die Erde muss deshalb das Erdmagnetfeld aufwendig abgeschirmt werden und ebenso der Einfluss von kosmischer Strahlung.

Atomuhr für den Weltraum

Atomuhr für den Weltraum

Die Experimente von Liu und seinen Kollegen belegen, dass sich ultrakalte Atome als stabile Zeitmesser im Orbit eignen. In mehreren Hundert Millionen Jahren würde die nun entwickelte Uhr um gerade einmal eine Sekunde nachgehen. Solche hochpräzisen Zeitmesser taugen aber nicht nur für technologische Zwecke wie die Satellitennavigation – mit ihnen wollen Forscher auch grundlegende Prinzipien der Physik untersuchen. Nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie sind Raum, Zeit und Gravitation miteinander verknüpft. Im Gravitationsfeld der Erde ticken Uhren daher minimal anders als im Weltall. Würde man diesen Effekt nicht berücksichtigen, wäre die Ortsbestimmung per GPS wesentlich ungenauer. Mithilfe moderner Atomuhren, die sehr viel genauer ticken als die bisher genutzten, ließen sich die Vorhersagen der Relativitätstheorie noch eingehender testen – und so möglicherweise bisher unbekannte physikalische Effekte aufspüren.

Diese Art von Tests wollen die Wissenschaftler um Liu ab 2022 an Bord der chinesischen Raumstation durchführen, allerdings mit einer Weiterentwicklung der nun vorgestellten Atomuhr. Bis dahin wollen die Forscher das im All gemessene Zeitsignal auch mit irdischen Laboren und anderen Satelliten koppeln, um einen Uhrenvergleich zu ermöglichen. Auch die Europäische Weltraumagentur ESA arbeitet an einem ähnlichen Projekt: Atomic Clock Ensemble in Space oder kurz ACES will insbesondere für das europäische Navigationssystem Galileo zeigen, dass eine neue Generation von Atomuhren auch im Weltall funktioniert. Noch 2018 sollen an Bord der Internationalen Raumstation zwei Uhren, die ebenfalls auf ultrakalten Atomen beruhen, den Betrieb aufnehmen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2018/ultrakalte-atomuhr-im-orbit/