Durch Papier und Haut hindurchblicken

Eines Tages durch lichtdurchlässige, aber blickdichte Materialien schauen zu können, das macht ein statistischer Ansatz denkbar, der die Lichtstreuung in ungeordneten Substanzen analysiert und hohe Rechenleistung benötigt

Wirkung optischer Elemente

Wirkung optischer Elemente

Paris (Frankreich) - Ein wenig Licht scheint zwar hindurch, doch ob Papier, Milchglas oder Haut: Details dahinter sind nicht zu erkennen. Das könnte sich ändern, wenn man nur genügend Informationen berechnen kann, sagen jetzt französische Physiker. Ihr innovativer Ansatz und erste Experimente zeigen, dass das Durchschauen blickdichter, aber lichtdurchlässiger Materialien eines Tages möglich sein könnte. Dahinter steckt eine simple Idee und die immer bessere Rechenleistung heutiger Supercomputer: Steht ein Objekt hinter Glas oder im Wasser, so ist es gut sichtbar, weil die Lichtstrahlen nicht oder alle in die selbe Richtung abgelenkt werden. In Milchglas, Schmutzwasser, Papier oder Haut jedoch streuen die Lichtstrahlen immer wieder und unterschiedlich an zufällig verteilten Hindernissen im Material. Entsprechend kommen sie völlig ungeordnet auf der anderen Seite an und lassen höchstens noch Schemen erkennen. Darauf fußt die Idee, die die Forscher in den "Physical Review Letters" beschreiben: Misst und berechnet man das statistische Mittel eines solchen Materials, so kann man die gestreut ankommenden Lichtwellenfront umgekehrt wieder fokussieren und das ursprüngliche Bild zurückbringen. Die ersten Experimente verliefen vielversprechend. Dennoch dürfte es noch lange Jahre dauern, bis ein solches Durchblicken - auch in der Medizin oder Nanotechnik - tatsächlich praktisch möglich wäre.

"Wir bestimmen die Transmissionsmatrix einer dicken, zufällig streuenden Probe und wir zeigen, dass diese Matrix statistische Eigenschaften besitzt, die [...] das Fokussieren von Licht und Bildgebung durch die Probe hindurch erlaubt", schreibt das Team um Sébastien Popoff und Sylvain Gigan vom Pariser Institut Langevin der Hochschule für Industrielle Physik und Chemie (ESPCI). Um den neuen Ansatz zu überprüfen, hatte das Team Licht durch eine Schicht Zinkoxids geschickt - das blickdichte Material ist häufiger Bestandteil weißer Farben. Dabei analysierten die Forscher die Veränderungen des Lichtstrahls durch Streuung am und im Material und konnten ein numerisches Modell dafür aufstellen: die so genannte Transmissionsmatrix, die mehr als 65.000 Werte umfasste. Für eine dünne Linse enthält eine vergleichbare Matrix, die die Veränderung der Wellenfront beim Durchgang durchs Material beschreibt, nur vier Werte. Je komplexer die Streuungen, desto höher die Zahl der zu berücksichtigenden Faktoren und der erforderlichen Rechenleistung.

Mithilfe einer solch umfangreichen Matrix gelang es Popoff und Kollegen, einen Lichtstrahl spezifisch so zu verändern, dass er nach dem Durchgang durch die Zinkoxidschicht fokussierte. Oder sie wandten die Rechenmatrix auf das ankommende Licht an und konnten ein Bild des Objektes hinter der Zinkoxidschicht erstellen. Fazit eines begleitenden Kommentars der beiden Physiker Elbert van Putten und Allard Mosk von der Universität Twente: "Das Experiment zeigt, dass ein opakes Material als optisches Element hoher Qualität dienen könnte, vergleichbar einer herkömmlichen Linse, sofern eine ausreichend detaillierte Transmissionsmatrix erstellt ist".

Ihre Vision stellt in Aussicht, eines Tages nicht nur durch Farbe und Papier, sondern auch in Zellen hineinblicken zu können. Obendrein könnten undurchsichtige Materialien im Nanometerbereich als optische Elemente dienen, wo der Größenmaßstab den Einsatz transparenter Linsen und Komponenten kompliziert macht.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2010/durch-papier-und-haut-hindurchblicken/