Energieforschungsprogramme von 1974 bis heute

Hermann-Friedrich Wagner

Energie und Wachstum

Parallel zum vierten Atomprogramm fassten der Minister für Forschung und Technologie Horst Ehmke und sein Nachfolger Hans Matthöfer 1974 die nicht-nukleare Energieforschung als Folge der ersten Ölpreiskrise in einem Rahmenprogramm „Energieforschung“ unter Federführung der Bundesminister zusammen. Damit gaben sie zugleich den Startschuss für groß angelegte, umfassende Energieforschungsprogramme in allen OECD-Staaten, die sich 1974/75 – damals mit Ausnahme Frankreichs – zur Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris zusammenschlossen.

Zu dieser Zeit standen die Themen Energieversorgung und Ölabhängigkeit ganz oben. Doch der Umweltschutz war ebenfalls von Bedeutung, wie sich der Einleitung entnehmen lässt:

„Die Belastung der Umwelt durch die Emission von Schadstoffen und Abwärme bei Umwandlung und Anwendung von Energie – insbesondere von fossilen Energieträgern – kann ohne weitere Maßnahme die Vorteile des Energieverbrauchs für die Lebensqualität beeinträchtigen.“

„Erstes Programm: Energieforschung und Energietechnologien 1977–1980“

Nukleare und nicht-nukleare Energieforschung wurden erstmals im „Programm Energieforschung und Energietechnologien 1977-1980“ zusammengefasst, das unter der politischen Verantwortung von Bundesminister Hans Matthöfer entstand. Es hatte folgende Ziele:

  • Mittel- und langfristige Sicherung der Energieversorgung
  • Bereitstellung der Energie zu günstigen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf lange Sicht
  • Sachgerechte und frühzeitige Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes und des Schutzes der Bevölkerung und der Beschäftigten vor Gefahren bei Energieumwandlung und Anwendung von Energie
  • Steigerung der technologischen Leistungsfähigkeit zur Erhaltung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit in der Energietechnik

Damit verfügte die Bundesrepublik zum ersten Mal über ein umfassendes Energieforschungsprogramm, gleichzeitig hatte die Politik eine langfristige Schwerpunktänderung eingeleitet. Bis dahin hatten sich die Forschungsanstrengungen fast ausschließlich auf den Versorgungsaspekt konzentriert, die Erlebnisse der Ölpreiskrise hatten diese Art von Vorsorgepolitik noch verstärkt. Nun kam der Gedanke der Energieeinsparung und der rationellen Energieanwendung hinzu.

„Zweites Programm: Energieforschung und Energietechnologien 1981-1990“

Mit der wachsenden Bedeutung des Umweltschutzes wuchs in den 1970er Jahren der Stellenwert dieser Thematik trotz der lange Zeit finanziell dominierenden Kernenergie. Den Rahmen dafür bildete ab 1981 ein „Zweites Programm Energieforschung und Energietechnologien“, herausgegeben von Bundesminister Andreas von Bülow. Es war zeitlich unbegrenzt.

Seine Ziele ähnelten denen des vorherigen Programms, jedoch mit veränderten Schwerpunkten in den Teilprogrammen:

  • Rationelle und sparsame Energieverwendung
  • Kohle und andere fossile Energieträger
  • Erneuerbare Energiequellen
  • Kernbrennstoffkreislauf und Reaktorsicherheit
  • Fortgeschrittene Reaktoren
  • Kontrollierte Kernfusion

Der finanzielle Schwerpunkt lag bei der Entwicklung fortgeschrittener Reaktortechniken wie dem Schnellbrut- und dem Hochtemperaturreaktor sowie der Schließung des Brennstoffkreislaufs einschließlich der Entsorgung nuklearer Abfälle.

„3. Programm: Energieforschung und Energietechnologien 1990–1996“

Eine Gleichstellung der drei energiepolitischen Hauptzielsetzungen für die bundesstaatliche Forschung und Entwicklung, Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit und Umweltverträglichkeit wurde 1990 mit dem „3. Programm Energieforschung und Energietechnologien“ erreicht:

„Es sollen wissenschaftliche Grundlagen, Systemzusammenhänge und neue Techniken erarbeitet werden, damit

  • Primär- und Sekundärenergien auch weiterhin in ausreichendem Maß genutzt werden können unter Berücksichtigung der Anforderungen, die eine zunehmend verletzlichere Umwelt an uns stellt; und damit
  • dafür Sorge getragen werden kann, daß in Zukunft so wenig Energie wie möglich verbraucht und dabei erheblich geringere Mengen an Treibhausgasen emittiert werden als bisher, ohne dabei für unser Energiesystem die Flexibilität zu verlieren, die nötig ist, um bisher noch unbekannten Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können."

Die Erarbeitung des Programms erfolgte unter Bundesminister Dr. Heinz Riesenhuber.

„4. Programm: Energieforschung und Energietechnologien 1996–2005“

1996 gab Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers das „4. Programm Energieforschung und Energietechnologie“ heraus. Dort finden sich die beiden Hauptmotive von 1957 wieder, nämlich Sicherstellung der Energieversorgung und Technologieentwicklung. Allerdings ging es bei der Sicherung der Energieversorgung nicht länger nur um Ressourcen, sondern vor allem um die damit verbundenen globalen Umweltauswirkungen. Deshalb wurde als erste Zielsetzung des Programms beschlossen,

Das Diagramm zeigt horizontal den Primärenergieverbrauch und nach oben das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Dargestellt sind Punkte für die verschiedenen Länder. Für Deutschland ist auch die historische Entwicklung dargestellt: die Kurve läuft von links unten nach rechts oben, um 1990 bei Werten von 175 Gigajoule pro Jahr und 27.000 Euro nach links oben die Richtung zu wechseln. Prognostiziert eingetragen ist eine Entwicklung hin zu 100 Gigajoule pro Kopf bei einem Bruttoinlandsprodukt von 48.000 Euro.

Wirtschaftliche Entwicklung und Energieverbrauch

„die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch in Zukunft alle diejenigen Technik-Optionen entwickelt und für die spätere Anwendung offen gehalten werden, die nennenswert zur nachhaltigen Senkung der energiebedingten Umwelt- und Klimabelastungen beitragen können.“

Wie die langjährigen Erfahrungen zeigten, hatte die Entwicklung neuer Energietechniken über Klima- und Umweltaspekte hinaus eine allgemeine technologisch-politische Dimension. Die breit gefächerten Forschungsansätze ermöglichen die Herstellung hochinnovativer Produkte und Anlagen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Es war deshalb das zweite Ziel des Programms,

„einen Beitrag zur Modernisierung der Volkswirtschaft und zur Sicherung des Technologie-Standorts Deutschland zu leisten, sowie die Exportchancen für einen wichtigen Zweig der deutschen Wirtschaft zu verbessern.“

„5. Programm: Energieforschung und Energietechnologien seit 2005“

Das vierte Energieforschungsprogramm wurde im Juli 2005 durch das „5. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung: Innovation und neue Energietechnologien“ abgelöst, das erstmals das Wirtschaftsministerium (BMWi) unter Bundesminister Wolfgang Clement herausgab. Mit der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2008 verlängerte sich seine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2010.

Drei strategische Grundlinien kennzeichnen dieses Programm:

  • Unterstützung der „Innovationsinitiative“ der Bundesregierung und ihrer Bemühungen um mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
  • Leistung von Beiträgen für einen ausgewogenen Energiemix für die Zukunft unter Einschluss von Stein- und Braunkohle, eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz, die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien ohne Verlust an Wirtschaftlichkeit sowie die Einhaltung der international zugesagten Fortschritte beim Klimaschutz zu den geringst möglichen Kosten
  • Entwicklung von neuen Technologien für das anstehende Kraftwerks-Erneuerungsprogramm von 2010 bis 2025

Das Programm entwickelten das Wirtschafts-, Umwelt-, Forschungs- und Landwirtschaftsministerium gemeinsam. Alle Energieforschungsprogramme werden jedoch vom Bundeskabinett beschlossen und geben deshalb die Energieforschungspolitik der gesamten Bundesregierung und nicht nur die des federführenden Ministeriums wieder.

Nach Angaben des BMWi betrug die Gesamtsumme der Aufwendungen für alle fünf Energieforschungsprogramme von 1974 bis 2010 mehr als 15 Milliarden Euro.

Ausgaben im Rahmen der ersten fünf Energieforschungsprogramme

Förderbereich (Mio. €)

 1974–1997 

 1998–2010

 Summe 

Kohle und andere fossile Energien

1174,7

171,5

1346,2

Erneuerbare Energien, rationelle Energieanwendung

1632,7

2467,8

4100,5

Nukleare Energieforschung,
Beseitigung kerntechnischer Anlagen

5639,7

1196,9

6836,6

Fusion

1794,2

1231,6

3025,8

Gesamtsumme

10 241,3 

5067,8

 15 309,1

„6. Programm Energieforschung und Energietechnologien seit 2011“

Das fünfte Energieforschungsprogramm wurde im August 2011 durch das „6. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung: Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ abgelöst, das gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem Umweltministerium, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung herausgegeben wurde.

Es soll auf folgenden vier zentralen Feldern neue Akzente setzen:

  • Strategische Fokussierung auf die Technologien und Technologiesysteme, die für den von der Bundesregierung angestrebten Übergang Deutschlands zu einer nachhaltigen Energieversorgung wichtig sind. Das sind: Erneuerbare Energien, und Energieeffizienz, Energiespeichertechnologien und Netztechnik, Integration der erneuerbaren Energien in die Energieversorgung sowie das Zusammenwirken dieser Technologien im Gesamtsystem.
  • Ressortübergreifende Zusammenarbeit der beteiligten Ministerien
  • Internationale Kooperation
  • Abstimmung und Koordination unter anderem durch Ausbau der Koordinierungsplattform Energieforschung

 

Das Programm legt ein besonderes Gewicht auf eine Neuausrichtung der projektorientierten Förderung von Forschung und Entwicklung moderner Energietechnologien, um flexibel reagieren zu können und rasche Erfolge bei der Modernisierung der Energieversorgung Deutschlands und beim Übergang zum Zeitalter der erneuerbaren Energien zu erzielen.

Mit Organisationserlass vom 17. Dezember 2013 wurde dem Bundeswirtschaftsministerium unter der neuen Bezeichnung Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Zuständigkeit für die anwendungsorientierte Forschung in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien übertragen. Unverändert koordiniert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Förderung der energietechnologischen Grundlagenforschung und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) die angewandte Bioenergieforschung.

Mit der neuen  Förderbekanntmachung „Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“ des BMWi zum 6. Energieforschungsprogramm, die am 1. Januar 2015 in Kraft trat, sollen nach Angaben des Projektträgers Jülich die Kernbereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz enger verzahnt werden, um die zu erwartende hohe Komplexität des künftigen Energiesystems noch stärker zu berücksichtigen.

Nach Angaben des Bundesberichts Energieforschung des BMWi von 2014 wurden für das 6. Energieforschungsprogramm von 2011 bis 2015 insgesamt 3 844,29 Millionen Euro aufgewendet.

6. Energieforschungsprogramm: Ist 2011-2015

Förderbereich (Mio. €)

 2012 

 2013 

 2014 

 2015 

Rationelle Energieumwandlung und -verwendung, Energieeffizienz

239,06

296,64

300,80

317,26

Erneuerbare Energien

258,85

298,10

303,30

323,33

Nukleare Sicherheit, Endlagerung

74,74

75,62

75,6

76,95

Fusion

133,10

138,72

138,14

139,22

Gesamtsumme

 705,75

 809,09

 819,20

 862,73

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/ueberblick/geschichte/energieforschung-ab-1974/