Biokraftstoffe

Annett Klimpel

Anbau Biokraftstoff

In jedem deutschen Autotank geht es mittlerweile ein bisschen bio zu: Ottomotoren werden zum Teil mit Ethanol aus Getreide angetrieben, Dieselmotoren dient Biodiesel aus speziell behandeltem Pflanzenöl als Brennstoff. 2009 lag ihr Anteil am Gesamtkraftstoffverbrauch bei 5,5 Prozent, den Bahn- und Luftverkehr ausgenommen. Raps und Zuckerrohr statt Rohöl im Tank: Das mag wunderbar klingen, ist aber höchst umstritten.

Ackerflächen, gelb leuchtet darin ein Rapsfeld.

Ackerfläche

Seit Beginn des Jahres 2007 müssen Kraftstoffe in Deutschland einen Mindestanteil Biokraftstoff enthalten, derzeit 1,2 Prozent bei Benzin und bei Diesel 4,4 Prozent. Bis zum Jahr 2020 strebt die EU einen Anteil der Biokraftstoffe von mindestens zehn Prozent am Gesamtabsatz an, um die Abhängigkeit vom schwindenden Rohöl zu mildern. „Wir sehen diese Entwicklung sehr kritisch“, sagt Andree Böhling von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Anders als bei der Versorgung mit Wärme und Strom tauge Biomasse noch nicht für eine großflächige Versorgung mit Kraftstoffen, sagt Böhling. In keinem anderen EU-Land gebe es eine solche Regelung. „Die erneuerbaren Energien sollen es in allen Bereichen sofort richten – das ist kurzsichtig gedacht.“

Thomas Isenberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband warnte vor großflächigen Monokulturen beim Anbau von Energiepflanzen und dem massiven Einsatz gentechnisch effizienter gemachter Arten. Derzeit werden auf zwei der insgesamt elf Millionen Hektar deutscher Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut, der weitaus größte Teil entfällt schon jetzt auf die Biokraftstoffe. Aus drei Kilo Rapssaat entstehe ein Liter Öl, erklärt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Aus einem Hektar Raps würden somit etwa 1600 Liter Biodiesel gewonnen – rund drei Milliarden Liter sind es jährlich in Deutschland. Die Anbaufläche könne maximal auf drei Millionen Hektar erweitert werden, sagt Lohse. „Berücksichtigt man das Prinzip Nachhaltigkeit, ist dann Ende der Fahnenstange.“ Allerdings lasse sich mit neuen Sorten möglicherweise die Ausbeute je Hektar noch deutlich steigern.

Die Grafik zeigt die Größe der Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe in Deutschland zwischen 1997 und 2010. Besonders stark angestiegen ist der Flächenbedarf zwischen 2003 bis 2010, von etwa 800.000 Hektar auf über 2 Millionen Hektar.

Anbau von Energie- und Industriepflanzen

Mit der in Deutschland verfügbaren Ackerfläche könne selbst bei maximaler Ausnutzung der Bedarf in Deutschland nicht gedeckt werden, betont auch Böhling. „Aus Sicht ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft sind die zwei Millionen schon zu viel.“ Die angestrebten Quoten gingen deshalb völlig an den Realitäten vorbei. Schon seit Oktober 2005 kann inländischer Raps dem Mineralölwirtschaftsverband (MVVV) in Hamburg zufolge den Bedarf an Pflanzenöl nicht mehr decken, In diesem Jahr müssen demnach mehr als zwei Millionen Tonnen Öl importiert werden – und damit etwa die Hälfte der bundesweit benötigten Menge.

Ähnlich sei die Situation in den anderen Ländern der EU. Immer mehr Biomasse werde deshalb aus asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Ländern importiert. Für Palmöl aus Indonesien und Ethanol aus Brasilien aber würden weitere Urwälder gerodet. „Nachhaltig ist die Produktion da nicht“, betont auch Lohse.

Nachwachsende Rohstoffe werden nach Ansicht der Experten zunehmend mit Nahrungsmitteln um die verfügbaren Anbauflächen konkurrieren – und damit sehr wahrscheinlich die Lebensmittelpreise steigen lassen. In Mexiko beispielsweise seien die Tortillas teurer geworden, weil deren Hersteller zunehmend mit den Biosprit-Produzenten um den verfügbaren Mais konkurrieren. Ähnliche Entwicklungen seien auch für andere Lebensmittel zu erwarten.

Für den Verbraucher könnte es so gleich in zwei Bereichen teurer werden – denn auch beim Tanken muss er tiefer in die Tasche greifen. So mussten Diesel-Fahrer wegen der höheren Mehrwertsteuer und der Pflicht zur Beimischung von Bio-Komponenten zu Anfang des Jahres einen Preisschub um vier Cent je Liter hinnehmen, bei den Benzin-Tankern waren es sogar sechs Cent je Liter mehr als im Dezember 2006. Die Bereitstellungskosten der alternativen Kraftstoffe liegen nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes derzeit um das Zwei- bis Fünffache höher als die Bereitstellungskosten von Benzin.

Bemängelt wird von Kritikern auch die vergleichsweise geringe Einsparung von Treibhausgasen. Bei Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse seien diese bis zu drei Mal so groß wie im Verkehrssektor, sagt MWV-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Theoretisch könnten Biokraftstoffe zu immensen Emissionsminderungen führen, da bei der Verbrennung nur so viel Kohlendioxid freigesetzt wird, wie die Pflanzen während des Wachstums aufnahmen. Doch die Realität sieht anders aus: Transport, Düngung und die Aufbereitung der Biomasse verschlechtern die Bilanz. Ohnehin werden meist nicht die ganzen Pflanzen, sondern beispielsweise nur die Samen genutzt. Zudem ist der Energiegehalt von Ethanol und Biodiesei geringer als der herkömmlicher Kraftstoffe – und der Verbrauch damit höher.

Die Vorteile für den Klimaschutz seien deshalb gering, sagt Andreas Ostermeier vom Umweltbundesamt. Ersetze man beispielsweise fünf Prozent Diesel durch Biokraftstoff, resultiere daraus nur eine Kohlendioxid-Reduktion um zweieinhalb Prozent. Die Bio-Kraftstoffe mit Steuervorteilen und Quotenregelungen zu begünstigen, mache deshalb aus Sicht des Umweltbundesamtes keinen Sinn. Die Markteinführung der Biokraftstoffe werde momentan mit einer Milliarde Euro jährlich gefördert, sagte Ostermeier. Dieses Geld wäre seiner Ansicht nach in anderen Bereichen besser aufgehoben.

Auch viele andere Kritiker machen deutlich, dass sie die Nutzung von Biomasse für Kraftstoffe keineswegs komplett ablehnen. Die Hoffnungen ruhen bei vielen auf den „Biokraftstoffen der zweiten Generation“. Darunter fallen zum Beispiel so genannte „Biomass-to-Liquids“-Verfahren (BTL), bei denen aus Biomasse synthetisch Kraftstoffe gewonnen werden.

Für die Erforschung solcher neuen Biokraftstoffe stünden derzeit nur einige Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung, sagt Ostermeier: „Bei den heutigen Verbräuchen macht der Einsatz von Biokraftstoffen gar keinen Sinn.“ Ein Mittelklassewagen verbrauche derzeit im Durchschnitt sieben Liter Kraftstoff je 100 Kilometer, erklärt der UBA-Experte. „Möglich wären – und das sofort – drei Liter.“ Die technisch realisierbare Grenze liege sogar bei etwa zwei Litern: „Man kann wie bisher zwei Millionen der insgesamt 50 Millionen jährlich benötigten Tonnen Diesel durch Biodiesel ersetzen – oder aber man verbraucht einfach 30 Millionen Tonnen davon erst gar nicht.“

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/biomasse/biokraftstoffe/