Physiker messen Tripelpunkt in festem Material

Jan Oliver Löfken

Fest, flüssig, gasförmig: An genau einem Punkt knapp über Null Grad treten alle drei Zustände von Wasser gleichzeitig auf. Viele Substanzen haben solche sogenannten Tripelpunkte, nur ihre Bestimmung gestaltet sich sehr schwierig. Nun schafften es Physiker mit einer neuen Messmethode, den Tripelpunkt für festes Vanadiumoxid exakt zu identifizieren. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, treffen bei 65 Grad eine metallische und zwei isolierende Phasen des Metalloxids aufeinander. Der sehr schnelle Wechsel zwischen diesen Zuständen mit grundlegend verschiedenen Eigenschaften macht Vanadiumoxid als Werkstoff für extrem schnelle elektronische und optische Schaltkreise interessant.

Kristallgitter mit roten und grauen Kugeln.

Kristallstruktur von Vanadiumoxid

„Es gibt – rein theoretisch – viele verborgene Tripelpunkte in Festkörpern, doch sie sind nahezu überhaupt nicht untersucht“, sagt David Cobden von der University of Washington in Seattle in den USA. Zusammen mit seinen Kollegen konnte er diese Lücke der Materialforschung etwas schließen. Dazu spannten sie einen extrem dünnen Draht aus Vanadiumoxid in eine mikromechanische Vorrichtung. Mit einem speziellen Motor konnten sie den Draht sehr genau unter Spannung setzen, während hochsensible Thermometer die genaue Temperatur lieferten. Über elektrische Messungen und mit einem Mikroskop ließen sich dann die verschiedenen Phasen von Vanadiumoxid erkennen.

Nach vielen Versuchen an insgesamt zehn einkristallinen Nanodrähten, die teilweise unter zu starker Spannung zerbrachen, lag das Ergebnis vor. Der Tripelpunkt, an dem alle drei Phasen zugleich existierten konnten, lag bei 65 Grad, ohne dass der Draht gedehnt und gestaucht wurde. Nur geringste Änderungen dieser Bedingungen reichten aus, um jeweils nur eine einzige Phase zu stabilisieren. Diese Wechsel vollzogen sich sehr schnell binnen weniger Pikosekunden, billionstel Bruchteilen einer Sekunde.

Diese Ermittlung von Tripelpunkten in Festkörpern gehört heute noch zur Grundlagenforschung. Doch für die Analyse von Materialeigenschaften könnten diese Experimente sehr wichtig werden, um eine genaue Kontrolle über das Verhalten von Werkstoffen zu gewinnen. Der schnelle Wechsel zwischen metallisch leitenden und isolierenden Eigenschaften in Vanadiumoxid könnte in Zukunft für extrem schnelle Schaltprozesse genutzt werden. Auf der Grundlage dieser Versuche ist es nun wahrscheinlich, dass auch weitere Metalloxide ihre bisher nur in theoretischen Modellen vorhergesagten Tripelpunkte offenbaren werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2013/physiker-messen-tripelpunkt-in-festem-material/