Stop-and-go: Wie Kaiserpinguine sich wärmen

Claudia Schneider

Eine dicht gedrängte Gruppe aus Hunderten von Kaiserpinguinen auf kahlem Boden in der Antarktis.

In der Brutzeit drängen sich Kaiserpinguine dicht zusammen und bilden kompakte Gruppen – sogenannte Huddles – aus Hunderten von Individuen, um sich gegenseitig zu wärmen und vor den rauen Bedingungen des antarktischen Winters zu schützen. Dabei bewegen sie sich nach einem ähnlichen Muster wie Autos in einem Verkehrsstau: Wird die Lücke zum Nachbarn größer als ein kritischer Wert, schließt ein Pinguin auf, sodass sich Wanderwellen in der Gruppe ausbreiten. Einer Forschergruppe um Richard Gerum von der Universität Erlangen-Nürnberg ist es nun gelungen, diese Gruppenbewegung nachzubilden – mit einem Modell, das gewöhnlich stockenden Straßenverkehr beschreibt. Die Studie wurde im Fachmagazin „New Journal of Physics“ veröffentlicht.

„Unsere vorige Untersuchung hat bereits gezeigt, wie Wanderwellen es den Pinguinen ermöglichen, sich in einer dicht gepackten Gruppe zu bewegen“, sagt Ko-Autor Daniel Zitterbart vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. „Bisher konnten wir uns jedoch nicht erklären, wie sich diese Wellen in der Gruppe ausbreiten und wie sie getriggert werden.“ Um diese Vorgänge besser zu verstehen, bildeten die Forscher die Gruppenbewegung mit einem mathematischen Modell nach, das sonst der Beschreibung von Verkehrsstaus dient. Es berücksichtigt die Positionen, Bewegungen und Wechselwirkungen der einzelnen Pinguine untereinander. Die Ergebnisse verglichen sie dann mit Videoaufnahmen der echten Pinguinbewegungen.

Es stellte sich heraus, dass die Wanderwellen im Pinguinhaufen – anders als bei einem Autostau – von jedem einzelnen Pinguin ausgehen und sich in jeder beliebigen Richtung ausbreiten können. Sobald sich zwischen zwei Pinguinen eine genügend große Lücke auftut, der sogenannte Schwellenabstand, beginnt einer der Pinguine aufzurücken und zieht die ihn umgebenden Nachbarn wie eine Kette nach sich. Die Lücke wandert daraufhin wie eine Welle durch die Pinguingruppe. Anhand ihrer Analysen schätzten die Forscher den Wellen auslösenden Schwellenabstand auf rund 2 Zentimeter. Das entspricht ungefähr der zweifachen Dicke der isolierenden Federschicht eines Pinguins. Zitterbart und seine Kollegen schlossen daraus, dass sich die Pinguine in der kompakten Gruppe nur leicht berühren, ohne dabei ihre Federschicht einzudrücken. Auf diese Weise erreicht die Pinguingruppe die größtmögliche Packungsdichte und bewahrt dennoch die Wärmeisolation jedes Einzelnen.

„Wir waren wirklich überrascht, dass eine Wanderwelle durch jeden beliebigen Pinguin in der Gruppe ausgelöst werden kann“, erzählt Zitterbart. „Ebenso fanden wir es erstaunlich, wie zwei Wellen, die kurz nacheinander getriggert wurden, miteinander verschmolzen anstatt einander zu durchdringen.“ Die Wanderwelle hilft also auch dabei, die Pinguingruppe so dicht wie möglich zu halten, indem kleinere Gruppen in der größeren aufgehen.

Der Kaiserpinguin ist das einzige Wirbeltier, das während des antarktischen Winters brütet. Zu dieser Jahreszeit können die Temperaturen bis auf Werte von minus fünfzig Grad Celsius fallen, während der eisige Wind mit Geschwindigkeiten von bis zu zweihundert Stundenkilometern wehen kann.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2013/stop-and-go-wie-kaiserpinguine-sich-waermen/