Antimaterie verhält sich wie Materie

Dirk Eidemüller

Blick in eine Halle mit verschiedenen technischen Geräten und Instrumenten

Maximilien Brice/CERN

Kurz nach dem Urknall sollten Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen entstanden sein. Heute enthält das Universum aber offensichtlich nur noch Materie, aus der Sterne, Planeten und auch wir selbst bestehen. Den Grund für dieses Ungleichgewicht kennen Physiker bislang nicht. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, suchen Wissenschaftler im ALPHA-Experiment am Forschungszentrum CERN nach Unterschieden zwischen Materie und Antimaterie. In der Zeitschrift „Nature“ stellt die Kollaboration jetzt neue Messergebnisse vor, die erneut belegen, dass sich Antiwasserstoff exakt so verhält wie gewöhnlicher Wasserstoff.

Normaler Wasserstoff besteht aus je einem Proton als Atomkern und einem Elektron, das um den Kern kreist. Um Antiwasserstoff zu erzeugen, mussten die Forscher zunächst Antiprotonen erzeugen und diese zusammen mit Positronen – den Antiteilchen der Elektronen – vereinigen. In mehreren Durchläufen sperrten sie jeweils 90 000 Antiprotonen und drei Millionen Positronen zusammen in einer elektromagnetischen Falle ein und erhielten so schließlich rund zwanzig Antiwasserstoffatome, die sich für etliche Stunden aufbewahren ließen.

Um die Eigenschaften der erzeugten Antimaterie zu untersuchen, strahlte das Team gezielt Laserpulse in die Falle. Einzelne Antiwasserstoffatome absorbierten die eingestrahlte Energie, wodurch das Positron in der Atomhülle auf ein höheres Energieniveau gehoben wurde. Wenig später kehrte das Positron wieder in seinen Grundzustand zurück, indem es die zusätzliche Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung wieder abgab. Bei diesen Versuchen hatte es die Kollaboration auf zwei ganz besondere Energieniveaus im Antiwasserstoff abgesehen.

Willis Lamb entdeckte 1947, dass im gewöhnlichen Wasserstoffatom zwei Zustände existieren, die laut Theorie exakt die gleiche Energie besitzen müssten. Tatsächlich zeigten sie aber eine winzige Energiedifferenz, die – wie sich später herausstellte – durch gleich mehrere quantenelektrodynamische Effekte innerhalb des Atoms zustande kommt. Damit liefert diese Aufspaltung der Energieniveaus, die sogenannte Lamb-Verschiebung, einen hervorragenden Test dafür, ob sich Wasserstoffatome bezüglich all dieser grundlegenden Wechselwirkungen symmetrisch zu Antiwasserstoffatomen verhalten.

Im ALPHA-Experiment gelang es den Forschern nun erstmals, die Lamb-Verschiebung im Antiwasserstoffatom zu vermessen. Das Ergebnis: Innerhalb der Messfehler lässt sich kein Unterschied zwischen Antimaterie und gewöhnlicher Materie feststellen. Künftig wollen die Wissenschaftler nicht nur die Genauigkeit der Messergebnisse erhöhen, sondern auch weitere Eigenschaften der Antiwasserstoffatome überprüfen. In den vergangenen Jahren hatte das Team bereits andere Energieniveaus im Antiwasserstoffatom untersucht und dabei ebenfalls keine Diskrepanz gefunden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2020/antimaterie-verhaelt-sich-wie-materie/