CBM – Suche im Quark-Gluon-Plasma

Stefan Stohl

CBM-Logo

Wie entstanden nach dem Urknall die Bestandteile der Materie? Wodurch entsteht die Masse der Teilchen – oder warum sind Protonen und Neutronen schwerer als ihre Bestandteile?

Eine der zentralen Fragen, die Physiker zurzeit beschäftigen, ist die Frage nach dem Zustandekommen der Masse in unserer Welt. Die existierenden Theorien sind bisher experimentell nicht belegt. In der neuen Anlage FAIR am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung wollen Physiker nun durch die Herstellung sehr dichter Kernmaterie dem Rätsel, wie die Masse der Teilchen entsteht, auf die Spur kommen. Außerdem soll durch die Erzeugung eines Quark-Gluon-Plasmas ein Zustand der Materie näher untersucht werden, der Sekundenbruchteile nach dem Urknall bei der Entstehung des Universums für kurze Zeit bestanden hat.

Was ist ein Quark-Gluon-Plasma?

Infographik: Die Anlage von FAIR, SIS 300, wird Materie bei höheren Dichten aber geringeren Temperaturen untersuchen können als RHIC oder LHC.

Das theoretische Phasendiagramm hadronischer Materie

Ähnlich wie die Materie, die uns in unserem täglichen Leben umgibt, hat auch Kernmaterie verschiedene Zustandsformen in Abhängigkeit von Temperatur und Druck. Ein Aggregatzustand, den man an der neuen Anlage an der GSI untersuchen will, ist das sogenannte Quark-Gluon-Plasma. In diesem Plasma liegen die Bausteine von Protonen und Neutronen, die Quarks und die Gluonen, in einem ungeordneten und chaotischen Zustand vor. Während Quarks ansonsten nur in Verbindung mit mindestens einem anderen Quark vorkommen (Confinement), erwarten Wissenschaftler, dass in diesem Zustand Quarks auch alleine existieren. Man nimmt an, dass ein Quark-Gluon-Plasma Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall existiert hat und auch heute noch im Inneren von Neutronensternen vorkommt. Auf der Erde lässt es sich – davon sind Wissenschaftler überzeugt – durch das Aufeinanderschießen von schweren Atomkernen mit hohen Energien erzeugen.

Ähnlich wie beim Übergang von Wasser zu Wasserdampf, der entweder durch große Hitze oder durch großen Druck erfolgen kann, gibt es auch bei dem Übergang von Kernen zum Quark-Gluon-Plasma unterschiedliche Wege. Bei sehr hohen Energien, wie man sie am CERN in Genf oder RHIC in den USA zum Aufeinanderprallen der Kerne verwendet, entsteht ein extrem heißes Quark-Gluon-Plasma, das etwa gleich viele Teilchen wie Antiteilchen enthält, sodass die Dichte der Teilchen relativ gering ist. Dieser Bereich des Übergangs bei hohen Temperaturen wird kurz nach dem Urknall vermutet. Wie sich der Phasenübergang allerdings bei niedrigeren Temperaturen, aber hohen Teilchendichten vollzieht, ist noch nicht eingehend untersucht worden.

Skizze mehrerer verschiedenfarbiger technischer Komponenten.

Schema des geplanten CBM-Experimentaufbaus bei FAIR

Deshalb ist die neue Anlage der GSI so ausgelegt, dass die Kerne mit Energien aufeinander geschossen werden können, bei denen ein derartiger Phasenübergang erwartet wird. Diese Art von Quark-Gluon-Plasma bei hohen Dichten und geringen Temperaturen wird im Inneren von Neutronensternen vermutet, die neben den schwarzen Löchern zu den rätselhaftesten Objekten im Universum gehören.

Die Suche nach der Masse der Materie

Neben der Frage nach der Struktur des Confinements und unter welchen Bedingungen es sich auflöst, erwarten Physiker von der Forschung an dem Quark-Gluon-Plasma vor allem Aufschlüsse über die grundsätzliche Frage, wie die Masse der Materie zustande kommt. Da sich fast die gesamte Masse der uns bekannten Materie (99,9 Prozent) im Atomkern befindet, stellt sich somit die Frage, wie die Masse der Kernbausteine zustande kommt. Dies klingt zunächst seltsam. Denn in der Welt, die uns umgibt, setzt sich die Masse eines zusammengesetzten Systems im Groben aus der Summe seiner Einzelteile zusammen. Eine Einkaufstasche wiegt soviel, wie die Einkäufe darinnen. In der subatomaren Welt sieht das nun aber ganz anders aus: Man konnte in Experimenten nachweisen, dass die gefüllte Einkaufstasche (Protonen oder Neutronen) insgesamt viel schwerer ist als die Summe der Einkäufe (Quarks). Um genau zu sein, sind die Quarks nur für rund zwei Prozent der Masse der Atomkerne verantwortlich. Rund 98 Prozent der Masse können mit unseren normalen Vorstellungen somit nicht erklärt werden. Heute nimmt man an, dass die Bewegungsenergie der Quarks sowie die Bindungsenergie der Gluonen für den allergrößten Teil der Masse verantwortlich sein müssen.

Logo des CBM-Experiments

Logo des CBM-Experiments

Durch die Herstellung von Kernmaterie mit sehr hoher Dichte erhoffen sich die Forscher nun auch Erkenntnisse darüber, wie die Masse der Kernbausteine zustande kommt. Bei ersten Messungen der Masse von Hadronen (Teilchen, die aus zwei oder drei Quarks bestehen) in verdichteter Kernmaterie, konnte eine Änderung der Teilchen-Massen beobachtet werden. Bei noch höherer Dichte der Kernmaterie sollte die Änderung der Masse von Hadronen besonders groß sein und Rückschlüsse darauf zulassen, wie die Masse der Materie zustande kommt.

Das CBM-Experiment an der neuen Anlage FAIR untersucht die Eigenschaften der Hadronen in sehr hoher Kernmateriedichte durch Kern-Kern-Kollisionen bei den höchstmöglichen Energien der neuen Beschleunigeranlage. Die in den Kern-Kern-Stößen entstandene, hochverdichtete Kernmaterie existiert nur für winzige Sekundenbruchteile. Danach zerfällt diese in einen Schauer elementarer Teilchen, die von riesigen Detektoren registriert werden. Die Spuren dieser Teilchen liefern den Wissenschaftlern dann die gewünschten Informationen. Durch die Aufzeichnung und Auswertung einer sehr großen Zahl von Ereignissen erhoffen sich die Physiker grundlegende Erkenntnisse zur Herkunft der Masse zu gewinnen und dem Phasenübergang zum Quark-Gluon-Plasma auf die Spur zu kommen.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/experimente/teilchenbeschleuniger/fair/cbm-experiment/