Der kompakte Vielzwecker: CMS
Kompakt und massiv: Das Experiment CMS am LHC sucht nach neuer Physik und stellt unser Verständnis der Welt des Allerkleinsten auf die Probe.
Den Grundplänen unseres Universums nachzugehen, haben wir uns mit dem CMS-Experiment zum Ziel gesetzt. Dabei werden wir die Zusammenstöße von Protonen untersuchen, die zuvor im LHC-Beschleuniger auf bisher unerreichte Energien gebracht wurden. Auf diese Weise hoffen wir, die Mechanismen besser zu verstehen, die unsere Welt regieren.
Das Vorhaben ist gewaltig: Unser Detektor ist 21 Meter lang, hat einen Durchmesser von 16 Metern, besteht aus rund 100 Millionen Einzelteilen und kostet 350 Millionen Euro. Rund 2600 Personen aus 180 Instituten in 38 Ländern nehmen an dem Projekt teil.
In der Nähe des französischen Dorfes Cessy, rund 15 Kilometer vom Genfer Flughafen entfernt, befindet sich der CMS-Detektor – hundert Meter tief unter der Erde. Seine Bestandteile sind schalenförmig um eine der Stellen angeordnet, an denen sich die Bahnen der Protonen im LHC kreuzen. Der 12.500 Tonnen schwere Koloss dient dabei dem Nachweis der Teilchen, die bei den Zusammenstößen entstanden – darunter solche, die schon aus anderen Experimenten bekannt sind, aber vielleicht auch neue, schwere Teilchen, die an bisherigen Beschleunigern nicht erzeugt werden konnten, weil die Energien dazu nicht ausreichten.
Zwei Gruppen von Teilchen sind dabei von besonderem Interesse: Zum einen wird nach den Higgs-Teilchen gesucht. Diese Teilchen stehen mit einer Idee im Zusammenhang, die der britische Physiker Peter Higgs vorschlug, um zu erklären, warum Teilchen eine Masse haben. Danach wechselwirken alle Teilchen mit dem so genannten Higgs-Feld, dessen Existenz sich über den Nachweis von entsprechenden Higgs-Teilchen nachweisen ließe.
Bis heute konnten diese fundamentalen Bausteine im Verständnis des Mikrokosmos jedoch experimentell noch nicht aufgespürt werden. Das CMS-Experiment am LHC ist optimal aufgestellt, um diese Teilchen zu finden, wenn es sie gibt.
Zum anderen wollen wir überprüfen, ob supersymmetrische Teilchen existieren. Der Idee der Supersymmetrie zufolge gibt es zu allen bisher bekannten Teilchen Partnerteilchen. Diese noch nicht entdeckten supersymmetrischen Teilchen sind nicht zuletzt deshalb heiß begehrt, weil möglicherweise die dunkle Materie im Universum, für die die Astrophysiker bisher keine Erklärung gefunden haben, aus solchen Teilchen besteht. Mit Hilfe der Supersymmetrie ließen sich aber auch zahlreiche andere offene theoretische Fragen beantworten.
Zudem dringt der LHC in Energiebereiche vor, in denen sich Zusammensetzungen aus schweren Quarks untersuchen lassen. Das Augenmerk ist dabei besonders auf Verbindungen aus Top-Quarks gerichtet – Elementarteilchen, die so viel wiegen wie Goldatome. Diese Teilchen genauer als bisher möglich vermessen zu können, wird uns ermöglichen, die gegenwärtigen Theorien gründlich zu überprüfen und auch Prognosen für noch höhere Energiebereiche zu erstellen.
Der Name
CMS steht für „Compact Muon Solenoid“. „Compact“, weil CMS zwar fast so viel wiegt wie der Eiffelturm, er aber im Vergleich zu anderen Detektoren dieser Art geringe Ausmaße hat. „Muon“, weil beim Design des Detektors besonders viel Augenmerk auf den Nachweis von Myonen, schweren Varianten der Elektronen, gelegt wurde. Und „Solenoid“, weil dies der Typ der Magnetspule in seinem Inneren ist; es handelt sich hier um den weltweit größten supraleitenden Magneten dieser Art.
Der CMS-Detektor wurde zunächst von 2000 bis 2004 an der Oberfläche zusammengebaut und getestet und dann in Einzelteilen wieder in die unterirdische Halle herabgelassen. Dies hatte den Vorteil, dass man mit dem Zusammenbau schon beginnen konnte, als der LHC-Vorgänger LEP noch in Betrieb war.
Deutsche Beteiligung
Das CMS-Projekt ist international aufgestellt: Forscher aus 174 Instituten aus 38 Ländern nehmen daran teil. Aus Deutschland sind dabei Wissenschaftler der RWTH Aachen, der Universitäten Hamburg und Karlsruhe sowie vom Forschungszentrum DESY vertreten.
Die deutschen CMS-Forschergruppen haben wesentliche Beiträge zu Entwicklung und Konstruktion der Spurdetektoren (Silizium-Streifendetektoren und gasgefüllte Driftkammern für die Myonen) geleistet. Der Silizium-Streifendektor (siehe Foto) ist mit einer aktiven Fläche von 210 Quadratmetern der mit Abstand größte Detektor seiner Art. Er besteht aus feinen, im Abstand von typisch 0,05 Millimetern angeordneten Siliziumstreifen. Er kann die Bahn durchfliegender Teilchen mit einer absoluten Genauigkeit von 0,02 Millimetern rekonstruieren – das ist weniger als die Dicke eines Haares. Deutschland steuert ein Viertel zu dieser Detektorkomponente bei. Ferner haben deutsche Physiker und Ingenieure 70 von den 250 Myonkammern gebaut, in denen die Myonen durch Ionisation eines Gases eine messbare Spur hinterlassen. Die Myondetekoren in CMS decken insgesamt eine Fläche von mehr als zwei Fußballfeldern ab.
Die CMS-Physiker der beteiligten deutschen Institute arbeiten auch intensiv an der Vorbereitung der Datenanalyse. Die jetzigen Arbeiten umfassen sowohl den Aufbau einer adäquaten Computing-Infrastruktur als auch detaillierte Simulations-Studien, zum Beispiel zur Identifizierung und Vermessung von supersymmetrischen Teilchen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/experimente/teilchenbeschleuniger/cern-lhc/lhc-experimente/cms/