Kühlen mit Kristallen

Jan Oliver Löfken

Die molekulare Struktur der plastischen Kristalle wird durch verschiedenfarbige Kugeln dargestellt, die durch Striche verbunden sind.

Bing Li et al./SYNL/NPG

Kühlschränke und Klimaanlagen funktionieren mit einem Kältemittel, das durch einen geschlossenen Kreislauf aus Röhren gepumpt wird und sich dabei abwechselnd im flüssigen oder gasförmigen Zustand befindet. Eine effizientere Alternative haben Forscher nun mit plastischen Kristallen entdeckt, die sich unter Druck stark verformen lassen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, lässt sich über das Zusammenpressen und Ausdehnen der Kristalle eine Kühlung von etwa 50 Grad erreichen.

Für ihre Versuche wählten Bing Li vom Nationalen Labor für Materialwissenschaften im chinesischen Shenyang und seine Kollegen das synthetische Material Neopentylglycol. Knapp unter Raumtemperatur bildeten die Moleküle in dem plastischen Kristall eine ungeordnete Struktur. Wurde das Material jedoch zusammengepresst, ordneten sich die Moleküle über Drehbewegungen zu einer kristallartigen Struktur an und das Material erwärmte sich. Indem die Forscher die Wärme abführten und den Druck verringerten, entstand wieder die ursprüngliche Unordnung und das Material kühlte um bis zu 50 Grad ab.

„Dieser spezielle Effekt bietet eine vielversprechende Alternative zu konventionellen Kompressionskreisläufen“, sagt Li. Physikalisch beruht die große Kühlwirkung auf der sich ändernden Entropie des Materials: Je ungeordneter die Moleküle, desto höher der Wert dieser thermodynamischen Größe. Über das Zusammenpressen des Kristalls reduziert sich die Entropie drastisch. Ohne äußeren Druck nimmt die Entropie wieder zu und das Material kühlt parallel ab.

Plastische Kristalle aus Neopentylglycol zeigen ein großes Potenzial für eine effiziente Festkörperkühlung. Je nach Größe könnten sie für kleine Computerchips genutzt werden und in Zukunft klimaschädliche Kühlmittel überflüssig machen. Bevor jedoch erste Kühlschränke mit plastischen Kristallen entstehen, muss zunächst ihre Stabilität für lange Zeiträume optimiert und der nachlassende Kühleffekt beseitigt werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2019/kuehlen-mit-kristallen/