Schmelzende Gletscher setzen Methan frei

Anne-Dorette Ziems

Drei Menschen auf einer schmelzenden Gletscherfläche

Gabrielle Kleber

Auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen steigen die Lufttemperaturen bedingt durch den Klimawandel zweimal so schnell wie in der restlichen Arktis. Seit 1936 sind dort bereits 30 Prozent des Gletschervolumens geschmolzen. An den Stellen, wo vorher noch Gletscher waren, entstehen sprudelnde Grundwasserquellen. Eine Forschungsgruppe hat diese Quellen untersucht und eine beunruhigende Entdeckung gemacht: Sie enthalten Methan, das in die Atmosphäre gelangen kann, berichten die Forschenden im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

Methan ist ein Treibhausgas. Es entsteht, wenn organisches Material abgebaut wird, ohne dass Luft vorhanden ist – zum Beispiel in den Mägen von Kühen, aber auch unterirdisch im Boden. Dass Methan aus dem arktischen Boden freigesetzt wird – etwa wenn der Permafrost schmilzt – ist schon länger bekannt. Nun zeigen die neuen Forschungsergebnisse einen weiteren Weg, wie Methan in die Atmosphäre gelangen und so zum Klimawandel beitragen kann.

Forscherin Gabrielle Kleber kniet im Schnee eingehüllt in eine blaue Winterjacke hinter einer der Grundwasserquellen, die sie erforscht. Das Wasser sprudelt aus dem Boden und sie entnimmt eine Wasserprobe mit einer Spritze. Im Hintergrund sind schneebedeckte Berge.

Grundwasserquelle auf Spitzbergen

Für ihre Forschung mussten Gabrielle Kleber von der Cambridge University und ihr Team die Grundwasserquellen bei ehemaligen Gletschern erst einmal finden. Das war nicht immer einfach: Auf Satellitenbildern hielten sie nach blauen Rinnsalen aus Eis Ausschau, die verraten, dass hier Grundwasser an die Oberfläche gesickert und gefroren ist. Dann fuhren sie per Schneemobil zu 123 Quellen und sammelten Wasserproben ein, die sie anschließend im Labor analysierten. In allen Proben bis auf einer war das Wasser übersättigt mit Methan: Es ist mehr Methan im Wasser, als es aufnehmen kann – und wenn das Wasser an die Oberfläche gelangt, wird das überschüssige Methan in die Atmosphäre freigesetzt.

Entscheidend für diesen Prozess ist vor allem, aus welchem Material der Boden besteht: Schichten wie Kohle und Schieferstein enthalten Methan, das durch Risse im Gestein ins Grundwasser gelangt. Bislang hatte das wenig Auswirkungen: Der Gletscher übte so viel Druck auf den Boden aus, dass das Grundwasser unterirdisch blieb. Sobald er jedoch schmilzt, ist dieser Druck weg und das methanhaltige Grundwasser kann an die Oberfläche gelangen.

Die Forschenden konnten verschiedene Hotspots für Methanemissionen ausfindig machen. 2000 Tonnen Methan könnten auf diese Weise innerhalb eines Jahres auf Spitzbergen freigesetzt werden, berechneten sie. Das entspräche etwa zehn Prozent dessen, was in Norwegen jährlich durch die Öl- und Gasindustrie an Methan in die Atmosphäre gelangt. Laut Kleber und ihrem Team ist diese Form der Methanemission noch nicht in weltweite Berechnungen zum Klimawandel eingeflossen – könnte ihn aber verschärfen. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Methanemissionen durch schmelzende Gletscher in der Arktis schneller steigen werden als gedacht.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/arktis-schmelzende-gletscher-setzen-methan-frei/