Der Fluss der Energie

Hermann-Friedrich Wagner

Im täglichen Leben wird die Fähigkeit der Energie, Arbeit zu verrichten, dazu benutzt, um sehr viele Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Ein Beispiel ist der Transport von Personen und Gütern etwa durch Autos, Eisenbahnen, Schiffe oder Flugzeuge.

Andere Beispiele sind die Beheizung und Beleuchtung von Häusern, die Arbeit von Motoren, Pumpen und sonstigen Anlagen wie beispielsweise Kühlgeräte oder Schmelzöfen in den Industriebetrieben, die Nutzung medizinischer Geräte in Kliniken oder die gesamte moderne Kommunikation. Auch das Wachstum der Pflanzen und das Leben aller anderen Organismen wären ohne die ständige Zufuhr von Energie nicht möglich.

Wie kommt Energie dorthin, wo sie gebraucht wird?

Energie wird mithilfe sogenannter Energieträger transportiert. Bei den Pflanzen ist es das Sonnenlicht, die Energie wird also durch die elektromagnetische Strahlung der Sonne zugeführt. Für Heizungen werden Öl, Gas, Kohle, Strom oder Fernwärme als Energieträger eingesetzt. Viele Geräte, die wir täglich benutzen, würden ohne elektrischen Strom ebenso wenig funktionieren wie das Verkehrsnetz der Deutschen Bahn. Andere Transportsysteme benötigen eine ständige Zufuhr von Treibstoffen wie Benzin, Diesel oder Kerosin für den Luftverkehr.

Die Grafik zeigt den Einsatz der Primärenergie in Deutschland. Links ist mit einem großen Pfeil veranschaulicht, wie sich die Primärenergie auf die Endenergie für Industrie, Verkehr, Haushalte, Handel und Gewerbe sowie Umwandlungsverluste und nicht energetischen Verbrauch aufspaltet. In der Mitte der Grafik ist dargestellt, wie sich die Endenergie wiederum auf verschiedene Sektoren aufteilt. Hierzu zählen Antriebsenergie, Beleuchtung, Raumwärme und Kommunikation. Ganz rechts sind die hierzu passenden Energiedienstleistungen aufgeführt. Dazu gehören die Temperierung von Räumen, die Herstellung von Industrieprodukten, die Gewährleistung von Mobilität und Computer- und Serverbetrieb.

Energiefluss in Deutschland 2015

Energieträger wie Heizöl, verschiedene Treibstoffe und Strom müssen durch technische Prozesse erst erzeugt werden, denn sie kommen in der Natur nicht vor – im Gegensatz zu Sonnenlicht, Wind, Wasserkraft, Kohle, Erdöl oder Erdgas. Aus diesem Grund werde diese auch Primärenergien genannt. Sie sind die Quellen, die unser sehr komplexes Energiesystem speisen, an dessen Ende die vielfältigen Dienstleistungen stehen, welche die vier Endenergiesektoren Wirtschaft, Verkehr, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen (GHD) und Haushalte benötigen.

Von den vielfältigen Energiedienstleistungen hängt es ab, wie viel Primärenergie benötigt wird, um das gesamte Energiesystem kontinuierlich am Laufen zu halten. Dazu werden die Primärenergien mithilfe unterschiedlicher technischer Prozesse in Energieträger umgewandelt. Energieträger werden deshalb auch als Sekundärenergien bezeichnet. In einigen Fällen wie bei Kohle, Gas oder Sonnenlicht als Lichtquelle können Primärenergie und Energieträger identisch sein.

Als zusätzliche Primärenergiequelle ist die Kernenergie verfügbar. Dazu wird die Energie genutzt, die bei Kernreaktionen schwerer chemischer Elemente erzeugt wird. Hierzu gehört vor allem Uran, denn bei der Spaltung des Atomkerns von Uran-235 wird Energie in Form von Wärme freigesetzt. Die wird in Kernkraftwerken genutzt, um mit Hilfe von Dampfturbinen elektrischen Strom zu erzeugen, ganz ähnlich wie bei einem Kohle- oder Gaskraftwerk.

Als weiterer Energieträger könnte sich aller Voraussicht nach Wasserstoff für unser Energiesystem etablieren. Aber auch Wasserstoff muss aus Primärenergie über Umwandlungstechniken gewonnen werden. Wasserstoff ist also keine Energiequelle sondern ein Medium, das sehr umweltfreundlich in Wärme oder Strom umgewandelt werden kann.

Wirkungsgrade so hoch wie möglich

Beispiele für solche Umwandlungstechniken sind Kraftwerke, in denen etwa aus fossilen Energien wie Kohle oder Gas elektrischer Strom erzeugt wird und Erdölraffinerien zur Gewinnung von Benzin, Diesel oder Heizöl. Solarzellen, Windrotoren oder Wasserkraftwerke wandeln dagegen erneuerbare Energien in Strom um.

In einem Kuchendiagramm ist die Energiebilanz Deutschlands dargestellt.

Energieverbrauch in Deutschland 2017

Der Weg von der Primärenergie bis zum Endverbraucher ist mit unterschiedlich großen Umwandlungsverlusten verbunden. Diese hängen von den Wirkungsgraden der eingesetzten Umwandlungstechniken ab. So nutzen etwa moderne, mit Steinkohle befeuerte Dampfkraftwerke im Durchschnitt nur etwa 47 Prozent der eingesetzten Primärenergie für die elektrischer Energieerzeugung, der Rest erscheint in Form von Wärme, die als Verlust beispielsweise über Kühltürme abgeführt wird. Bei einer elektrischen Widerstandsheizung wird jedoch fast die gesamte elektrische Energie in Heizwärme umgesetzt. Solch hohe Wirkungsgrade sind leider die Ausnahme. Ein Auto etwa verwendet nur einen kleinen Teil der im Treibstoff gespeicherten Energie für seine Bewegung.

In der Sprache der Energietechnik wird die eingesetzte Primärenergie zum einen über die Endenergie (zum Beispiel Raumwärme, mechanische Energie oder Licht) in die sogenannte Nutzenergie (zum Beispiel Anzahl der Quadratmeter an beheizter Wohnfläche oder die Anzahl der Kilometer beim Transport auf der Schiene) umgewandelt. Zum anderen geht die Primärenergie als Verlustenergie der Nutzung verloren.

Dieses Schema gilt allgemein für unser Energiesystem. In Zahlen ausgedrückt wurden 67,1 Prozent der Primärenergie im Jahr 2015 in Endenergie umgesetzt. Die Umsetzung in Nutzenergie reduziert diese Zahl noch einmal, abhängig von den energetischen Wirkungsgraden der verwendeten Techniken, zum Beispiel in Waschmaschinen, Kühlschränken, Elektroherden, LKW, Klimaanlagen oder der Straßenbeleuchtung.

Seit jeher sind Ingenieure deshalb seit jeher bemüht, die Umwandlungsverluste des Energiesystems soweit wie möglich zu verringern, indem sie die Wirkungsgrade der Umwandlungsprozesse stetig verbessern. Hierbei spielt die genaue Kenntnis der zugrunde liegenden Physik oftmals eine sehr wichtige Rolle.

Insgesamt ist zu beobachten, dass nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie der Primärenergieverbrauch pro Einwohner in Deutschland von 1990 bis zum Jahr 2016 um 13,6 Prozent gesunken ist.

Wie viel Energie wird benötigt?

Die Grafik zeigt ein Säulendiagramm. Für die Jahre 1971 bis 2018 ist dargestellt, wie die einzelnen Energiesektoren zum gesamten Energiebedarf beitrugen.

Weltenergiebedarf bis 2018

Der Bedarf an Energie steigt weltweit immer weiter an. Er hat sich nach Angaben des Energieunternehmens BP vom Juni 2017 seit 1971 von 207 Exajoule bis 2016 auf 556 Exajoule weit mehr als verdoppelt. Es dominieren nach wie vor die fossilen Energiequellen Öl, Erdgas und Kohle, bei deren Verbrennung klimaschädliches Kohlendioxid entsteht.

Erneuerbare Energien und die Kernenergie als nicht-fossile Energiequellen hingegen hatten 2016 mit zusammen 14,6 Prozent einen deutlich kleineren Anteil an der Deckung des Weltenergiebedarfs. Der deutsche Anteil am Weltprimärenergiebedarf betrug 2016 mit 13,4 Exajoule nur etwas mehr als zwei Prozent. Bei einer Bevölkerung von 82,5 Millionen entsprach das einem Primärenergiebedarf von etwa 162 Gigajoule oder etwa 45 000 Kilowattstunden pro Kopf.

Dabei spielen die fossilen Energien bei der Primärenergieversorgung die tragende Rolle. So betrug nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Jahr 2016 allein der Anteil des Mineralöls vor allem für den Verkehr, aber auch für die Beheizung unserer Gebäude, etwa 34 Prozent des Gesamtbedarfs an Primärenergie. Die übrigen Beiträge kamen von Erdgas, Braunkohle, Steinkohle, aus Kernenergie, sowie mit einer Steigerung von 11,5 Prozent im Jahr 2015 auf 12,6 Prozent von Wind und Wasserkraft und von Photovoltaik, Brennholz, Brenntorf, Klärschlamm, Müll oder sonstigen erneuerbaren Energien.

Die Abbildung zeigt ein Spaltendiagramm, das die Zusammensetzung des Primärenergiebedarfs in Deutschland zeigt. Der Energiebedarf ist in Petajoule angegeben.

Primärenergiebedarf Deutschland bis 2018

Der relativ klein erscheinende Anteil der erneuerbaren Energien ist dadurch begründet, dass die Berechnung der Primärenergie nach der sogenannten Wirkungsgradmethode erfolgt. Dieses Prinzip wird angewendet, um verschiedene Primärenergien miteinander in ihrer Erzeugung von Nutzungsenergie vergleichen zu können. Dazu wird zum Beispiel die Stromerzeugung aus Wasserkraft und aus anderen erneuerbaren Energiequellen sowie das Stromaußenhandelssaldo (Import und Export von Elektrizität) zur Ermittlung der entsprechenden Menge an Primärenergie mit dem Faktor 3600 Kilojoule/Kilowattstunden multipliziert und damit auf einem Wirkungsgrad von 100 Prozent umgerechnet. Auf diese Weise wird

Neben der Wirkungsgradmethode gibt es die sogenannte Substitutionsmethode. Bei dieser Methode wird als Primärenergieäquivalent für Strom aus Wasserkraft, Windenergie und Photovoltaik der Brennstoff angegeben. Dieser wird durch die Stromerzeugung des jeweiligen Energieträgers in konventionellen Kraftwerken ersetzt.

Zur Ermittlung des Primärenergieäquivalents für Strom aus Biomasse wird bei beiden Methoden ein sogenannter durchschnittlicher Substitutionsfaktor angewandt. Er wird ermittelt aus dem Verhältnis der für die Stromerzeugung in öffentlichen Kraftwerken eingesetzten fossilen Brennstoffe zur Bruttostromerzeugung aus diesen Energieträgern.

Energieforschung: Eine Herausforderung auch für die Physik

Insgesamt stellt das Energiesystem eines modernen Industriestaates ein sehr komplexes Gebilde dar, das stets zuverlässig und ohne Störungen funktionieren soll. Strom kommt stets aus der Steckdose und Treibstoffe haben zwar an der Tankstelle immer wieder unterschiedliche Preise, sind aber immer ausreichend vorhanden. Das Gleiche gilt für ausreichend geheizte Wohnungen oder Büroräume. Wie sehr unsere tägliche Welt von den verschiedenen Formen von Energiedienstleistungen geprägt wird, ist im Alltag oft wenig ersichtlich. Dabei sind zwei grundlegende Dinge zu bemerken: Erstens sind wir stark abhängig von der Einfuhr von Energie in Form von Öl und Gas, aber auch von preiswerter Steinkohle, und zweitens ist die Nutzung von Energie oft mit erheblichen Umweltbeeinträchtigungen verbunden wie der Erzeugung von Kohlendioxid bei den Verbrennungsprozessen, die unser Klima langfristig empfindlich verändern können.

Die Erforschung und Entwicklung neuer Energietechniken, die aufgrund höherer Wirkungsgrade erheblich weniger Energie für die gleiche Dienstleistung einsetzen und die Umwelt damit weniger belasten, hat deshalb auch für die Physik einen sehr hohen Stellenwert.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/energie/ueberblick/fluss-der-energie/