Arrokoth – alt, aber gut erhalten

Rainer Kayser

Am 1. Januar 2019 passierte die Raumsonde New Horizons im Abstand von 3500 Kilometern Arrokoth – einen kleinen Himmelskörper des Kuipergürtels. Mit einer Entfernung von 6,6 Milliarden Kilometern ist Arrokoth damit das entfernteste Objekt, das bislang von einer irdischen Raumsonde besucht wurde. Erste Bilder und Daten zeigten im vergangenen Jahr, dass Arrokoth aus zwei miteinander verbundenen, relativ flachen Einzelkörpern besteht. Zudem schien der Himmelskörper seit seiner Entstehung vor 4,5 Milliarden Jahren relativ unverändert geblieben zu sein. Inzwischen konnten die an der Mission beteiligten Forscher zehnmal mehr Daten auswerten. Wie sie nun im Fachblatt „Science“ berichten, sind offenbar beide Teile von Arrokoth gemeinsam durch einen lokalen Kollaps in der Gas- und Staubwolke um die junge Sonne entstanden.

Die Aufnahme zeigt den Himmelskörper Arrokoth. Er besteht aus zwei miteinander verbundenen, relativ flachen Einzelkörpern.

Arrokoth

Der Kuipergürtel ist eine ringförmige Region außerhalb der Neptunbahn, die sich etwa bis zur 50-fachen Entfernung zwischen Erde und Sonne ins All hinaus erstreckt. Sie enthält vermutlich über 70 000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als hundert Kilometern sowie viele kleinere Objekte. Das größte bekannte Objekt im Kuipergürtel ist der Zwergplanet Pluto. Er war auch das erste Ziel der Anfang 2006 gestarteten Raumsonde, die Pluto und seine fünf Monde im Sommer 2015 passierte. Anschließend richteten Forscher den Kurs von New Horizons auf den im Sommer 2014 mit dem Weltraumteleskop Hubble entdeckten Kleinkörper Arrokoth, der vorrübergehend auch als 2014 MU69 oder Ultima Thule bezeichnet wurde.

„Arrokoth zeigt nur wenige Krater auf seiner Oberfläche“, schreiben John Spencer vom Southwest Research Institute in Boulder und seine Kollegen. „Das deutet darauf hin, dass seine Oberfläche seit der Entstehungszeit des Sonnensystems unverändert geblieben ist.“ Die beiden nicht kugelförmigen, sondern stark abgeflachten Teile des Himmelskörpers sind 19,5 Kilometer und 14,2 Kilometer groß. Die Polachsen der beiden Komponenten verlaufen parallel zueinander – und das deute auf ein langsames Verschmelzen der beiden zunächst unabhängigen Objekte hin, so die Forscher.

Dieses Modell bestätigten William McKinnon von der Washington University in St. Louis und seine Kollegen nun mithilfe von Computersimulationen. „Dank der in Bezug auf Dynamik und Zusammenstöße gutartigen Umgebung des Kuipergürtels ist die Doppelstruktur Arrokoths seit ihrer Entstehung unverändert erhalten geblieben“, so die Forscher, „und das erlaubt Rückschlüsse auf die Akkretionsprozesse im frühen Sonnensystem.“ Demnach seien die beiden Komponenten aus einer lokalen Verdichtung der Gas- und Staubwolke um die junge Sonne entstanden.

Dieses Szenario bestätigten auch Will Grundy vom Lowell Observatory in Flagstaff und seine Kollegen durch Untersuchungen der Oberflächenbeschaffenheit von Arrokoth. „Es gibt nur geringe regionale Variationen in der Farbe und im Spektrum“, schreiben die Wissenschaftler. Die Oberfläche des Himmelskörpers zeigt eine rötliche Farbe und ist offenbar von Methanoleis und bislang nicht identifizierten komplexen organischen Molekülen bedeckt. Derartige Stoffe können, so die Forscher, unter dem Einfluss der kosmischen Strahlung aus Wasser- und Methaneis entstehen. Solche Reaktionen könnten auch der Grund dafür sein, dass New Horizons kein Wassereis auf der Oberfläche von Arrokoth nachweisen konnte.


Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/arrokoth-alt-aber-gut-erhalten/