„Tiefer ins All lauschen“

Dirk Eidemüller

Dargestellt sind zwei Neutronensterne und die bei der Verschmelzung abgestrahlten Gravitationswellen.

T. Dietrich/S. Ossokine/H. Pfeiffer/A. Buonanno/Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/BAM-Kollaboration

Am 1. April startet das Gravitationswellenobservatorium LIGO in den USA seine dritte Messkampagne, die ein ganzes Jahr dauern soll. Die Detektoren sind nun noch empfindlicher und so erwarten die beteiligten Forscher, künftig wesentlich häufiger Verschmelzungen von Schwarzen Löchern und weitere Kollisionen von Neutronensternen zu entdecken. Welt der Physik sprach darüber mit Karsten Danzmann vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover.

Für den neuen Beobachtungslauf wurden viele Systeme bei LIGO überarbeitet. Wie wirkt sich das auf die Leistung des Detektors aus?

Foto von Karsten Danzmann

Karsten Danzmann

Karsten Danzmann: LIGO besteht ja aus zwei Detektoren, einer in Hanford im Nordwesten der USA und einer in Livingston im Südosten. Dank höherer Laserleistung, einer neuen Optik mit weniger Spiegelverlusten und optimierter Detektortechnik ist es der Kollaboration gelungen, die Leistungsfähigkeit beider Observatorien um mehr als ein Drittel zu erhöhen. Außerdem setzen beide Stationen nun „gequetschtes Licht“ ein – eine Spezialität, die wir hier in Hannover entwickelt haben. Damit lässt sich eine bestimmte Art von Rauschen unterdrücken und die Leistung bei Frequenzen oberhalb von einigen Hundert Hertz deutlich verbessern.

Wie tief können Sie mit LIGO nun ins All lauschen?

Eine Steigerung um ein Drittel klingt zunächst nicht atemberaubend. Es bedeutet aber, das wir in alle Raumrichtungen um etwa ein Drittel tiefer ins All lauschen können. So lässt sich ein doppelt bis dreimal so großes Volumen überwachen. Bis zu welcher Distanz genau wir etwas finden können, hängt natürlich auch davon ab, wie heftig das Ursprungsereignis war. Aber wir sollten das Verschmelzen von Neutronensternen bis in eine Entfernung von über 400 Millionen Lichtjahren nachweisen können und Verschmelzungen von Schwarzen Löchern bis zu mehr als sieben Milliarden Lichtjahren.

Dadurch müssten sich dann auch mehr Ereignisse nachweisen lassen als bisher, oder?

Ja, statt rund einem Ereignis pro Monat – das entspricht ungefähr der Rate des bisherigen Systems – sollten Verschmelzungen von Schwarzen Löchern nun etwa einmal pro Woche zu sehen sein. Neben LIGO trägt auch das italienische Gravitationswellenobservatorium Advanced Virgo zur Messkampagne bei, die rund ein Jahr laufen soll. Am Ende der Kampagne stößt vielleicht auch erstmals der neue japanische Detektor KAGRA hinzu. Anschließend stehen weitere Aufrüstarbeiten an, bei denen wir die Empfindlichkeit der Instrumente schrittweise weiter verbessern wollen.

Strahlengang von Lasern in zwei senkrecht zueinander stehenden Armen eines Detektors durch wellenförmige Strahlen angedeutet, ebenso wie ein neues Wellenmuster, wenn die wieder aufeinander treffen.

Prinzip des Gravitationswellendetektors

Bleiben wir erst einmal bei der aktuellen Messkampagne. Was hoffen Sie am Sternenhimmel zu „hören“?

Wir haben erst wenige Ereignisse nachweisen können und alle diese Entdeckungen waren so nicht geplant und werfen Fragen auf. So haben wir einige Verschmelzungen von überraschend massereichen Schwarzen Löchern aufgespürt. Wie diese Objekte so schwer werden konnten, ist bislang unklar. Denn die üblichen Modelle der Sternentwicklung führen eigentlich zu deutlich leichteren Schwarzen Löchern und nicht zu solchen Riesen mit vierzig Sonnenmassen und darüber. Und es ist unwahrscheinlich, dass sich Schwarze Löcher in den riesigen Weiten des Weltalls zufälligerweise treffen, miteinander verschmelzen und dadurch wachsen. Mit den kommenden Daten werden wir hoffentlich sehr viel mehr über diese eigenartigen Objekte herausfinden.

Welche Objekte stehen noch auf der Beobachtungsliste?

Wir hoffen natürlich darauf, weitere Verschmelzungen von Neutronensternen zu finden. Im Gegensatz zu verschmelzenden Schwarzen Löchern ist dabei Materie beteiligt, weshalb elektromagnetische Strahlung freigesetzt wird. Das Ereignis, das wir 2017 nachgewiesen haben, ließ sich weltweit mit siebzig anderen Teleskopen beobachten. Wir wissen aber nicht, ob das ein glücklicher Zufall war und ob solche Ereignisse extrem selten sind oder aber regelmäßig auftreten. Theoretisch ließen sich auch bestimmte Supernovae nachweisen, falls die Explosion im Innern des Sterns nicht symmetrisch verläuft. Aber das Signal wäre sehr viel schwächer. Eine solche Sternexplosion müsste innerhalb unserer Galaxie, der Milchstraße, stattfinden, und zwar in unserer Hälfte.

Rechnen Sie persönlich mit Überraschungen?

Vielleicht haben wir es bei einigen Verschmelzungen gar nicht mit Schwarzen Löchern zu tun, sondern mit exotischen Himmelskörpern wie etwa Grava-Sternen oder anderen Gebilden, die von Theoretikern zur Lösung unverstandener Rätsel vorgeschlagen wurden. Wenn wir die Signale solcher Verschmelzungen möglichst exakt aufnehmen, finden wir im „Nachklingen“ vielleicht Hinweise darauf, ob es sich um eine bislang unbekannte Kategorie von Himmelskörpern handelt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/tiefer-ins-all-lauschen/