Längste jemals gemessene Halbwertszeit

Dirk Eidemüller

Die Aufnahme zeigt viele runde Obejekte, die in einem Kreis angeordnet sind.

XENON1T

Der radioaktive Zerfall von Xenon-124 ist so selten, dass Forscher seine Halbwertszeit bislang nicht bestimmen konnten. Es ließ sich lediglich theoretisch vorhersagen, dass das Isotop instabil sein muss. Doch mit dem Detektor XENON1T ist es Wissenschaftlern nun erstmals gelungen, den Zerfall nachzuweisen. Wie sie im Fachjournal „Nature“ berichten, beträgt die beobachtete Halbwertszeit etwa 18 Trilliarden Jahre. Das ist nicht nur rund eine Billion Mal älter als das Universum, es ist auch die längste Halbwertszeit, die je gemessen wurde.

Die Wissenschaftler bestimmten die Halbwertszeit des Zerfalls von Xenon-124 zu Tellurium-124 über den sogenannten doppelten Elektroneneinfang – einer seltenen Variante des Betazerfalls. Beim normalen Betazerfall wandelt sich in einem Atomkern entweder ein Neutron in ein Proton um und setzt dabei ein Elektron und ein Antineutrino frei. Oder ein Proton zerfällt in ein Neutron, wobei ein Positron und ein Neutrino freigesetzt werden. In seltenen Fällen kann ein Betazerfall aber auch durch einen sogenannten Elektroneneinfang stattfinden. Dabei wandelt sich ein Proton im Atomkern in ein Neutron um, indem es ein Elektron aus einer der inneren Schalen einfängt und ein Neutrino freisetzt. Während des Zerfalls von Xenon-124 findet dieser Prozess sogar zweimal gleichzeitig im Atomkern statt. Da der Zwischenzustand, den der Kern während des Zerfalls einnehmen müsste, energetisch aber nicht erlaubt ist, findet der Zerfall so selten statt.

Um den seltenen Zerfall dennoch nachzuweisen, benötigten die Forscher einerseits sehr viele Xenonatome. Andererseits mussten sie andere, häufiger auftretende Ereignisse ausschließen können. Dies gelang ihnen am Experiment XENON1T, welches sich eigentlich der Suche nach Dunkler Materie widmet. Insgesamt befinden sich 3200 Kilogramm flüssiges Xenon bei einer Temperatur von minus 95 Grad Celsius in diesem Detektor. Das Edelgas besteht aus vielen verschiedenen Isotopen, sodass Xenon-124 nur etwa 1,5 Kilogramm davon ausmacht. Zugleich wird das gesamte Experiment aufwendig gegen äußere Einflüsse – insbesondere die kosmische Höhenstrahlung – abgeschirmt. Dafür befindet es sich zusammen mit anderen hochempfindlichen Experimenten tief unter der Erde in einer ehemaligen Mine im italienischen Teilchenphysiklabor Gran Sasso.

Nachweisen ließ sich der doppelte Elektroneneinfang im Detektor durch beim Zerfall abgegebene elektromagnetische Strahlung und durch Elektronen, die währenddessen aus den Atomen geschlagen wurden. Der Zerfall von Xenon-124 ist damit der dritte doppelte Elektroneneinfang, den Wissenschaftler nachweisen konnten. Auch Krypton-78 und Barium-130 zeigen diesen speziellen Betazerfall, allerdings mit kürzeren Halbwertszeiten. Ein weiteres Ziel der Wissenschaftler ist, den bislang noch hypothetischen neutrinolosen Doppelbetazerfalls nachzuweisen, der noch seltener stattfinden sollte als der jetzt beobachtete Zerfall.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2019/laengste-jemals-gemessene-halbwertszeit/