Für eine neue Welt der Physik: 7,2 Millionen nach Heidelberg

Prof. Karlheinz Meier: "Die größten Experimente, die die Menschheit je gemacht hat" - Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Grundlagenforschung in der Teilchenphysik an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität

Heidelberg - "Das werden die größten Experimente, die die Menschheit je gemacht hat", wagt Professor Karlheinz Meier vom Kirchhoff-Institut für Physik (KIP) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg einen Blick in die Zukunft. Schließlich werden in den kommenden Jahren an großen Teilchenbeschleunigern, wie etwa dem CERN in Genf, verschiedene Versuche stattfinden, welche die Welt der Physik verändern könnten. Dabei werden die deutschen Physiker finanziell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) kräftig unterstützt. Stellt das Ministerium doch in den nächsten drei Jahren insgesamt 75 Millionen Euro für die Grundlagenforschung in der Teilchenphysik zur Verfügung. Die ersten Mittel in Höhe von 32 Millionen Euro wurden nun für drei Forschungsschwerpunkte vergeben, wobei die am Heidelberger Physikalischen Institut und am KIP ansässigen Projekte insgesamt mit 7,2 Millionen Euro gefördert werden.

"Besonders bemerkenswert ist dabei, dass das BMBF ein völlig neues Förderinstrument einsetzt", erläutert Karlheinz Meier. Denn nicht die Einzelprojekte der beteiligten Institute werden gefördert, sondern Forschungsschwerpunkte, womit die Kooperation der deutschen Gruppen in überregionalen Forschungsnetzwerken verbessert werden soll. Dementsprechend sind an den drei geförderten Projekten ATLAS, CMS und ALICE auch insgesamt 17 Universitäten und das Max-Planck-Institut für Physik in München beteiligt. Dabei ist als einzige Universität die Ruperto Carola in zwei Projekten vertreten, nämlich in ATLAS und ALICE.

"Bei dem ATLAS-Projekt handelt es sich um Hochenergiephysik im wahrsten Sinne des Wortes", erklärt Physiker Karlheinz Meier. Denn bei diesen Experimenten werden Protonen mit einer Spannung von 14 Tera-Volt (14.000 Milliarden Volt) beschleunigt. Die dabei gewonnene Bewegungsenergie wird genutzt, um neue Arten von Materie zu erzeugen. Hintergrund dieses Experimentes, für das der Large Hadron Collider (LHC) des CERN mit 1200 supraleitenden Magneten, die mit flüssigem Helium gekühlt werden, ausgestattet wurde, ist es beispielsweise herauszufinden, ob es mehr als die uns geläufigen drei Dimensionen gibt. Damit sollen Theorien überprüft werden, nach denen beispielsweise weitere sechs Dimensionen existieren.

Aber auch die Zusammensetzung der Dunklen Materie, aus der mehr als ein Fünftel des Universums besteht, wird mit diesem Experiment untersucht. "Die Physiker vermuten, dass die Dunkle Materie aus so genannten supersymmetrischen Teilchen zusammengesetzt sein könnte", zeigt Karlheinz Meier den Hintergrund des Experimentes auf. Supersymmetrische Teilchen sind vergleichbar den uns bekannten Teilchen, jedoch unterscheiden sie sich von diesen geringfügig, indem ihr so genannter Spin um eine halbe Zahl verschoben ist. Ihr experimenteller Nachweis ist bisher allerdings nicht gelungen.

Darüber hinaus soll auch ganz irdischen Phänomenen bei dem Atlas-Projekt nachgegangen werden, nämlich der Trägheit der Masse. Hierfür werden die Higgs-Bosonen verantwortlich gemacht. Jedoch sind diese bisher nur theoretisch bekannt und sollen ebenfalls erstmals in Experimenten nachgewiesen werden.

Bei dem Forschungsschwerpunkt ALICE, dessen Sprecherin die Heidelberger Professorin Johanna Stachel vom Physikalischen Institut ist, werden im Gegensatz zum ATLAS-Projekt keine Protonen, sondern Schwerionen beschleunigt. Die Struktur der aus Protonen und Neutronen bestehenden Atomkerne der Ionen löst sich aufgrund der riesigen Energien und Temperaturen auf und es wird erwartet, dass ein Quark-Gluon-Plasma entsteht. "Aus diesem Plasma sollen dann wieder Protonen und Neutronen ausgefroren werden", beschreibt Karlheinz Meier die Vorgänge bei dem ALICE-Projekt. Damit soll es gelingen, die physikalischen Prozesse aus der Frühzeit des Universums, als dieses nicht einmal eine Hundertstel Sekunde alt war, näher zu ergründen.

Doch nicht nur die Zusammenarbeit der deutschen Gruppen wird durch die Projekte an den Teilchenbeschleunigern gefördert, denn ATLAS und ALICE sind wahrlich internationale Forschungsvorhaben. So wirken alleine bei ATLAS 1800 Physiker von 150 Instituten aus 35 Ländern bei den Experimenten mit, und bei ALICE sind es etwa 1000 Physiker aus 28 Ländern, die einen Einblick in eine neue Welt der Physik gewinnen wollen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/nachrichten/2006/fuer-eine-neue-welt-der-physik-72-millionen-nach-heidelberg/