Prozessor aus Nanoröhrchen

Jan Oliver Löfken

Nahaufnahme des Prozessors

M. Shulaker/MIT

In heutigen Computerprozessoren stecken mehr als eine Milliarde Transistoren – elektronische Bauelemente, die als winzige Schalter fungieren: Sie schalten elektrische Ströme innerhalb des Prozessors ein oder aus und ermöglichen so letztlich das Ausführen von verschiedenen Rechenoperationen. Bisher bestehen solche Schaltkreise aus Silizium. In der Zeitschrift „Nature“ stellen Wissenschaftler nun einen funktionstüchtigen Prozessor aus halbleitenden Kohlenstoffnanoröhrchen vor. Diese Technologie biete eine vielversprechende Alternative. Denn prinzipiell ließen sich Transistoren aus Nanoröhrchen sowohl kleiner herstellen als auch sparsamer betreiben als ihre Gegenstücke aus Silizium.

Vor 21 Jahren gelang es Forschern erstmals, einen Transistor aus Kohlenstoffnanoröhrchen herzustellen. Max Shulaker vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und seine Kollegen fügten nun mehr als 14 000 solcher Bauelemente zu einem Prozessor zusammen. Dazu deponierten sie Tausende der halbleitenden Nanoröhrchen ungeordnet auf einer hochreinen und glatten Unterlage. Auf diesen Wirrwarr aus Röhrchen setzte das Team eine Vielzahl von metallischen Elektroden, streng symmetrisch angeordnet. Ein Großteil der Nanoröhrchen berührte mindestens eine dieser Metallelektroden und bildete so eine halbleitende Brücke zwischen einzelnen Elektroden.

Auf diese Weise entstanden Tausende von Transistoren, die sich entweder mit negativen oder mit positiven Spannungen von knapp zwei Volt ansteuern ließen. Jeweils zwei dieser Transistoren bildeten nun die grundlegenden Schalteinheiten des neuen Prozessors und erlaubten es, logische Operationen durchzuführen. Mit einem kleinen Computerprogramm, das Shulaker und seine Kollegen auf ihrem Prototyp laufen ließen, stellten sie die Funktionstauglichkeit ihres Prozessors schließlich unter Beweis. Das Programm generierte erfolgreich den Text: „Hello, world! I am RV16XNano, made from CNTs.“

Der neuartige Prozessor reicht längst noch nicht an die Leistungsfähigkeit von konventionellen Siliziumchips heran: Mit knapp zehn Nanoröhrchen pro Mikrometer ist der Prototyp etwa mit Intel-Prozessoren aus dem Jahr 1985 vergleichbar. Doch die Länge der genutzten Nanoröhrchen lässt sich prinzipiell von derzeit einigen Hundert auf bis zu fünf Nanometer reduzieren. Zudem wollen die Forscher die Röhrchendichte auf bis zu 500 Röhrchen pro Mikrometer steigern. Gelingen diese Schritte, lockt ein neuer Typ von Prozessor, der in Zukunft eine höhere Transistordichte bei zugleich geringerem Strombedarf als Siliziumprozessoren aufweisen könnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2019/prozessor-aus-nanoroehrchen/