„Ultraschnelle Entmagnetisierung“

Jana Harlos

Auf dem Bild ist eine schematische Darstellung der Photoelektronenspektroskopie zu sehen. Zwei kurze Laserpulse treffen nacheinander auf Kobalt. Mit einem Spektrometer lässt sich die Elektronenstruktur detektieren.

Alle Ferromagnete haben eines gemeinsam: Ihre Atome verhalten sich wie winzige Stabmagnete, die sich parallel zueinander ausrichten. Diese Anordnung ihrer magnetischen Momente kann sich allerdings ändern, beispielsweise durch Erhitzen. Steigt die Temperatur über einen gewissen Wert, richten sich die magnetischen Momente der Atome zufällig aus – der Stoff wird paramagnetisch. Wie sich die Elektronen im Material bei einem solchen Phasenübergang verhalten, haben Physiker nun in Kobalt untersucht. Welt der Physik sprach mit Stefan Mathias von der Universität Göttingen über die neuen Experimente.

Welt der Physik: Was ist der Unterschied zwischen Ferromagnetismus und Paramagnetismus?

Stefan Mathias: Ferromagnete sind die Magnete, die wir uns typischerweise im Alltagsleben vorstellen. In einem Ferromagnet tritt spontane Magnetisierung auf. Dabei richten sich alle magnetischen Momente der Atome im Material in die gleiche Richtung aus. Das magnetische Moment eines Atoms hat seinen Ursprung zum einen in der Eigendrehung der Elektronen – dem Spin – und zum anderen in der Bewegung der Elektronen um den Atomkern. Die magnetischen Momente eines Paramagneten richten sich nicht spontan aus – sie sind ungeordnet.

Das Bild zeigt Stefan Mathias, der an der Universität Göttingen an ultraschnellen Phänomen in Festkörpern forscht.

Stefan Mathias von der Universität Göttingen

Wovon hängt es ab, ob ein Material ferromagnetisch oder paramagnetisch ist?

Das hängt vom Material und seiner Temperatur ab. Typische Ferromagneten sind Eisen, Kobalt und Nickel. Erhöht man die Temperatur eines Ferromagneten, löst sich die parallele Ausrichtung eines Ferromagneten auf – bis er nur noch paramagnetisches Verhalten zeigt. Dieser Phasenübergang – die Entmagnetisierung – tritt bei einer bestimmten Grenztemperatur auf, die man als Curie-Temperatur bezeichnet.

Wovon hängt die Curie-Temperatur ab?

Die Curie-Temperatur ist eine Materialeigenschaft, die sehr stark von der Wechselwirkung der magnetischen Momente im Material selbst abhängt. Bei Kobalt, was wir untersucht haben, liegt die Temperatur bei etwa 1130 Grad Celsius – ist also sehr hoch. Die Curie-Temperaturen der verschiedenen Materialen erstrecken sich über den gesamten Temperaturbereich. Es gibt auch viele Materialien, deren Curie-Temperatur weit unter Raumtemperatur liegt.

Warum haben Sie sich für Kobalt entschieden?

Seit Jahrzehnten stellen sich Wissenschaftler schon die Frage, wie sich die Eigenschaften der Elektronen während eines Phasenübergangs in Ferromagneten verändern. Bislang beschreibt man die Elektronenzustände mithilfe von zwei verschiedenen Modellen – dem sogenannten Heisenberg- und dem Stoner-Modell. Beide Modelle sagen grundsätzlich verschiedene Effekte des Phasenübergangs auf die elektronischen Eigenschaften voraus. Mit unserem Experiment wollten wir nun herausfinden, welches Modell das Verhalten der Elektronen am besten beschreiben kann.

Wie lief das Experiment ab?

Das Problem dieser Ferromagnete ist, dass die Curie-Temperatur sehr hoch ist. Das heißt, wenn man das Material – wie man sich das üblicherweise vorstellt – mit einer Flamme erhitzt, fängt es irgendwann an zu glühen. Das alleine macht es schon sehr schwierig, die elektronischen Zustände zu untersuchen. Zudem verändert sich bei Kobalt, lange bevor die Curie-Temperatur erreicht ist, die Struktur des Gitters. Es ist somit fast unmöglich, die elektronischen Eigenschaften während des ferromagnetisch-paramagnetischen Phasenübergangs zu beobachten. Wenn man allerdings zum Heizen einen ultrakurzen Laserpuls im sichtbaren Bereich verwendet, kann man es schaffen, dass sich auf einer Zeitskala von Femtosekunden nur das Elektronensystem über die Curie-Temperatur aufheizt. Wir heizen die elektronische Struktur also selektiv auf und lösen die Entmagnetisierung aus, während sich auf dieser ultrakurzen Zeitskala die Gitterstruktur nicht verändert.

Wie ließ sich dieser Phasenübergang im Experiment untersuchen?

Auf dem Bild ist das Schema der Photoelektronenspektroskopie zu sehen. Zwei Laserpulse treffen nacheinander auf eine Kobald-Probe. Der erste Laserpuls löst den Phasenübergang in Kobalt aus und der zweite zeitverzögerter Puls ermöglicht die Spektroskopie der Elektronenzustände.

Schema der Photoelektronenspektroskopie

Wir können die elektronische Struktur während des Phasenübergangs mit der sogenannten Photoelektronenspektroskopie untersuchen. Mit einem ersten Laserpuls haben wir dabei den Phasenübergang angeregt und mit einem zweiten Laserpuls, der nach einer variablen Zeit auf die Probe trifft, haben wir den elektronischen Zustand gemessen. Indem man nun die Wartezeit zwischen den beiden Laserpulsen variiert, lässt sich die Dynamik der Zustände beobachten. Mit dieser Methode können die Energie, der Impuls und erstmals auch der Spin der Elektronen bestimmt werden – und damit alle notwendigen Parameter zur vollständigen Beschreibung der elektronischen Zustände. Mit dieser Kombination aus Ultrakurzzeitphysik und Photoelektronenspektroskopie haben wir die elektronische Struktur während des Phasenübergangs vermessen, was in dieser Art und Weise seit Jahrzehnten nicht geglückt ist.

Und welches Modell beschreibt die Beobachtungen nun am besten?

Wir konnten feststellen, dass sich das Verhalten der elektronischen Struktur besser mit dem Heisenberg-Modell beschreiben lässt. Das ist allerdings nicht das Endergebnis, denn wir haben einen ganz bestimmten laserangeregten Phasenübergang in einem ganz bestimmten System – nämlich Kobalt – vermessen. In einem anderen Metall kann das Verhalten anders sein, das wissen wir alles noch nicht. Wie so oft in der Forschung löst dieses neue Ergebnis viele neue Fragen aus.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir wollen überprüfen, ob diese Ergebnisse universell für diesen Phasenübergang gültig sind oder ob sie nur für Kobalt gelten. Außerdem wollen wir prüfen, ob die Ergebnisse davon abhängen, dass wir den Phasenübergang durch einen Laser angeregt haben.

Für welche anderen Forschungsbereiche können Ihre Ergebnisse wichtig sein?

Unsere Messergebnisse liefern zum Beispiel Einblicke in das Forschungsgebiet des „Femtomagnetismus“. Hier wird untersucht, wie man die Magnetisierung auf Zeitskalen von Femtosekunden manipulieren kann. Für mich persönlich ist es am wichtigsten, die Messung mit unserer neu entwickelten Methode durchgeführt zu haben. Meiner Meinung nach kann diese Methode für die Messung ultraschneller Dynamik in verschiedenen Materialien eingesetzt werden. So könnten auch andere Arten von Phasenübergängen, wie zum Beispiel Schmelzen, untersucht werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2017/ultraschnelle-entmagnetisierung/