Steigende Methan-Emissionen im Nordpolarmeer

Unterschätzte Gefahr für das Erdklima: Forscher warnen vor dem beschleunigten Auftauen der Permafrostböden in der sibirischen See

Methanblasen

Methanblasen

Fairbanks (USA)/Wladiwostok (Russland) - Methan belastet das Erdklima etwa 30 mal stärker als Kohlendioxid. Gigantische Mengen dieses Klimagases sind an den Kontinentalrändern als gefrorene Methanhydrate gebunden. Solche Speicher im Permafrostboden im Nordpolarmeer tauen offenbar schneller auf als bisher angenommen, warnt ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Science". Sollte sich dieser Prozess beschleunigen, hätte das unabsehbare Folgen für die Erderwärmung.

In bisherigen Klimastudien seien die Methanmengen aus dem Meeresboden der Arktischen See deutlich unterschätzt worden, berichten Natalia Shakhova vom Ozeanischen Institut in Wladiwostok und ihre Kollegen der Universitäten von Stockholm und Alaska, Fairbanks. "Die Menge des vom arktischen Festlandsockel vor Ostsibirien freigesetzten Methans ist derzeit vergleichbar mit der Gasmenge aus allen Ozeane der Erde zusammen", sagt die Erstautorin der Studie. Mit etwa 5000 Messreihen, aufwändig auf Eisbrecherfahrten im Nordpolarmeer zwischen den Jahren 2003 und 2008 durchgeführt, belegen die Forscher die alarmierende Zunahme der Methanemissionen. So gelangten jährlich vom Festlandsockel im Arktischen Meer vor der Küste Sibiriens etwa 7,7 Millionen Tonnen Methangas in die Atmosphäre.

"Bisher ist man davon ausgegangen, dass das Meerwasser den Permafrostboden in diesem Festlandsockel stabilisiert", sagt Shakhova. Aber die Proben aus dem nur 50 Meter tiefen Wasser zeichnen ein anderes Bild. So weisen etwa 80 Prozent der tieferen Wasserschichten und die Hälfte des Oberflächenwassers Methankonzentrationen auf, die acht mal höher sind als bei normalen Meerwasser. In weiten Zonen sei das Wasser mit Methan übersättigt. Selbst in der Atmosphäre über dem Festlandsockel sei die Methankonzentration fünf bis zehn Prozent höher als in anderen Bereichen der Arktis. An über 100 "Hotspots" über dem Nordpolarmeer konnten die Forscher besonders viel Methan nachweisen, das blubbernd an die Wasseroberfläche gelangt. Alle Messungen zusammen weisen daher stark darauf hin, dass der Permafrostboden des Festlandsockels an Stabilität verliert.

Nicht mehr nur Rinderherden, Moorlandschaften und die Permafrostböden auf dem kanadischen und russischen Festland dürften daher in zukünftigen Klimamodellen beachtet werden. Da mit einer Ausdehnung von über zwei Millionen Quadratkilometern der Festlandsockel drei mal größer ist als alle sibirischen Feuchtgebiete zusammen, könnte er sich zur Hauptquelle von Methan in der nördlichen Hemisphäre entwickeln. So sei die Gefahr für das Klima, die von auftauenden Permafrostböden im Nordpolarmeer ausgeht, nicht zu unterschätzen. "Wenn sich diese Böden weiter destabilisieren, lassen sich die Methanemissionen nicht mehr in Millionen Tonnen bemessen. Die Mengen wären signifikant höher", sagt Shakhova.

Ab einer bestimmen Kippmarke könnte es für das Erdklima besonders heikel werden. Denn die durch den Treibhauseffekt erhöhten Temperaturen können dann wiederum zu einem schnelleren Auftauen und noch größeren Methanemissionen führen. "Das würde eine Selbstverstärkung der globalen Erwärmung zur Folge haben", schreibt Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena in einem begleitenden Kommentar. Von der hohen Qualität der aktuellen Messungen überzeugt, hält er weitere Studien der Methankreisläufe per Satellit für notwendig. "Beide Ansätze sind unverzichtbar und sollten genutzt werden, um den Methanzyklus über die kommenden Jahrzehnte vorherzusagen", schreibt Heimann.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2010/steigende-methan-emissionen-im-nordpolarmeer/