Communicator-Preis 2007 an Bremerhavener Eisforscher

Arbeitsgruppe Glaziologie erhält 50 000 Euro für herausragende öffentliche Vermittlung ihrer Forschungen zur Klimaentwicklung

Bremerhaven - Die Arbeitsgruppe Glaziologie am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) erhält in diesem Jahr den "Communicator-Preis - Wissenschaftspreis des Stifterverbandes". Die 15 Polar- und Meeresforscher um den Geophysiker Professor Heinz Miller werden damit für die herausragende öffentliche Vermittlung ihrer Forschungsarbeiten zur Klimaentwicklung ausgezeichnet. Die Gruppe ist das erste Wissenschaftlerteam, das den Communicator-Preis erhält, der in diesem Jahr zum achten Mal verliehen wird.

Der Communicator-Preis gilt in Deutschland als die wichtigste Auszeichnung für die Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Öffentlichkeit. Mit ihm zeichnen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seit 2000 Wissenschaftler aus, die ihre Forschungsarbeiten besonders vielfältig, originell und kreativ an ein breites Publikum kommunizieren und sich darüber hinaus um den immer notwendigeren Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit verdient machen. Unter den sieben bisherigen Preisträgern waren unter anderen der Mathematiker Albrecht Beutelspacher, der Experimentalphysiker Wolfgang Heckl, der Katholische Theologe Hubert Wolf und im vergangenen Jahr der Paläobiologe und Afrikaforscher Friedemann Schrenk. Gekürt werden die Preisträger von einer Jury aus Wissenschaftsjournalisten, Kommunikations- und PR-Fachleuten. Dieses Jahr lagen ihr 27 Bewerbungen vor aus allen wissenschaftlichen Gebieten. Sieben Kandidaten kamen in die engste Wahl, am Ende fiel das Votum jedoch einstimmig für die Arbeitsgruppe Glaziologie aus.

Mit den Bremerhavener Glaziologen erhält ein Forscherteam den Communicator-Preis, das bereits seit zwei Jahrzehnten im ewigen Eis Antworten auf die inzwischen wohl drängendste globale Menschheitsfrage sucht - die nach der Entwicklung und Veränderung des Klimas. In zahlreichen nationalen und internationalen Expeditionen unternehmen die 15 Geophysiker, Geologen, Geografen und Meteorologen der Arbeitsgruppe Tiefenbohrungen im arktischen und antarktischen Eis. Aus den Eiskernen gewinnen sie grundlegende Erkenntnisse zur Rekonstruktion des Erdklimas in den vergangenen Jahrtausenden. Im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsprojekts EPICA erbohrten die Bremerhavener Glaziologen dabei 2003 auf dem antarktischen Plateau den bislang ältesten Eiskern - Schätzungen gehen von etwa 900 000 Jahren aus. Aus der darin eingeschlossenen Luft konnten sie die bisher umfangreichsten Daten über die Existenz und die Veränderungen der beiden wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid und Methan gewinnen. Auch an Tiefbohrprojekten in Grönland, am Deutschen Klimaforschungsprogramm und am Programm "Klima in historischer Zeit", das auf die Rekonstruktion des Klimas der vergangenen 1000 Jahre abzielt, sind die Forscher beteiligt. Zu der immer drängenderen Frage nach der künftigen Klimaentwicklung leistet die Arbeitsgruppe ebenfalls einen gewichtigen Beitrag; hier entwickelte sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Modellstudien und Szenarien, die sich vor allem mit dem Abschmelzen der polaren Eiskörper und den möglichen Folgen für die Meeresspiegelschwankungen befassten.

All diese und andere Forschungsarbeiten und -ergebnisse wurden von den Bremerhavener Wissenschaftlern von Beginn an mit großem Engagement und Einfallsreichtum einem breiten Publikum nahegebracht. In zahlreichen eigenen Beiträgen in Zeitschriften und Büchern sowie in Ausstellungen und Vorträgen in Schulen, Hochschulen und öffentlichen Bildungseinrichtungen verbanden die Glaziologen geschickt Wissenschaft mit dem Reiz des ewigen Eises. Früh luden die Forscher auch Journalisten ein, sich vor Ort einen direkten Eindruck von der Arbeit im Eislabor oder auf den Expeditionsschiffen in die Polarregionen zu verschaffen. Die daraus entstandenen Beiträge in Presse, Rundfunk und Fernsehen machten die Klimaforschung im Eis einem großen Publikum bekannt. Das Internet haben die Polar- und Meeresforscher ebenso früh für die Verbreitung ihrer Arbeiten entdeckt und genutzt wie DVD und andere neue Medien - und mit visuell reizvollen und technisch aufwändigen Videoinstallationen reicht ihre Vermittlungsarbeit sogar in den künstlerischen Bereich hinein. Für Wirtschaft und Politik, aber auch für den interessierten Bürger sind die Glaziologen schließlich seit Jahren gefragte Gesprächs- und Auskunftspartner zu allen Fragen der Klimaentwicklung.

Sowohl die Forschungsarbeiten als auch deren Vermittlung in die Öffentlichkeit wurden von den Bremerhavener Forschern von Beginn an als Team erbracht. Wesentlichen Anteil daran hat der Geophysiker und stellvertretende Direktor des Alfred-Wegener-Instituts, Professor Heinz Miller. Die von ihm und seinen Kollegen betriebene Arbeitsteilung bewertete nun auch die Jury des Communicator-Preises als beispielhaft und zeichnete deshalb in diesem Jahr erstmals keinen einzelnen Wissenschaftler, sondern ein Forscherteam aus. Darüber hinaus würdigte die Jury vor allem die sachliche und differenzierte Art, mit der die Arbeitsgruppe ihre Forschungsergebnisse kommuniziert. Dies gründet nach Meinung der Jury gleichermaßen auf dem hohen wissenschaftlichen Standard der Gruppe und auf ihrer langjährigen Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit.

Verliehen wird der Communicator-Preis am 14. Juni in Essen im Rahmen des diesjährigen Wissenschaftssommers. Auf Zeche Zollverein werden die Präsidenten von DFG und Stifterverband, Professor Matthias Kleiner und Dr. Arend Oetker, die Auszeichnung übergeben. Das Preisgeld stammt vom Stifterverband, in dem sich mehr als 3000 Unternehmen und Privatpersonen für die Förderung der Wissenschaft und deren Austausch mit der Öffentlichkeit engagieren. Darüber hinaus erhalten die Glaziologen ein Hologramm, das den Communicator-Preis symbolisiert. Das von dem Kölner Künstler Michael Bleyenberg gestaltete Werk soll die Bedeutung der Transparenz in der Wissenschaft sichtbar machen und zeigen, dass es sich lohnt, die Dinge "ins rechte Licht zu rücken". Wie das Hologramm entfaltet auch die Wissenschaft nur dann ihre ganze Strahlkraft.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2007/communicator-preis-2007-an-bremerhavener-eisforscher/