Die Neumayer-Station III – Forschen in der Antarktis

Sven Titz

Der Bau ist ein ingenieurstechnisches Meisterstück: Hydraulische Stützen verhindern, dass die Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts im Schnee der Antarktis versinkt. Es ist das dritte Gebäude an der Stelle – seit 1981 verfügen deutsche Forscher über die Überwinterungsstation. Sie dient der Erforschung von Klima, Geophysik und Umwelt des Südkontinents. Im Februar 2009 nahmen sie den Neubau in Betrieb.

Der hochmoderne Forschungsbau hat doppelt so viele Beine wie eine Spinne. Die 16 hydraulischen Anlagen stehen auf getrennten Fundamentplatten. Sie lassen sich einzeln anheben, sodass Schnee darunter geschaufelt werden kann. Auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass die Neumayer-Station III mit der Zeit von den Schneemassen begraben wird. Es muss also keinerlei Material hinterlassen werden. Bei der Vorgängerstation war das noch in Kauf genommen worden. Die alte Anlage „versank“ seit der Einweihung im Jahr 1992 insgesamt 17 Meter im Schnee. In Zukunft ist das nicht zu befürchten, obwohl der 68 m lange und 24 m breite neue Bau doppelt so groß ist wie sein Vorgänger und immerhin 2300 Tonnen wiegt. Mit der neuen Station Neumayer III setzt das Alfred-Wegener-Institut fü Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven seine langjährige Erkundung der Antarktis fort.

Foto: Kastenförmige Forschungsstation auf Stelzen in schneeweißer Ebene

Neumayer-Station

Angelegt wurde die Neumayer-Station III auf dem Ekström-Eisschelf (70 Grad Süd, 8 Grad West). Die etwa 200 m dicke Eisplatte ist direkt mit antarktischen Gletschern verbunden, schwimmt aber auf dem Meerwasser. An der 10 bis 20 m hohen Kante des Eisschelfs können Schiffe anlegen. Besonders gut eignet sich dafür die Atkabucht, die ungefähr 20 km von der Station entfernt ist. Transporte von und zur Eiskante legen die Forscher mit Fahrzeugen zurück, die in der „Garage“ im eisigen Keller untergebracht sind. Der Fuhrpark kann sich sehen lassen: Da stehen neun Motorschlitten, elf Pistenbullys und zwei schwere Kettenfahrzeuge. Mit den Vehikeln können die Forscher natürlich nicht nur zur Schelfeiskante fahren, sondern zum Beispiel auch den 19 km langen Weg zum Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean (PALAOA) zurücklegen. So heißt eines von vier wissenschaftlichen Observatorien, die mithilfe von Neumayer III weitergeführt werden:

Foto. Roter Container-Bau auf Stelzen in schneeweißer Ebene, daneben ein Forscher in rotem Overall mit einem Motorschlitten.

Luftchemie-Observatorium

  • PALAOA nimmt Unterwassergeräusche an der antarktischen Küste auf. Die Töne von Walen, Robben und zusammenstoßenden Eisbergen werden per WLAN zur Station und anschließend per Satellit in alle Welt übertragen. Im Internet kann sich jeder die bizarre Geräuschkulisse anhören.
  • Am Meteorologischen Observatorium werden Wetter- und Klimadaten erhoben. Die Daten gehen zum Beispiel in die Wettervorhersage für die Region ein. Regelmäßig starten Forscher Wetterballone auf dem Dach der Station.
  • Das Geophysikalische Observatorium registriert neben weltweit auftretenden Erdbeben auch die lokalen Bewegungen des Eisschelfs, die durch die Gezeiten und das Fließen der Gletscher verursacht werden. Außerdem zeichnen die beteiligten Forscher Veränderungen des Erdmagnetfelds auf. Auch im Zusammenhang mit dem Internationalen Atomteststoppabkommen ist das Observatorium bedeutsam: Anhand von Infraschallmessungen sollen an der Neumayer-Station mögliche Kernwaffenexplosionen detektiert werden. Die für diesen Zweck vorgesehenen Schalldetektoren wurden in der Nähe der Station im Eis vergraben.
  • Am Luftchemie-Observatorium bestimmen Forscher die Konzentration von Ozon und anderen Spurengasen sowie die Staubkonzentration in der Antarktis, um langfristige Veränderungen der Umweltbedingungen zu verfolgen.

Die Hauptaufgabe der Neumayer-Station besteht darin, langfristige und präzise Daten von Klima, Geophysik und Umwelt in der Antarktis zu sammeln, und kommenden Generationen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden vor allem im Sommer viele weitere Forschungsprojekte an der Station durchgeführt – dazu gehören natürlich auch Expeditionen in die Umgebung.

Die Wissenschaftler haben in dem neuen Bau viel Platz, um sich und ihre Geräte auszubreiten: Als Laborfläche sind 210 Quadratmeter ausgewiesen. Zur Beherbergung dienen 15 Räume mit insgesamt 40 Betten. Es überwintern aber immer nur 9 Personen. Die Wissenschaftler gelangen per Flugzeug von Kapstadt aus zur Neumayer-Station.

Infografik. Darstellung der Neumayer-Station im Schnittbild. Erkennbar ist unter anderem die Garage mit dem Fuhrpark unter dem eigentlichen Forschungsbau.

Grafik der Neumayer-Station

Die Energie für die Station liefern drei Dieselgeneratoren mit einer Leistung von je 160 kW. Für den Stationsbetrieb reicht ein Generator aus. Ein Generator läuft im Standby-Modus und der dritte dient als Reserve. Eine kleine Windkraftanlage (30 kW) ergänzt die Energieversorgung. Den Treibstoff – 300 bis 350 t Diesel pro Jahr – transportieren Schiffe heran, ebenso wie technisches Material und Lebensmittel (200 t pro Jahr). Ausreichend Wasser steht ohnehin zur Verfügung: Die Forscher schmelzen einfach den antarktischen Schnee.

Bei der Planung des Neubaus wurde stark darauf geachtet, dass die Station möglichst lange benutzbar bleibt: Neumayer III soll schließlich 25 bis 30 Jahre halten. Darum wurde vor dem Bau eingehend untersucht, wohin und wie schnell das Schelfeis driftet. Das Resultat: Vermutlich wird die Station im Jahr 2034 etwa 4 km weiter nördlich zu finden sein – und dank Hydraulik immer noch meterhoch über dem Eisschelf thronen.

Geschichte der Neumayer-Station 

Die deutsche Neumayer-Station dient der ganzjährigen Erforschung der Antarktis. Der erste Bau wurde 1981 eröffnet und trug die vollständige Bezeichnung „Georg-von-Neumayer-Station“. Der Namenspatron, ein deutscher Geophysiker und Polarforscher, lebte von 1826 bis 1909. Dass die Station auf dem Ekström-Eisschelf errichtet wurde, kam zufällig zustande: Der eigentlich anvisierte Standort auf dem Filcher-Rönne-Eisschelf konnte mit dem Schiff nicht erreicht werden, weil Treibeis den Weg versperrte. Nachdem die Station einmal gebaut war, musste man aus Rücksicht auf die Vergleichbarkeit der Messdaten dem Standort treu bleiben. So wurde fast an gleicher Stelle im Jahr 1992 die Neumayer-Station II in Betrieb genommen. 2009 kam dann die hier beschriebene Station Neumayer III an die Reihe – nach wie vor die einzige deutsche Forschungsstation in der Antarktis mit Überwinterungsmöglichkeit.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/atmosphaere/polarforschung/neumayer-station-iii/