Himmelsinventur mit 4MOST

Franziska Konitzer

Vor dem Hintergrund einer bergigen Wüstenlandschaft befindet sich auf einem kleineren Gipfel ein weißes Teleskop-Gebäude.

Der geplante Multi-Objekt-Spektrograf 4MOST soll das Licht von Tausenden Himmelsobjekten gleichzeitig analysieren und wird so am Durchmusterungsteleskop VISTA der Europäischen Südsternwarte ESO wertvolle Daten sammeln. Mit dem neuen Instrument wollen Astronomen unter anderem eine dreidimensionale Karte unserer Galaxis erstellen und mehr über besonders alte Sterne sowie die beschleunigte Ausdehnung des Universums erfahren.

Es ist das Zeitalter der großen Himmelsdurchmusterungen. Heutzutage beschäftigen sich Astronomen nur noch selten jahrelang mit einzelnen Objekten, sondern starten ehrgeizige Beobachtungskampagnen in allen Wellenlängenbereichen, um den Himmel zu inventarisieren. So soll das Weltraumobservatorium Gaia beispielsweise über einen Zeitraum von fünf Jahren die Position und Bewegung von einer Milliarde Sternen vermessen und eine dreidimensionale Karte unserer kosmischen Nachbarschaft liefern.

Die Mission eROSITA, die nächstes Jahr starten soll, wird den gesamten Himmel im Röntgenbereich nach aktiven Galaxienkernen absuchen. Und das für 2020 geplante Weltraumteleskop Euclid wird die beschleunigte Ausdehnung des Universums untersuchen, indem es die Entfernung von Galaxien vermisst. Dabei wird es das Licht von zehn Milliarden Himmelsobjekten erfassen.

Es kommt aber nicht nur auf die schiere Anzahl der beobachteten Objekte an. Astronomen benötigen jenseits der Position am Nachthimmel so viele Informationen wie möglich über ihre beobachteten Himmelsobjekte. Deshalb plant die Europäische Südsternwarte ESO mit einem internationalen Konsortium von Wissenschaftlern – geleitet vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam – den Bau eines neuartigen Multi-Objekt-Spektrografen, der genau jene Informationen liefern und so die großen Himmelsdurchmusterungen ergänzen soll.

In einer halb geöffneten Teleskopkuppel befindet sich das VISTA-Teleskop. Die Aufnahme wurde gemacht, als die Kuppel bei Sonnenuntergang geöffnet wurde.

Das VISTA-Teleskop in der Kuppel

Diese Geräte zerlegen das Licht eines Himmelsobjekts in seine Spektralfarben und messen die Intensität des Lichts bei verschiedenen Wellenlängen. Aus solchen spektralen Fingerabdrücken können Astrophysiker dann viele Eigenschaften der beobachteten Objekte ableiten, beispielsweise welche Temperatur sie besitzen oder aus welchen chemischen Elementen sie bestehen. Anders als herkömmliche Spektrografen soll das neue Instrument namens 4MOST bei einem einzigen Blick in den Himmel Tausende von Spektren gleichzeitig aufnehmen.

Um diese Arbeit zu erledigen, soll 4MOST am ESO-Teleskop VISTA in der Atacamawüste von Chile installiert werden. Es handelt sich dabei um das weltweit größte Durchmusterungsteleskop. Im Gegensatz zu anderen modernen Großteleskopen wie beispielsweise dem Very Large Telescope muss VISTA nicht unbedingt feinste Details einzelner Himmelsobjekte auflösen, sondern vor allem einen möglichst großen Himmelsbereich auf einmal abdecken.

VISTA deckt ein Gesichtsfeld von etwa fünf Vollmonddurchmessern ab. Jede Menge Himmel also, in dem eine Vielzahl verschiedener Objekte erscheint, von Sternen in unserem eigenen Milchstraßensystem über Galaxien bis hin zu weit entfernten aktiven galaktischen Kernen, die Forschern etwas über die Frühzeit des Universums verraten. Die Herausforderung für einen Multi-Objekt-Spektrografen wie 4MOST besteht nun nicht nur darin, all diese verschiedenen Objekte mit ihren unterschiedlichen Helligkeiten und Ausdehnungen gleichzeitig zu analysieren – sondern das auch noch pro Aufnahme möglichst schnell.

Ausgeklügelte Fasertechnik

Deshalb haben die Wissenschaftler für 4MOST ein völlig neues System entworfen, das bislang noch in keinem anderen Spektrografen vorkommt. 4MOST besteht aus drei einzelnen Spektrografen, zu denen das Licht der Himmelsobjekte über rund 2400 Fasern je nach Bedarf geleitet wird. Eine Faser entspricht einem Bildpunkt. Während Sterne als Punktquelle am Himmel erscheinen und auf einen einzigen Bildpunkt passen, braucht es für ausgedehnte Objekte – also etwa Galaxien – mehrere solcher Fasern. Für jede Aufnahme müssen die Fasern also neu angeordnet werden, damit sie genau das Licht des richtigen Himmelsobjekts aufnehmen. Deshalb sind alle Fasern von 4MOST voll beweglich und können auf die verschiedenen Punkte ausgerichtet werden.

Bei 4MOST wird diese Faserpositionierung erstmals von einer ausgeklügelten piezoelektrischen Robotik automatisch erledigt. Bislang waren derartige robotische Systeme mechanisch und daher eher störanfällig und ungeeignet für die große Menge an Fasern – oder aber diese Arbeit war oftmals noch tatsächlich Handarbeit und dauerte entsprechend lange. 4MOST wird für eine neue Ausrichtung der Fasern lediglich eine Minute brauchen.

Durch diese innovative Technik können mehrere Beobachtungsprogramme gleichzeitig ablaufen, um das Potenzial von 4MOST voll auszuschöpfen. Neben dem Leibniz-Institut für Astrophysik, an dem der Spektrograf zusammengebaut werden soll, steuern auf deutscher Seite in Heidelberg das Max-Planck-Institut für Astronomie und die Landessternwarte Elektronik sowie einen der Spektrografen zu 4MOST bei, während das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching Software entwickelt, welche das Beobachtungsprogramm steuern kann. An der wissenschaftlichen Konzeption beteiligt sich zudem die Universität Hamburg. Ab 2022 soll 4MOST dann einsatzbereit sein und über einen Zeitraum von zehn Jahren das Licht von mehr als vierzig Millionen Himmelsobjekten analysieren.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/himmelsinventur-mit-4most/