HIFI – Radiotechnologie für die Infrarotastronomie

Volker Ossenkopf

Fingerabdruck von ionisiertem Wasser

An Bord des 2009 gestarteten Weltraumobservatoriums Herschel befindet sich unter anderem das Instrument HIFI. Mit ihm können Astronomen die charakteristische Strahlung einzelner Atome und Moleküle im All nachweisen und so auf die chemische Zusammensetzung der interstellaren Materie schließen.

Fotomontage des Herschel-Satelliten vor kosmischem Hintergrund. Man kann den inneren Aufbau des Satelliten mit den komplexen Instrumenten erkennen.

Aufbau des Herschel-Satelliten

Das Weltraumteleskop Herschel ist mit drei Instrumenten ausgestattet, um interstellare Wolken in der Milchstraße und in anderen Galaxien im infraroten Spektralbereich zu erforschen. PACS und SPIRE sind Kameras, die ähnlich wie die CCD-Technik handelsüblicher Fotoapparate ein Abbild der leuchtenden Wolken im Ferninfrarotlicht liefern. Das dritte Instrument, HIFI, benutzt dagegen Radiotechnologie, um einzelne Atome und Moleküle als Sender zu identifizieren. 

Radiotechnologie in den Infrarotbereich gebracht

HIFI steht für Heterodyne Instrument for the Far-Infrared, übersetzt: Heterodyn-Instrument für das ferne Infrarot. Heterodyn-Technik bezeichnet dabei ein gängiges Konzept der Radioempfangstechnik, wie es zum Beispiel in jeder Satellitenschüssel eingesetzt wird: Die Strahlung aus dem Himmel wird mit einem internen Referenzsignal von genau bekannter Frequenz gemischt. Dabei entsteht ein neues Signal, dessen Frequenz viel niedriger ist als die der eingehenden Radiowelle. Erst in dieser Form kann das Signal problemlos verstärkt und weiterverarbeitet werden. Die in der Radiowelle enthaltene Information wird beim Mischprozess nicht gestört, sodass alle Sender scharf voneinander getrennt bleiben und Bild oder Ton nicht beeinträchtigt werden.

Heller Kasten mit äußerer komplexer Elektronik und Verkabelung.

HIFI-Mischerblock

In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler dieses Konzept auf Strahlung immer kürzerer Wellenlänge beziehungsweise höherer Frequenz – wie etwa Mikrowellenstrahlung – angewendet. Mit dem Bau von HIFI wurden die Grenzen weiter verschoben: Das Heterodyn-Instrument kann noch kürzere Infrarotwellenlängen in einem kontinuierlichen Frequenzbereich zwischen etwa 500 Gigahertz (500 Milliarden Schwingungen pro Sekunde) und zwei Terahertz (zwei Billionen Schwingungen pro Sekunde) empfangen. Das dafür nötige supraleitende Mischerelement muss auf eine Temperatur von wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Besonders herausfordernd war die Konstruktion einer durchstimmbaren Referenzsignalquelle für diese Wellenlängen, also eines Infrarotsenders, dessen Frequenz sich genau kontrollieren lässt. Erst in den letzten Jahren gelang es, mit modernster Halbleitertechnologie solche durchstimmbaren Sender zu fertigen.

Um alle technischen Herausforderungen beim Bau von HIFI zu meistern, bündelte man das Know-how von 25 verschiedenen wissenschaftlichen Instituten. Koordiniert wurde das Projekt vom SRON-Raumfahrtinstitut im niederländischen Groningen. Auf deutscher Seite waren die Universität Köln, das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Lindau maßgeblich beteiligt.

Interstellares Gas als Radiosender

Atome und Moleküle können immer nur bei genau festgelegten Frequenzen Strahlung aussenden oder absorbieren. Sie besitzen ein charakteristisches Linienspektrum, was sich zum Beispiel in Form der dunklen Fraunhoferlinien im Spektrum der Sonne bemerkbar macht. Auch die Atome und Moleküle im interstellaren Gas senden Strahlung aus, und so wirkt es wie eine Sammlung verschiedener Radiosender mit festgelegten Sendefrequenzen. Durch den Vergleich des beobachteten Spektrums mit den berechneten Frequenzen können die verschiedenen Atome und Moleküle als „Sender“ identifiziert werden. Daraus wird schließlich die genaue chemische Zusammensetzung des Gases bestimmt.

Fotomontage: Im Hintergrund die Aufnahme eines Sternentstehungsgebietes, im Wesentlichen leuchtende Gasmassen. Davor eine ausgefranste Kurve, in der fünf negative Peaks zu erkennen sind.

Spektroskopischer Fingerabdruck

Mit HIFI „hören“ die Astronomen allerdings nicht wie im Radio auf die zeitliche Änderung der Wellen. Stattdessen vermessen sie nur, welcher Sender im interstellaren Medium mit welcher Intensität strahlt. Dazu sind Spektrometer an das Instrument angeschlossen, die Strahlung noch auseinanderhalten können, selbst wenn deren Frequenz nur um weniger als ein Millionstel voneinander abweicht. Diese extrem hohe Frequenzauflösung bestimmt den wissenschaftlichen Erfolg von HIFI. So gelang es bereits, eine ganze Reihe von Molekülen zum ersten Mal im interstellaren Medium nachzuweisen. Schon während der ersten Beobachtungen mit dem Instrument entdeckten die Wissenschaftler Fluorwasserstoff und die ionisierte Form von Wasser, [das Hydroxyl-Radikal (OH)], und Diwasserstoffchlorid (H2Cl). Allesamt wurden anhand des charakteristischen spektralen Fingerabdrucks identifiziert, der sich aus den Frequenzen ergibt, bei denen ein Molekül strahlen kann.

Im fernen Infrarotbereich sieht man vor allem Linienstrahlung von Gas, das Temperaturen von unter Null Grad Celsius aufweist und somit keine Strahlung bei sichtbaren Wellenlängen aussendet. Trotz der scheinbar niedrigen Temperaturen ist das Gas für astronomische Verhältnisse recht warm, muss also durch junge Sterne in seiner Nähe aufgeheizt worden sein. Unter diesen Bedingungen – wie sie in den meisten dichten interstellaren Wolken, den Sternentstehungsgebieten, vorzufinden sind – können sich viele komplexe, auch organische Moleküle bilden. Man erhascht mit HIFI demnach einen Blick in das Chemielabor des Kosmos, in dem Substanzen wie Wasser, Methanol, Formaldehyd oder einfache Aminosäuren synthetisiert werden.

Kosmische Geschwindigkeitsmessung

Fotomontage: Im Hintergrund das leuchtende Gas des Orion-Nebels. Davor ein Spektrum mit zahlreichen Peaks, denen jeweils ein Molekül zugeordnet ist.

Gas im Orion-Nebel

Durch die hohe spektrale Auflösung von HIFI lassen sich die einzelnen Sendermoleküle aber nicht nur identifizieren; anhand der genauen Lage und Form der Spektrallinien können die Wissenschaftler auch deren Geschwindigkeit messen. Eine spezielle Linienform entsteht dadurch, dass die Teilchen des Gases nicht ruhen, sondern sich von uns weg oder auf uns zu bewegen. Durch den Dopplereffekt (siehe Infokasten) erscheint die Strahlung der Moleküle, die sich auf uns zu bewegen, bei einer etwas höheren Frequenz als im ruhenden Fall. Bewegen sich die Teilchen von uns weg, erscheint ihre Strahlung dagegen bei einer etwas geringeren Frequenz. Das gesamte Linienprofil zeigt damit die Verteilung der Geschwindigkeiten aller Moleküle einer Sorte. Dadurch fanden Astronomen zum Beispiel heraus, dass die Moleküle nicht alle gut durchmischt sind, sondern sich innerhalb einer interstellaren Wolke in unterschiedlichen Klumpen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten befinden müssen. Während Kohlenmonoxid sehr breite Linien zeigt, die durch starke turbulente Bewegungen verursacht werden, zeigt Wasserdampf viel schmalere Linien, kann also nicht genauso verteilt sein.

Die interessanteste Frage ist aber wohl, ob die Geschwindigkeitsprofile zeigen, wie das Gas auf einen Punkt zusammenstürzt und ein neuer Stern entsteht. Leider konnte ein solcher Kollaps des interstellaren Mediums bis jetzt noch nicht direkt beobachtet werden. Würde das mit HIFI gelingen, könnte man – zusammen mit der Information über die chemischen Bestandteile des Gases – direkt nachvollziehen, wie sich neue Sterne, Planeten und letztlich die chemischen Voraussetzungen für Leben auf den Planeten bilden. Es bleibt noch Zeit bis Anfang 2013, dem Ende der Herschel-Mission, um die entscheidenden Daten zu empfangen.

Skizze eines Krankenwagens. In Fahrtrichtung werden die abgestrahlten Wellen zusammengestaucht. Beim Hörer erscheinen sie deshalb mit höherer Frequenz. In Gegenrichtung passiert das Gegenteil, der Signalton erscheint also tiefer.

Dopplereffekt in Fahrtrichtung

Der Dopplereffekt tritt immer auf, wenn sich Sender oder Empfänger relativ zueinander bewegen. Das Phänomen ist für Schallwellen gut bekannt: Das Martinshorn eines Krankenwagens klingt höher, wenn sich das Fahrzeug nähert, und tiefer, wenn es sich entfernt. Der Effekt tritt genauso bei elektromagnetischer Strahlung auf. Optisches oder Infrarotlicht, das bei einer bestimmten Frequenz von einem Sender ausgestrahlt wird, messen wir bei etwas höherer Frequenz, wenn sich der Sender auf uns zubewegt; entfernt sich der Sender von uns, erscheint die Strahlung bei niedrigerer Frequenz. Entsprechend der Farbanordnung im sichtbaren Licht nennt man dies Blau- beziehunsgweise Rotverschiebung. Aus der absoluten Frequenzänderung können wir die Geschwindigkeit des Senders bestimmen.

Skizze eines Teleskops und sich bewegender Sterne. Entfernt sich der Stern vom Teleskop, erscheint sein Licht langwelliger, bewegt er sich auf das Teleskop zu, erscheint das Licht kurzwelliger. Daneben eine Abbildung des Spektrum, in dem sich eine Spektrallinie jeweils entsprechend verschiebt.

Der Dopplereffekt bei elektromagnetischen Wellen

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/herschel-weltraumobservatorium/hifi/