Interstellarer Staub

Franziska Konitzer

Raumsonde vor halb angestrahlter Erde

Der Raum zwischen den Sternen ist nicht völlig leer: Gas- und Staubpartikel, die aus Sternwinden oder -explosionen stammen, driften durch die Milchstraße und dringen bis in unser Sonnensystem vor. Im Podcast von Welt der Physik erklärte Ralf Srama von der Universität Stuttgart, wie sich dieser interstellare Staub mit dem Detektor der Raumsonde Stardust einfangen ließ und was er über die Region jenseits des Sonnensystems verrät.

Im Milchstraßensystem machen die beiden leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium rund 99 Prozent aller gewöhnlichen Materie aus. Das verbleibende ein Prozent ist Staub: winzige Materieteilchen mit einer Größe von milliardstel Metern bis hin zu hundert Mikrometern, also dem Zehntausendstel eines Meters. Von der Zusammensetzung her lassen sich einige dieser Staubteilchen durchaus mit Gestein vergleichen.

Ralf Srama steht neben dem Heidelberger Staubbeschleuniger, der teilweise abgebildet ist. Im Hauptteil besteht er aus einem langen Stahlrohr, in dessen Inneren die Staubteilchen beschleunigt werden können.

Ralf Srama von der Universität Stuttgart neben dem Heidelberger Staubbeschleuniger

Ralf Srama: „Je nachdem, wo man die Partikel findet, bestehen sie aus Eisen oder aus Wasser. Außerdem enthalten sie schwere Elemente, beispielsweise Nickel und Metalle, aber auch jede Menge Silikate und Minerale. Das sind gängige Partikelmaterialen.“

Obwohl der Staub nur wenig zur Materie in der Galaxis beiträgt, stellt er für Astronomen oft ein Problem dar: Er verschluckt das Licht ferner Strahlungsquellen. Deshalb erscheint auch das staubige Zentrum der Milchstraße als dunkler Fleck, obwohl es eigentlich voll heller Sterne ist. Andererseits bietet der Staub einzigartige Möglichkeiten, mehr über unsere kosmische Nachbarschaft und die Frühzeit unseres Sonnensystems zu erfahren.

„Staub ist das Grundmaterial, aus dem sich unser Sonnensystem aus der protoplanetaren Gas- und Staubscheibe gebildet hat. Von daher ist es ursprüngliches Material, gerade im äußeren Sonnensystem. Zudem ist es einfach ein Material, das über Raum und Zeit Informationen transportiert. Partikel entstehen in Sternumgebungen oder Supernovae, werden dann durch das interstellare Medium transportiert und dringen in unser Sonnensystem ein. Indem wir hier diese Partikel messen, schauen wir direkt in Sternumgebungen hinein.“

Darüber hinaus können sich auch komplexe organische Moleküle auf Staubkörnchen bilden – und damit vielleicht sogar die Bausteine des Lebens. Forscher wie Ralf Srama unterscheiden dabei zwischen interplanetarem und interstellarem Staub.

„Interplanetarer Staub kommt aus Quellen unseres Sonnensystems, beispielsweise aus Kometen oder Asteroiden, aus planetaren Umgebungen oder Ringen. Interstellarer Staub kommt von außen ins Sonnensystem herein. Um diese beiden Arten von Staub zu unterscheiden, können wir ihre Richtungen bestimmen sowie die relativen Geschwindigkeiten, mit denen der Staub auf den Sensor an Bord der Raumsonde trifft.“

In der Grafik bewegt sich die Sonne vor dem Hintergrund der Galaxie durch ein wolkenförmiges Gebilde, das die Lokale Interstellare Wolke darstellt. Ein Pfeil nach rechts oben gibt die Bewegungsrichtung der Sonne an.

Bewegung des Sonnensystems durch die Lokale Interstellare Wolke

Solche Staubdetektoren an Bord von Raumsonden können Materie direkt im All einfangen und manchmal sogar deren Größe und chemische Zusammensetzung bestimmen. Bislang war dies hauptsächlich bei interplanetarem Staub der Fall. So untersucht beispielsweise die Raumsonde Cassini die staubigen Ringe des Saturn oder die vulkanische Aktivität des Saturnmondes Enceladus, der Asche- und Staubteilchen ausstößt. Für interstellaren Staub hingegen ergaben sich bislang wenige Möglichkeiten auf genauere Untersuchungen. Ursprünglich hatten Forscher sogar angenommen, dass die interstellaren Staubteilchen aufgrund des Magnetfelds der Sonne gar nicht bis in das innere Sonnensystem vordringen können. Die Raumsonde Ulysses bewies das Gegenteil: Vor rund zwanzig Jahren wies sie erstmals Staub nach, der seinen Ursprung jenseits unseres Sonnensystems hat.

„Der interstellare Staub strömt in unser Sonnensystem hinein und kommt auch aus der interstellaren Gasrichtung. Das war die Entdeckung, die die Mission Ulysses damals gemacht hat, mit deren Hilfe man die Richtung relativ genau eingrenzen konnte. Ulysses war eine Raumsonde, die sich um ihre eigene Achse gedreht hat. Als man anschließend statistisch aus einer bestimmten Richtung gehäufte Einschläge gefunden hat, konnte man die Richtung bis auf wenige Grad mit der Richtung des interstellaren Gases korrelieren.“

Die von Ulysses nachgewiesenen Staubteilchen stammen demnach aus der sogenannten Lokalen Interstellaren Wolke. Das Sonnensystem durchquert diese Gas- und Staubwolke seit rund hunderttausend Jahren – sie hat einen Durchmesser von rund dreißig Lichtjahren. Aber obwohl Ulysses die Ursprungsrichtung des Staubs bestimmen konnte, waren genauere Analysen unmöglich. Die Teilchen wurden nämlich beim Aufprall auf den Detektor zerstört. Kein Wunder, denn ihre Aufprallgeschwindigkeiten betrugen bis zu fünfzig Kilometer pro Sekunde. Daher verwendete die US-Weltraumbehörde NASA für ihre im Jahr 1999 gestartete Raumsonde Stardust Staubkollektoren, die aus einem eigens dafür entwickelten Material bestanden: Aerogel.

Die Aerogel-Kollektoren bestehen aus einem wabenförmigen, bläulichen Material, das Staubteilchen einfangen kann.

Der Aerogel-Detektor der Raumsonde Stardust

„Aerogel ist ein offen poröses Glas mit einer sehr geringen Dichte. Die Dichte kann so gering sein wie bei Luft und hat die Eigenschaft, dass es beim Hochgeschwindigkeitseinschlag zu einem dämpfenden Prozess kommt: Die Partikel fallen wie auf eine Matratze, sie werden langsam abgebremst. Dadurch hält sich die Temperatur, die bei dem Eintritt entsteht, in Grenzen und es überleben größere Fragmente vom ursprünglichen Projektil.

Insgesamt 195 Tage lang richtete Stardust seine Kollektoren in die Richtung, in der die Forscher den interstellaren Staubstrom vermuteten. Das Besondere an der Mission: 2006 schickte die Sonde ihre Kollektoren zurück zur Erde – und mit ihnen den Staub.

„Nun hat man natürlich die Schwierigkeit, den verdampften Staub in dem Aerogel zu finden. Die interstellaren Partikel sind sehr klein, mit einer mittleren Größenverteilung, die unter einem Mikrometer liegt. Einen Einschlag mit einer Größe von einem Mikrometer im Aerogel zu finden ist sehr, sehr schwierig.“

Daher verwundert es nicht, dass die Wissenschaftler auch noch acht Jahre später mit der Auswertung des Materials beschäftigt sind. Kürzlich veröffentlichte ein Forscherteam seine ersten Ergebnisse dazu im Fachmagazin „Science“. Auch Ralf Srama war mit dabei, denn er und seine Kollegen haben mithilfe des sogenannten Heidelberger Staubbeschleunigers zum Erfolg des Projekts beigetragen.

„Wir können einzelne Mikropartikel auf Geschwindigkeiten zwischen ein und hundert Meter pro Sekunde beschleunigen. Wir haben eine Messelektronik und Auswahlelektronik in das Strahlrohr integriert, wobei wir einzelne Partikel direkt auswählen können. Das zeichnet diese Anlage aus, denn dadurch sind sehr genaue und definierte Vergleichsmessungen mit den Instrumenten möglich.“

Ein Teilausschneit eines Aerogel-Detektors zeigt eine winzige Staubspur in Material, die durch einen roten Kreis gekennzeichnet ist.

Ein interstellares Staubteilchen hinterlässt seine winzigen Spuren

Diese Vergleichsmessungen waren nötig, damit die Forscher wissen, nach welchen Spuren im Aerogel sie überhaupt suchen müssen.

„Unsere Beiträge waren dergestalt, dass wir diese Hochgeschwindigkeitseinschläge mit unserem Staubbeschleuniger im Labor simulieren. Wir haben die Einschlagsspuren und Rückstände in dem Kollektormaterial dann untersucht.“

Somit war es erstmals möglich, interstellaren Staub beziehungsweise dessen Spuren, auch Tracks genannt, genauer unter die Lupe zu nehmen.

„So hat man also Referenzspuren von genau definierten Projektilen bezüglich Größe und Zusammensetzung erhalten. Das hat natürlich sehr geholfen bei der Identifikation dieser interstellaren Tracks in dem Kollektormaterial.“

Insgesamt sieben Staubteilchen wahrscheinlich interstellaren Ursprungs haben die Forscher in den Kollektoren von Stardust entdeckt. In diesen konnten sie erstmals Material nachweisen, das nicht aus unserem Sonnensystem stammt. Zumindest derzeit stimmen die chemische Zusammensetzung und die Dichte der Staubteilchen nicht ganz mit bestehenden theoretischen Modellen überein und geben somit noch einige Rätsel auf. Zudem dürfen die Forscher noch auf die eine oder andere Überraschung hoffen, denn bislang wurde lediglich rund die Hälfte der Daten aus den Aerogel-Kollektoren ausgewertet.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/sterne/interstellarer-staub/