Jupitermond Europa: Schnelle Chemie in der Eiskruste

Laborexperimente zeigen überraschende Reaktionen - Forscher müssen Chemie und Geologie der Eismonde überdenken

Jupitermond Europa

Jupitermond Europa

Greenbelt (USA) - Von wegen langweilig: In der kilometerdicken Eiskruste des Jupitermonds Europa können erheblich mehr und schnellere chemische Reaktionen ablaufen als bislang vermutet. Das zeigen Laborexperimente, die zwei amerikanische Forscher nun im Fachblatt "Geophysical Research Letters" präsentieren. Wasser und Schwefeldioxid reagieren demnach selbst bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt miteinander und bilden Ionen, die im Eis stabil sind und weitere chemische Reaktionen antreiben.

"Wenn wir über die Chemie auf Europa geredet haben, dachten wir bislang nur an Reaktionen, die durch Strahlung angetrieben werden", erklärt Mark Loeffler vom Goddard Space Flight Center der NASA. Denn bei Temperaturen im Bereich von 80 bis 130 Kelvin - minus 190 bis minus 140 Grad Celsius - könne, so dachten die Wissenschaftler, nur eine äußere Zufuhr von Energie Reaktionen in Gang setzen. Teilchen aus dem Strahlungsgürtel Jupiters sollten die nötige Energie liefern, doch diese Partikel dringen nur wenige Zentimeter tief in das Eis ein - darunter wären folglich keine chemischen Reaktionen möglich gewesen.

Loeffler und sein Kollege Reggie Hudson haben die Bedingungen in der Eiskruste Europas in einer Vakuumkammer rekonstruiert. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass Schwefeldioxid und Wasser auch bei tiefen Temperaturen rasant miteinander reagieren und Ionen wie beispielsweise Bisulfit bilden. "Die Ausbeute der Reaktionen ist unerwartet hoch", so Loeffler, "wir wären schon mit fünf Prozent zufrieden gewesen." Doch innerhalb eines halben bis eines Tages reagierten mehr als ein Drittel der Ausgangsstoffe.

Aktive Vulkane auf dem Jupitermond Io schleudern ständig Schwefeldioxid ins All, das sich auf der Oberfläche von Europa und auch den anderen Monden des Riesenplaneten ablagert und langsam in das Eis eindringt. Die von Loeffler und Hudson gefundenen Prozesse könnten in der Kruste der Eismonde weitere Reaktionsketten antreiben. "Ich bin gespannt was passiert, wenn den Experimenten weitere Stoffe beigemischt werden", kommentiert Nasa-Forscher Robert Carlson vom Jet Propulsion Laboratory die Ergebnisse seiner Kollegen. Die Erkenntnisse seien auch wichtig für die Planung und Entwicklung der Instrumente an Bord künftiger Raumflugmissionen zu den Jupitermonden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2010/jupitermond-europa-schnelle-chemie-in-der-eiskruste/