Intergalaktisches Medium

Franziska Konitzer

Die künstlerische Darstellung zeigt einen Halo aus heißem Gas, der sich mit einem Durchmesser von mindestens 600 000 Lichtjahren kugelförmig um das Milchstraßensystem herum erstreckt.

Der Raum zwischen Galaxien zeigt sich auf den meisten Aufnahmen schwarz und leer, doch auch hier findet sich Materie – das sogenannte intergalaktische Medium. Zwar würde die durchschnittliche Teilchendichte dort auf der Erde als perfektes Vakuum gelten. Doch in der Summe ergeben sich beeindruckende Massen. Woraus das intergalaktische Medium besteht und wie Astronomen es beobachten können, erklärt Dieter Breitschwerdt von der TU Berlin.

Auf Bildern, die Ausschnitte unseres Universums zeigen, erscheinen Galaxien als helle Lichtinseln, zwischen denen sich nichts als schwarzer, scheinbar leerer Raum befindet.

Dieter Breitschwerdt: „Man kann das intergalaktische Medium eigentlich in verschiedene Medien unterteilen. In Galaxienhaufen oder Galaxiengruppen gibt es das Haufen- oder Gruppenmedium. Das hat typischerweise eine höhere Dichte und eine höhere Temperatur als das Medium zwischen den Galaxienhaufen. Das sind die Leerräume, auch Voids genannt, wo die Dichte sehr niedrig ist.“

Dieter Breitschwerdt von der Technischen Universität Berlin

Dieter Breitschwerdt

Die Erforschung des intergalaktischen Mediums – also der Materie zwischen den Galaxien – stellt Forscher zunächst vor eine grundlegende Frage: Wo hört eine Galaxie auf und wo fängt das intergalaktische Medium an?

„Heutzutage ist man da ein bisschen großzügiger. Früher zählten zu einer Galaxie im Wesentlichen die Sterne, vielleicht noch das interstellare Medium und ein paar Kugelsternhaufen. Heute geht man davon aus, dass es noch einen großräumigen Halo um die Galaxie gibt – bis zu ungefähr 300 000 Lichtjahre sphärisch um die Galaxie herum. Diesen Halo rechnet man auch noch zur Galaxie dazu, obwohl man es aus Sicht eines Beobachters schon zum intergalaktischen Medium zählen würde. Aber es ist noch gravitativ an die Galaxie gebunden und deshalb würde ich es auch noch zur Galaxie rechnen.“

Während der Durchmesser unserer Galaxis, gemessen an der Sternverteilung, rund hunderttausend Lichtjahre beträgt, erstreckt sich der Halo – der aus warmen und heißem Gas besteht – noch mindestens 300 000 Lichtjahre ins All. Erst 2012 gelang es Astronomen mit dem Röntgenteleskop Chandra, diesen kugelförmigen Bereich um die Milchstraße genauer zu beobachten. Ihre Untersuchung lässt darauf schließen, dass die Masse des Halos ungefähr genauso groß ist wie die aller Sterne in der Galaxis zusammen. Trotz dieser enormen Masse gestaltet sich die Beobachtung des Halos und die des intergalaktischen Mediums allgemein sehr schwierig. Der Grund dafür ist die extrem niedrige Teilchendichte.

„Die Dichte ist in der Nähe der Galaxie natürlich noch höher und liegt typischerweise bei rund 0,001 Teilchen pro Kubikzentimeter. In einem Volumen von tausend Kubikzentimetern hat man also nur ein einziges Teilchen.“

Eine Simulation des intergalaktischen Mediums auf einer Größenskala von Hunderten von Millionen von Lichtjahren zeigt seine großräumige Struktur auf: Es gibt helle, dichte Zentren sowie dünnere Filamente zwischen diesen Zentren sowie riesige Leerräume. Zwischen den hellen Zentren, die Galaxien beherbergen, befinden sich Filamente aus Materia. Die weitgehend leeren Zwischenräume zwischen den Filamenten und Zentren werden Voids genannt.

Struktur des intergalaktischen Mediums

In noch größeren Entfernungen kann die Teilchendichte sogar nur ein Teilchen pro Kubikmeter betragen – ein fast perfektes Vakuum. Eine direkte Beobachtung des intergalaktischen Mediums ist deshalb schwierig, da sich sehr wenig Materie über einen sehr großen Raum verteilt. Aufschlüsse über das intergalaktische Medium liefern deshalb vor allem Licht und Strahlung, die auf dem Weg zur Erde auch das intergalaktische Medium durchqueren und von ihm teilweise absorbiert werden.

„Deswegen sieht man viele Absorptionslinien wenn man eine helle Quelle beobachtet – typischerweise nimmt man da einen Quasar. Die sind zwar weit entfernt, aber sie sind sehr hell und haben ein quasistellares Strahlungsfeld. Und dann kann man schauen, welche Absorptionslinien es zwischen diesem Objekt und mir gibt.“

1970 untersuchte der Astronom Roger Lynds das Licht eines Quasars und entdeckte darin zahlreiche Linien, die nicht vom Quasar selbst stammen konnten: den sogenannten Lyman-Alpha Wald.

„Das sind Linienübergänge in einem Wasserstoffatom von einem angeregten in den direkt darunterliegenden Grundzustand. Es handelt sich somit um eine Anregung von neutralem Wasserstoff.“

Ein Großteil – bis zu 95 Prozent – der Materie im intergalaktischen Medium ist Wasserstoff, der kurz nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden ist. Allerdings weisen Astronomen auch Kohlenstoff, Stickstoff oder Silizium im intergalaktischen Medium nach. Diese schwereren Elemente können nur in Sternen entstehen, von denen das intergalaktische Medium weit entfernt ist. Ihr Vorkommen liefert daher Hinweise auf den Materieaustausch, der mit den Galaxien stattfindet. Dazu zählt beispielsweise eine Brücke aus Wasserstoffgas zwischen der Milchstraße und den ihr am nächsten gelegenen Galaxien, den Magellanschen Wolken.

Die obere Aufnahme zeigt eine Aufnahme der Milchstraße in der der Magellansche Strom in pink hervorgehoben wurde. Diese Aufnahme wurde im Radio- sowie im sichtbaren Bereich des optischen Spektrums gemacht. Die untere Aufnahme ist eine Nahaufnahme aus einem Ausschnitt des Magellanschen Stroms und stammt aus dem Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums. Eine Analyse der Strahlung des Magellanschen Stroms ergab, das der größte Teils des Gases aus dem Strom vor rund zwei Milliarden Jahren aus der Kleinen Magellanschen Wolke gezogen wurde.

Der Magellansche Strom

„Durch die nahe Begegnung zwischen den beiden Galaxien kommt es zu einer gravitativen Wechselwirkung. Dadurch wird Wasserstoff aus den Galaxien herausgezogen, typischerweise aus der Galaxie mit dem geringeren Potenzial – und das sind die Magellanschen Wolken. Diese verlieren also Masse und als Spur der Wechselwirkung sieht man eine Art Gezeitenschwanz.“

Es gelangt aber auch Material aus dem intergalaktischen Medium in die Galaxien.

„Es lassen sich auch sogenannte Hochgeschwindigkeitswolken beobachten. Dabei handelt es sich um Materie, die in die Galaxie einfällt. Man stellt sich vor, dass bei der Galaxienbildung aus kleineren Einheiten immer noch Gas übrig geblieben ist, das dann nach und nach in unsere Milchstraße einfällt.“

Auf Größenskalen von einigen Hundert Millionen Lichtjahren ist dieser Austausch nicht mehr sichtbar. Hier sehen die Galaxienhaufen wie Knotenpunkte im All aus, die durch Filamente des intergalaktischen Mediums untereinander verbunden sind. Bislang konnten Astrophysiker hauptsächlich anhand von Computersimulationen auf die Existenz und Form der Filamente schließen. Doch vor kurzem gelang es Wissenschaftlern, erstmals eine dreidimensionale Aufnahme des intergalaktischen Mediums zu erstellen. Darauf ist ein schmales Materieband mit einer Länge von rund einer Millionen Lichtjahren zu sehen, das rund zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall in eine Galaxie hineinfließt. Die Forscher vermuten, dass diese Materie aus dem intergalaktischen Medium zum Wachstum und zur Sternentstehung in der Galaxie beigetragen haben könnte.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/galaxien-und-galaxienhaufen/intergalaktisches-medium/